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Kanzler, Kicker und Kohl im Kaukasus

Oliver Samson15. Juli 2005

Der Kanzler geht oft zum Fußball. Nun kam der Fußball zum Kanzler, mit ein wenig Zeitgeschichte garniert. Ein Besuch der Fußball-Ausstellung im Kanzleramt.

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Der Rasen von Bern im Kanzlergarten

"Also, was der immer noch kann…": Ministerialrat Jochen Krannich, Referatsleiter für Sport im Bundeskanzleramt, ist vollkommen begeistert von seinem Chef. Zumindest von der Ballbehandlung des Fußballkanzlers. Und klar war "Acker", wie Gerhard Schröder in seiner Zeit als Bezirksliga-Torjäger beim TuS Talle gerufen wurde, auch sofort von der Idee angetan, im Kanzleramt eine Fußballausstellung entstehen zu lassen. Welcher Fan hätte nicht gern erlesene Fußball-Reliquien in seinem Erdgeschoss?

Kanzler und Weltmeister

Fußball- Ausstellung im Kanzleramt
Bundeskanzler Gerhard Schröder (r) steht am Mittwoch (13.07.2005) in Berlin gemeinsam mit Horst Eckel (l) und Ottmar Walter im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung "Fußball und Zeitgeschichte - von Bern 1954 bis Berlin 2006" vor einem Motorroller, der eine Siegprämie für die deutschen WM-Fußballer von 1954 war.Bild: dpa

Am Mittwoch (13.7.) eröffnete der Kanzler persönlich die Schau "Fußball und Zeitgeschichte - von Bern 1954 bis Berlin 2006". Mit Ottmar Walter und Horst Eckel kamen die beiden letzten lebenden Weltmeister von 1954, auch DFB-Präsident Theo Zwanziger war dabei. Letzterer war besonders stolz, dass der Kanzler den Fußball in sein Amt gelassen hat.

Wahrscheinlich gefällt es dem Kanzler auch, dass die fußballfernen Exponate deutlich in der Minderzahl sind. Selbst die massigen Holzstühle, auf denen Kohl und Gorbatschow im Kaukasus einst die Widervereinigung ausknobelten, wirken eher verloren zwischen all den unechten Pokalen und originalen Trikots, Bällen und Schuhen. Macht ja nichts. Schließlich geht es hier vor allem um Spieler und Turniere, die selbst Zeitgeschichte geschrieben haben.

Vom "Wunder von Bern" führen kunstrasenbeschlagene Wände zu den Weltmeisterschaften von 1974 und 1990. Etwas überraschend, aber sehr korrekt, geht es dann zum WM-Titel 2003. Ja, richtig, die Frauen. Mit dem Confed-Cup 2005 schließt die Ausstellung - ob wohl jemals ein Turnier so zeitnah musealisiert wurde?

"Wird sich kaum verhindern lassen"

Ziemlich genau in der Mitte der Ausstellung steht natürlich ein Fußballtor. Es müsste wohl mit dem Teufel zugehen, wenn nicht irgendwann Bilder auftauchen, in denen "Acker" dort mal richtig telegen einen abledert. Mit oder ohne Staatsgast im Tor. Ob für hohe Gäste der Besuch der Ausstellung zukünftig zum guten Ton gehören wird? "Wird sich wohl kaum verhindern lassen", sagt Krannich und freut sich. Auch er war früher selbst aktiver Fußballer. "Wir wollen schließlich der Welt zeigen, wie sehr wir uns auf die WM freuen."

Wie gut, dass das bunte Sammelsurium offensichtlich auch illustren Gästen Spaß macht - und sogar rechtschaffene Innenminister zu verbotenem Spiel verführt: Mit dem wunderbaren Tischkicker aus den 1950ern darf man nämlich nicht spielen. Nicht berühren, steht da groß. Der Ball ist aber trotzdem weg. "Den hat der Schily versenkt", sagt Karl Schlich, Pressesprecher des Bundeskanzleramtes.

Kanzlers Ahnen, "Ackers" Idole

Aber die Verbote gelten wohl auch eher für die 40.000 Besucher pro Jahr, die nach Voranmeldung gruppenweise eingelassen werden. "Einzigartig in der Welt", wie Schlich betont, dass Besucher so nah an die Zentrale der Macht gelassen werden. Einzigartig wohl auch, dass sie dort in Sichtweite der Ahnengalerie von Schröders Vorgängern in Öl "Ackers" Vorbilder in Lebensgröße begegnen: Eusebio, Pelé, Maradona, Platini, Beckenbauer und Di Stefano. Die bleiben da hängen bis zur WM 2006, ist Krannich sicher. Wohl selbst, wenn in der Zwischenzeit andere, weniger fußballbegeisterte Führungskräfte einziehen sollten - was Krannich aber nicht sagt.

Viel länger wird aber vermutlich noch ein anderes Stück Fußballgeschichte im Kanzleramt bleiben. Nicht in der Ausstellung, sondern im Garten wurde 2002 ein Stück des historischen Rasens von Bern aus dem Wankdorf-Stadion eingepflanzt. Der Pressesprecher kümmert sich auch mal persönlich um dessen Wohlergehen. "Wir machen hier ja alles, wenn es darauf ankommt", sagt Schlich. Und ob es darauf ankommt. Denn vielleicht ist es ja ein gutes Omen für 2006: Der weltmeisterliche Rasen gedeiht prächtig.