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Kann das Altern gestoppt werden?

4. November 2010

Herausfinden, warum wir altern – und Krankheiten wie Krebs und Alzheimer heilen. Das wollen Biologen am Max-Planck-Instituts für die Biologie des Alterns. Sie tun das auf ungewöhnliche Weise: mit Hilfe von Würmern.

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Fadenwurm C. elegans(Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa
Es rattert im Labor: Das "Wurmsortiergerät" sortiert Fadenwürmer nach Farben. Die Färbung verrät, ob ein Wurm eine genetische Mutation aufweist oder nicht. Mit bloßem Auge ist das nicht zu erkennen – die Würmer sind nur einen Millimeter klein und auf den Scheiben, die in das Gerät geschoben werden, nicht zu sehen. Genmanipulationen am Fadenwurm C. elegans sollen Aufschluss darüber geben, warum wir Menschen altern. Der Wurm eignet sich besonders gut für die Forschung, weil alle seine Gene bekannt sind und er mit drei bis vier Wochen eine sehr kurze Lebensspanne hat. So lassen sich über kurze Zeit mehrere Generationen beobachten.

Würmer werden zehnmal älter

Mit dem Fadenwurm hatte die Altersforschung angefangen: In den 80er Jahren hatten Forscher durch eine genetische Veränderung erreicht, dass der Wurm bis zu zehnmal älter wurde als normalerweise. Die Versuche gaben erste Hinweise darauf, dass Altern eine genetische Komponente hat und dass man das Altern manipulieren kann. Inzwischen sind die Biologen am Max-Planck-Institut mit der Forschung am Genom des Fadenwurms schon weiter:

Ralf Petri, wissenschaftlicher Koordinator des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns in Köln. Foto: DW/Gönna Ketels, Oktober 2010, Köln
Biologe Ralf PetriBild: DW

"Der Wurm gibt uns die Möglichkeit, bestimmte Bereiche einzugrenzen und zu fragen: Sehen wir das zum Beispiel in Krankheitsbildern wie Alzheimer oder Krebs wieder", sagt der wissenschaftliche Koordinator Ralf Petri. Von ihren Versuchen mit Fadenwürmern, Fruchtfliegen und Mäusen erhoffen sich die Wissenschaftler am Institut nämlich auch Erkenntnisse über Alterungsprozesse beim Menschen – und Lösungen für altersbedingte Krankheiten.

Bedeutung der Altersforschung wächst

Der Ansatz der Forscher: Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer, Krebs oder Osteoporose stehen alle mit dem Altern in Verbindung. "Wenn wir grundsätzlich verstehen, warum wir altern, und welche Prozesse dort ablaufen, dann haben wir einen Schlüssel, um alle diese Krankheiten gemeinsam zu betrachten und vielleicht etwas zu finden, was den körperlichen Zustand der alternden Menschen insgesamt verbessert", so Petri.

Wurmsortiergerät am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln. Foto: DW/Gönna Ketels, Oktober 2010, Köln
Im "Wurmsortiergerät" werden Würmer mit von Würmern ohne Genmutation getrenntBild: DW

In der Natur würden Tiere selten so alt, dass sich die Alterssymptome bemerkbar machen, erklärt Petri. Bei uns Menschen sei das anders – durch medizinische Fortschritte und bessere Hygiene würden wir immer älter: "Wenn wir die demografische Entwicklung betrachten, dann sehen wir, dass wir über die vergangenen 150 Jahre jede Dekade ungefähr zweieinhalb Jahre an Lebenszeit dazu gewonnen haben. Und im Moment sieht es nicht so aus, dass diese Entwicklung irgendwo ein Ende finden wird."

Mit zunehmendem Alter kämpfen wir auch verstärkt mit altersbedingten Krankheiten. Deshalb wächst die Bedeutung der Altersforschung – besonders in den Industrieländern. Denn dort ist der demografische Wandel besonders sichtbar: wenige junge und viele alte Menschen. Doch zeitversetzt werden die Folgen alle Kontinente betreffen, so Petri: "China wird dieses Problem irgendwann haben, und zwar aufgrund der Bevölkerungsdichte in deutlich größerem Maßstab als wir. Und auch Indien, die ganzen südamerikanischen Staaten und Afrika werden betroffen sein."

Altern ganz ausschalten?

Schild Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln. Foto: DW/Gönna Ketels, Oktober 2010, Köln
Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in KölnBild: DW

Am Max-Planck-Institut bekommt man die Auswirkungen des demografischen Wandels auch selbst zu spüren – weil hierzulande der wissenschaftliche Nachwuchs fehlt. Von 100 Mitarbeitern stammen 60 aus dem Ausland. Insgesamt sind 23 Nationalitäten vertreten. Selbst die drei Direktoren des Instituts sind international renommierte Spitzenforscher aus Schweden, England und den USA. "Zuwanderung ist für uns ein Riesenthema, weil wir absolut darauf angewiesen sind", sagt Ralf Petri, "die Wissenschaftslandschaft hier steht und fällt mit dem Zuzug von internationalen Wissenschaftlern. Wir müssen tatsächlich daran arbeiten, dass wir das attraktiv machen."

Bisher gehört Deutschland aber nicht gerade zu den Traumzielen ausländischer Fachkräfte. Der Biologe Christian Kukat weiß aus Gesprächen mit seinen internationalen Kollegen, dass vor allem die Sprache eine Hürde darstellt: "Im Institut ist das kein Problem. Da wird Englisch gesprochen. Nur im alltäglichen Leben, zum Beispiel an der Supermarktkasse, ist die Kommunikation in Englisch nicht die einfachste. Und viele Deutsche verstehen zwar Englisch, trauen sich aber nicht zu antworten." Wenn es so schwierig ist für ausländische Wissenschaftler in Deutschland, dann drängt sich eine Frage förmlich auf: Könnte man nicht einfach das Altern ganz ausschalten – zumindest bei der bedrohten Spezies der Forscher? "Man könnte vielleicht", erklärt Ralf Petri. Aber wer sich das wünscht, sollte sich auch über die persönlichen Konsequenzen im Klaren sein, sagt er und fügt hinzu: "Können Sie sich vorstellen, 350 Jahre mit einem Menschen verheiratet zu sein?" Autor: Gönna Ketels
Redaktion: Andreas Ziemons