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Kampf um Informationsfreiheit in Aserbaidschan

25. August 2005

Im Vorfeld der Wahlen im November verzögert sich in Aserbaidschan der Sendestart eines neuen Fernsehsenders. Journalisten und Oppositionelle fürchten willkürliche Behinderung, um die Pressefreiheit weiter einzuschränken.

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Aserbaidschaner wollen freien Zugang zu Informationen - nicht nur vor den WahlenBild: AP

Der neue öffentlich-rechtliche Fernsehsender in Aserbaidschan sollte ursprünglich im Juli den Betrieb aufnehmen. Doch auch dieses Vorhaben kommt nur schleppend voran - und auf Druck aus dem Ausland. Vor allem der Europarat machte sich stark für diesen Sender, damit schon vor den Wahlen im November die Meinungs- und Informationsfreiheit im Land gewährleistet wird. Ob er in der Tat im September auf Sendung geht, wird von kritischen Beobachtern im Land bezweifelt. Fragen der Finanzierung und Strukturen sind noch nicht geklärt.

Gibt es denn andere Möglichkeiten für die Bevölkerung sich zu Informieren? Die Vorsitzende des aserbaidschanischen Vereins "Reporter Ohne Grenzen" Sevil Yusifova verneint die Frage: „Leider nein! Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung Aserbaidschans informiert sich über das Fernsehen. Da aber keine unabhängigen Fernsehsender existieren und alle vorhandenen Sender unter der Kontrolle der Regierung stehen, kommen Oppositionsführer nie auf den Bildschirm. Im Gegenteil: Es werden jeden Tag Berichte gegen die Oppositionsführer gesendet."

Opposition setzt auf Printmedien

Tatsächlich sind die bereits existierenden Fernsehanstalten entweder staatlich oder gehören den Verwandten des Staatspräsidenten Ilham Alijew. In der Presselandschaft sieht es ähnlich aus. Etwa 100 Zeitungen und Zeitschriften erscheinen in dem ölreichen Land - darunter 15 Tageszeitungen. Nur drei davon gehören der Opposition - allerdings die auflagenstärksten. Frau Yusifova erklärt: „Da die Opposition keinen Platz in den Fernsehsendern findet, bevorzugt sie die Zeitungen, die Printmedien. Sie besitzt heute die Zeitungen mit den größten Auflagen. Das zeigt, dass die Menschen hungrig sind nach alternativen Informationsquellen. Dieser Hunger wird durch die Oppositionszeitungen gesättigt. Doch sie haben gewaltige Probleme. Sie werden daran gehindert, Informationen zu sammeln, an offiziellen Terminen teilzunehmen."

Sobald Journalisten dieser Zeitungen ihre Presseausweise vorzeigen, würden sie als Menschen zweiter Klasse behandelt, sagte Yusifova. Genauso schwierig sei es für die Oppositionsblätter, Anzeigen zu akquirieren. Zwar hätten diese momentan die größten Verkaufszahlen. Dennoch bekommen Sie häufig keine Anzeigen. Denn Unternehmen fürchten Probleme, wenn sie dort inserieren.

Schlechte Erfahrungen

Trotz aller Unzufriedenheit glaubt in Aserbaidschan kaum jemand, dass die bevorstehenden Wahlen an der Lage etwas ändern werden. Das liegt an den schlechten Erfahrungen nach den Präsidentschaftswahlen in 2003. Damals gingen die Aserbaidschaner auf die Straße, nachdem mögliche Wahlmanipulationen bekannt wurden.

Die Ordnungskräfte schossen auf Demonstranten. Tausende Menschen wurden zusammengeschlagen, hunderte verhaftet. Nach offiziellen Angaben auch über 70 Journalisten. Trotz dieser Ereignisse blieb damals der Druck aus dem Ausland aus. Die internationale Gemeinschaft hat zwar das Vorgehen der Polizei verurteilt, aber die offiziellen Wahlergebnisse akzeptiert. Das führte zur Desillusionierung in der Bevölkerung, meint Sevil Yusifova: „Viele Experten sagen, die Europäer und die Amerikaner hätten die Demokratie dem Öl geopfert. Das glauben die Menschen. Sie glauben nicht an die Wahlen. Sie sagen, 'Was wird sich ändern, wenn ich wählen gehe?' Das Vertrauen in der Demokratie ist zerrüttet."

Aufruf zu Reformen

Der Westen schaut auf Aserbaidschan mit gemischten Gefühlen. Einerseits bescheinigt man den Gesetzen des Landes durchaus ihren demokratischen Charakter. Andererseits ist es auch in den westlichen Hauptstädten bekannt, dass diese Gesetze kaum Anwendung finden.

Die aserbaidschanische Sektion von "Reporter Ohne Grenzen" fordert nun die Regierung in Baku zu Reformen auf. Sie soll die Korruption bekämpfen und die alten Kader, die noch unter der Sowjetherrschaft ihre heutigen Positionen bekamen, entlassen. Damit die Informationsfreiheit Wirklichkeit wird, wollen die kritischen aserbaidschanischen Journalisten, dass die Lizenzvergabe an private Fernsehsender freigegeben wird.

Cem Sey

DW-RADIO/Türkisch, 22.8.2005, Fokus Ost-Südost