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Kampf gegen Korruption in Marokko

Abdelhalim Laaraibi / KK16. September 2016

Die Helme der marokkanischen Polizisten sind seit Kurzem mit kleinen Kameras ausgerüstet. Damit will der Staat gegen Korruption vorgehen. Doch die Maßnahme stößt in der Bevölkerung nicht nur auf Zustimmung.

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Marokkanische Polizisten mit Helmkamera (Foto: DW/A. Laaraibi)
Bild: DW/A. Laaraibi

Ein Video sorgte für Aufregung: Es zeigte einen Polizisten, der mitten auf einer Straße in Casablanca Bestechungsgeld von einer Passantin annimmt. Die Frau bedrängt den Polizisten regelrecht, ihr Fehlverhalten im Straßenverkehr nicht mit einer Strafe zu ahnden. So drängt sie ihm einige Scheine auf. Der Freund der Frau filmte die Diskussion - warum, ist unklar.

Das Video hatte sich gerade einen Tag im Netz verbreitet, da verkündete die Direktion der Nationalen Sicherheitsbehörde in Rabat, sie werde den Staatsanwalt beauftragen, den Vorfall zu untersuchen. Bald gab der Polizist zu, von der Passantin einen Geldbetrag angenommen zu haben. Daraufhin eröffnete der Staatsanwalt ein Verfahren wegen Bestechlichkeit. Anfang Oktober wird der auf Bewährung aus der Haft entlassene Polizist erstmals vor Gericht erscheinen.

Nachdem ein weiteres in die sozialen Netzwerke gelangtes Video die Gesetzesverstöße anderer Polizisten dokumentiert, entschloss sich die nationale Sicherheitsbehörde, die Helme der Polizisten mit Kameras auszustatten. Auf diese Weise sollten deren Einsätze in allen Einzelheiten dokumentiert werden.

Marokkanischer Polizist mit Helmkamera (Foto: DW/A. Laaraibi)
Neue Ausrüstung: die HelmkameraBild: Radouan Kamal

Die Maßnahme diente nicht allein der Korruptionsbekämpfung. Zusätzlich sollte sie die Polizisten dazu anhalten, die Menschenrechte zu achten. Kurze Zeit später wurde auch die königliche Garde von Rabat dazu verpflichtet, kleine Kameras an der Uniform zu tragen. Auch ihr Dienst sollte fortan dokumentiert werden.

Eine sinnvolle Maßnahme

Die Aufzeichnungen seien sinnvoll, sagt der marokkanische Ökonom und Anti-Korruptionsexperte Azzedine Akesbi. Er erwartet, dass sich mit ihrer Hilfe Bestechung und Amtsmissbrauch eindämmen lassen. Allerdings müssten bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Unter anderem müsse der Einsatz der Kameras rechtlich einwandfrei geklärt sein.

Wunder sollte man allerdings nicht erwarten, warnt Akesbi - der Kampf gegen Korruption werde schwierig bleiben. Denn Korruption trete nicht nur in vielerlei Gestalt auf, sie sei außerdem in den verschiedensten Sektoren der marokkanischen Gesellschaft verbreitet. Der Kampf gegen sie erfordere eine umfassende Strategie. So brauche es etwa eine unabhängige, keinerlei fremden Einflüssen unterworfene Justiz. Außerdem müssten die Rechte des Individuums und der Gesellschaft besser geschützt werden.

Verantwortungsbewusstsein schaffen

Inzwischen setzt sich die Direktionsspitze der Nationalen Sicherheitsbehörde in Marokko mit jenen Videos auseinander, die einige ihrer Angestellten in verdächtigen Situationen zeigen. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der untersuchten Fälle spürbar gestiegen. Zahlreiche Polizeiangehörige müssen sich nicht nur wegen Bestechlichkeit, sondern auch wegen anderen Fällen von Amtsmissbrauch verantworten.

Sicherheitsexperte Mohammed Akdid (Foto: privat)
Kameras heben auch das Ansehen der Polizisten: Mohammed AkdidBild: privat

Die Kameras dienten dazu, Verantwortung und Verantwortlichkeit miteinander zu verbinden, erklärt der Sicherheitsexperte Mohammed Akdid. Die Kameras würden auch dazu dienen, das Ansehen der Polizisten zu verbessern. Viele Beamte litten nämlich darunter, dass ihr Berufsstand in weiten Teilen der Gesellschaft als grundsätzlich "korrupt" verschrien sei.

Zudem würden die Kameras dazu beitragen, für Transparenz im Sicherheitsapparat zu sorgen - und der 2011 verabschiedeten Verfassung zur Geltung zu verhelfen. Diese war auf Druck von Reformkräften aus der Zivilgesellschaft entstanden. Eine ihrer Forderungen war ein verstärkter Kampf gegen Korruption und Staatswillkür.

Erste Erfolge

Um diesen umzusetzen, sei aber auch der entsprechende politische Wille nötig, sagt der Anti-Korruptionsfachmann Akesbi. Der sei nationalen und internationalen Berichten zufolge vergleichsweise schwach ausgeprägt.

Immerhin: Derzeit müssten sich rund 4000 Polizisten wegen Amtsmissbrauch verantworten, sagt Sicherheitsexperte Akdid. Das seien so viele wie nie zuvor in der Geschichte des Landes. Die Zahl zeige, dass der Wille zur Korruptionsbekämpfung wachse. Darin spielten auch die Kameras eine wichtige Rolle.

Symbolbild Korruption (Foto: Natalia D.)
Diskrete Kriminalität: KorruptionBild: Fotolia/Natalia D.

Gespaltenes Verhältnis zur Korruption

Die Kameras offenbaren aber ein Weiteres: Nämlich das gespaltene Verhältnis zahlreicher Marokkaner zur Korruption. Die Aufzeichnungen zeigen, dass viele Bürger sich durch Bestechungsgelder von einer Strafe freizukaufen versuchen. Auch sei ein Teil der Gesellschaft gegen die Installation von Überwachungskameras im Straßenverkehr, sagt Akdid. Diese Bürger zögen es vor, Ordnungswidrigkeiten auf schnellem Weg zu begleichen - und sei es um den Preis der Gesetzesübertretung. Darum stünden derzeit nicht nur zahlreiche Polizisten vor Gericht - sondern auch viele Zivilisten, die versucht hätten, die Ordnungshüter zu bestechen.