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Hitzkopf mit Gespür für Hits

Mikko Stübner-Lankuttis9. Februar 2016

Der US-Rapper weiß, wie man Musikfans im Internet-Zeitalter zum Ausflippen und Konzerthallen zum Glühen bringt: In New York präsentiert Kanye West diese Woche sein siebtes Soloalbum - und eine coole Modekollektion.

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Kanye West iHeartRadio Music Festival
Bild: Getty Images/C.Polk

Bis zum letzten Moment war unklar, wie Kanye Wests neues Album heißen sollte. Am Donnerstag hat Kanye West dann im Madison Square Garden den Vorhang gelüftet: "The life of Pablo" enthält 18 Songs und ist seit dem Wochenende nun auch als Stream oder Downoad erhältlich. Für sein siebtes Studioalbum hat West unter anderem mit Rihanna, Frank Ocean und Kendrick Lamar zusammengerabeitet.

In den letzten Wochen hat te der 38-jährige Rapper den Titel mehrfach geändert. Seine Eingebungen verkündete er umgehend bei Twitter: "So Help Me God" hieß es erst, dann "Swish", dann "Waves". Eine Zeitlang stand "So Help Me God" hoch im Kurs, jedenfalls wenn es nach Wests Ehefrau ging. Kim Kardashian West (Foto) gehört zu Amerikas bekanntester Reality-TV-Familie und hat 40 Millionen Follower bei Twitter. Als ihr Gatte kurz vor Veröffentlichung den Masterplan für seine aktuelle Plattenproduktion ein wenig aus den Augen verlor, startete Kim ganz volksnah eine Umfrage. Das Ergebnis: 46 Prozent waren für "So Help Me God".

MET-Gala 2015 Kim Kardashian Kanye West
Glamour und Roter Teppich - der US-Rapper mit seiner Frau Kim Kardashian WestBild: T. A. Clary/AFP/Getty Images

Für die Plattenfirma durfte die Wechsel ziemlich zermürbend gewesen sein: Schließlich mussten die CDs ja auch irgendwann aus den Presswerken zurück sein müssen, um rechtzeitig in den Läden zu stehen. Doch aus Promotion-Sicht hat der Rapper aus Chicago alles richtig gemacht. Seit Wochen verging kein Tag ohne Schlagzeilen mit seinem Namen.

Zuletzt twitterte West stolz, dass die "Kimoji"-App seiner Frau Kim Platz 1 im Apple-Store erobert hat. Die Pixel-Bildchen mit den erotischen Anspielungen sollten den Fans die Wartezeit bis zur Veröffentlichung vertreiben. Kanye West hat dann nicht nur sein neues Album live aufgeführt, sondern gleichzeitig auch seine dritte Modekollektion für den deutschen Sportartikel-Hersteller adidas vorgestellt.

Von den Dimensionen her stellt ediese Show vieles andere in den Schatten: Mehr als 18.000 Zuschauer passen in die ausverkaufte New Yorker Halle. Außerdem wurde das Ganze live in ein paar Hundert Kinos in den USA und noch in 25 europäischen Ländern übertragen.

Zwischen Genie und Größenwahn

USA Kanye West 2005
Exzentrische Stilikone: Kanye West 2005 als "Louis Vuitton Don"Bild: Getty Images/C. Allegri

In Europa mag man sich zuweilen über das großspurige Auftreten des Rappers amüsieren, vor allem weil sich seine Musik in vielen Ländern nur mäßig verkauft. Doch in den USA gilt Yeezy, wie er aufgrund der markanten zweiten Silbe seines Vornamens auch genannt wird, vielen als Visionär. Dafür sprechen mehr als 20 Millionen verkaufte Platten, Platz 6 auf der Forbes-Liste der Rap-Mogule und seine fanatische Anhängerschaft. Seit zwölf Jahren verändert Kanye West kontinuierlich die HipHop-Szene.

Geboren ist er 1977 in Atlanta als Sohn eines Foto-Journalisten und einer Englisch-Professorin. Sein Vater ist ein schwarzer Bürgerrechtler, der sich in der Black Panther-Bewegung engagiert. Als Kanye 3 Jahre alt ist, zieht seine Mutter mit ihm in den Norden nach Chicago. Dort wächst Kanye relativ behütet auf. Er studiert Kunst und Englisch, bevor er sich ganz dem Rap widmet. Sein Solo-Debüt nennt er 2004 passend "The College Dropout".

