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Kampf um Einzug in den Bundestag

6. Februar 2002

Einen Bundestagswahlkampf der etwas anderen Art liefern sich die Hersteller der Computer-Betriebssysteme Windows und Linux. Es geht um die entscheidende Frage: Was darf auf die Computer im Bundestag aufgespielt werden?

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Pinguin Tux, das Linux-MaskottchenBild: images.linux.com

Mit zunehmend hartem Einsatz kämpfen Windows-Hersteller Microsoft und die hinter Linux stehende Open-Source-Bewegung darum, welches System künftig auf den 5.000 Computern im Bundestag installiert sein soll. Eine eigentlich rein technische Frage ist zum Politikum geworden.

Hop oder Top

Bisher ist auf den Rechnern von Abgeordneten und der Verwaltung das Microsoft-System Windows NT 4.0 installiert. Weil Microsoft Ende 2002 den Support für dieses 1996 eingeführte System einstellen will, musste sich der Bundestag rechtzeitig nach einem neuen System umschauen. Zur Wahl stehen Windows XP und das freie Betriebssystem Linux. Die Entscheidung zwischen diesen so unterschiedlichen Systemen trifft der Ältestenrat nach einer Empfehlung der Kommission für Informations- und Kommunikationstechnik (IuK).

Nach ausführlichen Tests der beiden Systeme und einer Studie des Kölner Unternehmensberaters Infora soll über eine Empfehlung entschieden werden. Die IuK-Kommission wird dazu Ende Februar (vermutlich am 21. oder am 28. Februar) zu einer vorentscheidenden Sitzung zusammenkommen. Die letzte Entscheidung treffen dann die 30 Mitglieder des Ältestenrates unter Vorsitz von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.

Ist Freie Software demokratischer?

Seit Herbst beharken sich die beiden Interessengruppen mit Offenen Briefen. Jetzt aber hat die Debatte mit der Internet-Initiative bundestux.de eine neue Schärfe erhalten. Es sei "geradezu die Pflicht eines demokratischen Staates, auf Freie Software zu setzen", erklären die 33 Erstunterzeichner, unter ihnen Bundestagsabgeordnete aus CDU, SPD und Grünen. "Nur Freie Software ermöglicht durch den offen zugänglichen Quellcode eine gesellschaftliche Überprüfung und Verbesserung von Programmen."

Packungen des neuen Microsoft Betriebssystems
Betriebssystem Windows XP ProfessionalBild: AP

Verärgert konterte der deutsche Microsoft-Geschäftsführer Kurt Sibold mit einem Offenen Brief an die Unterzeichner. Darin räumte er ein, dass es "sicherlich nachvollziehbare sachliche Gründe" gebe, sich für die Verwendung von Linux einzusetzen. "Was hat aber eine Entscheidung für oder gegen ein Betriebssystem mit 'demokratischen Spielregeln' und 'Pflichten eines demokratischen Staates' zu tun?" Die Bundestux-Initiative betreibe "eine öffentliche Diskriminierung unserer Produkte und Dienstleistungen als undemokratisch." Die Entscheidung des Bundestags aber sollte allein "auf einer Bewertung der Kosten und Leistungsfähigkeit der Produkte und Dienstleistungen" beruhen.

Kompromiss denkbar

Die Entscheidung dürfte knapp ausfallen. Hinsichtlich der Stabilität sind Windows XP und das Betriebssystem mit dem Pinguin etwa auf gleichem Niveau. In Sicherheitsfragen gerät Windows häufiger in die Schlagzeilen als Linux, was auch an der großen Verbreitung des mit einem Marktanteil von rund 90 Prozent dominierenden Betriebssystems liegt. Was die einfache Bedienung angeht, hat Windows nach Auffassung von unabhängigen Fachleuten immer noch die Nase vorn - auch wenn Linux hier mit der KDE-Oberfläche zuletzt stark aufgeholt hat.

Die Kostenfrage

Daher könnten vielleicht die politischen Einschätzungen den Ausschlag geben. Hier liegen die Sympathien eher bei Linux, das nicht von einem starken Konzern, sondern von einer Vielzahl freier Entwickler weiterentwickelt wird. Im November vergangenen Jahres beschloss der Bundestag, Open-Source-Software in der Bundesverwaltung zu fördern. Ein Grund dafür seien auch die geringeren Kosten bei Linux. Dem Kostenargument begegnet Microsoft allerdings damit, dass auf lange Sicht und unter Einschluss der Gesamtkosten für die Wartung des Systems Linux keineswegs so günstig sei, wie es bei der Anschaffung den Anschein habe.

Möglicherweise wird sich der Ältestenrat zu einem Kompromiss durchringen. So könnten die 150 bis 170 Server unter den rund 5.000 Bundestagscomputern unter einem anderen Betriebssystem laufen als die Clients, die Arbeitsplatzrechner im Bundestag. "Das Parlament muss arbeitsfähig sein", sagt im AP-Gespräch der Mitarbeiter der SPD-Bundestagsfraktion, Volker Schroer. AP/(pf)