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Soziale Gerechtigkeit

15. November 2009

Die SPD hat auf dem Dresdner Parteitag ihre Führung ausgetauscht. Nun muss sich die SPD auch inhaltlich erneuern und wieder eine politische Alternative zum Marktradikalismus bieten, kommentiert Bettina Marx.

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Sigmar Gabriel, im Vordergrund eine Rose (Foto: AP)
Der neue SPD-Vorsitzende Sigmar GabrielBild: AP

Vor 50 Jahren hat die SPD ihr Godesberger Programm verabschiedet. Mit diesem neuen Grundsatzprogramm gab sich die Partei ein neues, modernes Gesicht. Sie vollzog damit den Wandel von der Arbeiterpartei zur Volkspartei und verankerte sich in der linken Mitte der Gesellschaft.

Und nun, genau ein halbes Jahrhundert später, stehen die deutschen Sozialdemokraten wieder an einem Neuanfang. Nach der verheerenden Niederlage bei der Bundestagswahl, nach elf Jahren Regierungsarbeit, nach Jahren, die von Mitgliederschwund und innerparteilichen Machtkämpfen geprägt waren, sucht die Partei den Weg zurück zu sich selbst, zu ihren Wurzeln.

Dringend nötige Erneuerung

Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Es ist kein leichter Neuanfang für eine Partei, die in zehn Jahren mehr als 200.000 Mitglieder und die Hälfte ihrer Wähler verloren hat und in fünf Jahren sechs Vorsitzende wählte. Doch der Parteitag in Dresden stellte immerhin die Weichen für die dringend benötigte Erneuerung der Partei. Er verabschiedete den Parteivorsitzenden Franz Müntefering in den Ruhestand, er wechselte fast den gesamten Vorstand aus und er debattierte ausführlich und kritisch die Politik der letzten Jahre.

Ehrliche Diskussion

Es war eine angeregte und ehrliche Diskussion, dabei sparten die Delegierten nicht mit beißender Kritik an der Führung ihrer Partei, die sie für den Niedergang verantwortlich machen. Von einem Aufstand der Basis aber konnte keine Rede sein. Die Debatte verlief sachlich und höflich, die Politiker, die in den letzten Jahren den Richtungswechsel der SPD hin zu einer neoliberalen Partei entscheidend getragen hatten, wurden mit höflichem Applaus bedacht: der frühere Finanzminister Peer Steinbrück, der gescheiterte Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und der frühere Parteichef Franz Müntefering.

Es war viel Ernsthaftigkeit zu spüren bei diesem Parteitag, es war der Wille zu spüren, das Ruder herumzureißen, die Partei und ihre Basis wieder zusammenzuführen und wieder Antworten auf die brennenden Fragen zu geben. Aber ob dies reichen kann? Vielleicht ist der Ärger auch zu schnell verraucht. Vielleicht haben sich die Delegierten zu schnell von einer fulminanten und leidenschaftlichen Rede ihres neuen Vorsitzenden mitreißen lassen und ihn von jeder Mitverantwortung für das Debakel der SPD freigesprochen. Vielleicht hätte der Schnitt noch radikaler sein müssen. Denn im neuen Fraktionschef Steinmeier, der nach eigenen Worten das Kraftzentrum der Partei lenken soll, die Bundestagsabgeordneten, hat die Partei an entscheidender Stelle einen Vertreter des gerade abgewählten Weges.

Die SPD wird gebraucht

Dabei braucht Deutschland wieder eine politische Alternative zum Marktradikalismus. Gerade jetzt, da die neue schwarz-gelbe Regierung sich anschickt, die Umverteilung von unten nach oben fortzusetzen, die Vermögenden mit Steuersenkungen zu entlasten und die Mehrheit der Bevölkerung mit zusätzlichen Abgaben zu belasten, gerade jetzt brauchen die Menschen wieder Hoffnung, sie brauchen wieder eine Partei, die ihre Interessen vertritt. Der 82-jährige Erhard Eppler brachte es in seiner Rede auf den Punkt: Nie wurde die Sozialdemokratie dringender gebraucht als jetzt.

Man kann nur hoffen, dass Sigmar Gabriel diesen Auftrag, der ihm nicht nur von seiner Partei, sondern von der ganzen Gesellschaft erteilt wurde, ernst nimmt und die Sozialdemokraten wieder zur Kraft der sozialen Gerechtigkeit macht.

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Dirk Eckert