Darauf sampelt er sich quer durch die schwarze Musikgeschichte und reimt über Lehrer, Religion, Konsumwahn und sein Nahtod-Erlebnis bei einem Autounfall. In einer Hochphase des Gangsta-Rap traut sich Kanye West für das Cover in einem niedlichen Bären-Kostüm zu posieren. Im realen Leben trägt er rosafarbene Polo-Hemden und einen Designer-Rucksack: Sein Alter Ego "Louis Vuitton Don" ist geboren. Mit etwas Schützenhilfe seines Freundes Jay-Z erreicht das Album Platz 2 der Billboard-Charts, alle weiteren Alben erreichen später in den USA die Spitzenposition.

USA Kanye West und Jay-Z 2011
Ziemlich gute Freunde: die beiden US-Musiker West und Jay-Z (2011)Bild: Getty Images/J. McCarthy

Zwischen Wut und Hype

Mit Singles wie "Golddigger", "Stronger" und "Heartless" wird Kanye West in den nächsten Jahren nicht nur Amerikas Hitlieferant, sondern auch modischer Trendsetter. In Paris absolviert er Praktika bei Louis Vuitton und Fendi und entwirft eine eigene Linie, die aber floppt. Dafür erhält er 2015 überraschend akademische Anerkennung, als ihm eine Chicagoer Kunsthochschule einen Ehrendoktortitel für sein interdisziplinäres künstlerisches Wirken verleiht.

Doch mit seinem Hitzkopf provoziert er immer wieder. Unvergessen der Moment, als Kanye West 2009 bei den MTV Video Music Awards auf die Bühne rennt, der weißen Country-Sängerin Taylor Swift ihre Trophäe entreißt und verkündet, diese gehöre eigentlich Beyoncé. Selbst Präsident Obama lässt sich daraufhin öffentlich zu der Bemerkung hinreißen, Kanye sei ein "Jackass", ein Idiot. Später entschuldigt sich der Rapper kleinlaut für seine spontane Aktion.

Neben purer Egozentrik spielt bei seinen Aktionen noch anderes mit: Auch als Multimillionär brennt Kanye West leidenschaftlich für seine Kunst und für die gesellschaftliche Anerkennung der Schwarzen. Die holt er sich stellvertretend für das schwarze Amerika, das nach seinem Verständnis bis heute unter den Folgen von Sklaverei und Rassentrennung leidet.

An diesem Diskriminierungs-Diskurs hat sich Kanye West für sein letztes Album besonders intensiv abgearbeitet. Der selbstverliebte Titel „Yeezus“ sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass Kanye durchaus irdische Probleme hat. Selbst ein Künstler mit seinem Star-Ruhm stößt beim Establishment immer wieder auf Grenzen.

USA Kanye West Adidas Yeezy Boost 350 trainers
Nike war gestern, heute ist Adidas sein Auftraggeber für stylische SportschuheBild: picture alliance/empics/D. Leal-Olivas

Deutlich wurde das, als Kanye West 2013 mit dem Sportswear-Giganten Nike in Streit geriet. Der Rapper hatte zwei Turnschuhe mitentworfen, die in Minuten ausverkauft waren und bei Auktionsplattformen für aberwitzige Summen gehandelt wurden. Doch Nike hatte kein Interesse an einer Ausweitung der Zusammenarbeit. Der Rapper machte daraufhin seinen Unmut öffentlich.

Trendsetter der Hipster

Der Branchenzweite adidas erkannte die Chance und erfüllte Kanye West sogar den Wunsch nach einer eigenen Modelinie. Mit gigantischem Erfolg: Vor allem die limitierten Sneakers waren 2015 weltweit gefragt. Fans campierten tagelang vor den Geschäften und findige Teenager verdienten sich am Wiederkauf goldene Nasen. Nun steht die dritte Kollektion an: Kanyes modische Vision wird wieder teure Streetwear sein - mit Jogginghosen im exklusiven Hochpreis-Bereich von 350 Euro.

Sir Paul McCartney und Kanye West
Prominenter Besuch im Studio: Kanye West hier mit Paul McCartney (2015)Bild: picture alliance/dpa/Khayat-Nebinger-Orban-Taamallah

Musikalisch wird Kanye West mit seinem neuen 7. Album wieder für einige Überraschungen sorgen. Drei Jahre lang hat er daran gearbeitet. Beatles-Gründer Sir Paul McCartney war einige Wochen mit ihm im Studio, ebenso Sängerin Rihanna und die angesagten Rapper A$AP Rocky und Kendrick Lamar. Mit letzterem hat Yeezy gerade den Song "No More Parties in LA" veröffentlicht – ein Rap-Rückblick auf wildere Zeiten. Inzwischen hat der Musiker zwei Kinder zu versorgen.

Kanye West bleibt selbstbewusst, aber nicht unbelehrbar. Zwischenzeitlich hat er vom "Besten Album aller Zeiten" gesprochen, ist dann aber wieder ein wenig zurückgerudert: Er nennt es jetzt "eines der besten". Er polarisiert eben gern, auch wenn er es manchmal gar nicht so meint.