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Kampf gegen Kinderpornografie

23. Februar 2010

Kaum in Kraft getreten soll das Gesetz zur Sperrung von Kinderpornografie-Seiten im Internet so schnell wie möglich durch ein Gesetz zur Löschung derartiger Seiten ersetzt werden.

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Das rote Stopp-Schild, das Internet-Nutzer sehen sollten, wenn sie auf Internet-Seiten mit Kinderpornografie zugreifen, ist schon wieder überholt (Foto:dpa)
Stoppzeichen soll Nutzung von Kinderpornografie im Internet eindämmenBild: picture-alliance/dpa

Der Kampf des Bundeskriminalamtes gegen Nutzer, Produzenten und Unterstützer von Kinderpornografie im Internet gleicht dem des berühmten Don Quichote. Wenn mit großem Polizeieinsatz in der ganzen Republik Wohnungen durchsucht, Drahtzieher festgenommen, Videos beschlagnahmt und Festplatten von privaten Internetnutzern durchleuchtet werden, dann kann man fast sicher sein, dass sich an anderer Stelle ein neuer Kreis von Konsumenten und Produzenten von Kinderpornografie findet.

Abschrecken durch Internetsperren

Zwei Beamte des Landeskriminalamtes in Stuttgart sitzen vor Bildschirmen und recherchieren nach Kinderpornografie im Internet (Foto:dpa)
Verbreitung ist schwer zu stoppen: Kinderpornografie im NetzBild: dpa

Dagegen hat die schwarz-rote Bundesregierung ein Gesetz verabschiedet, das am Dienstag (23.02.2010) in Kraft getreten ist. Es sieht die Sperrung von Internetseiten vor, die kinderpornografische Inhalte anbieten und stellt die Nutzung genauso unter Strafe wie das systematische Suchen nach derartigen Seiten.

BKA-Präsident Jörg Ziercke spricht sich nachdrücklich für Sperren im Internet aus. Solche Sperren hätten in Skandinavien abschreckend gewirkt und fügt hinzu, dass derjenige, der "Warnschilder bewusst umgeht, Spuren auf seinem Computer hinterlässt". Anhand dieser Spuren ließen sich Strafverfolgungen einleiten. Auf diese Weise könnte der Kindesmissbrauch wirksam bekämpft werden.

Zensur durch die Hintertür

Portrait des BKA-Präsidenten Jörg Ziercke vom August 2006 (Foto: AP)
BKA-Präsident Jörg Ziercke: "Sperrung wirkt!"Bild: AP

Gegen diese Auffassung hat sich früh Widerstand geregt. Bundespräsident Horst Köhler hatte das Gesetz zunächst nicht unterzeichnet, weil es schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken gab. Auch der "Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur" sprach sich gegen diesen als "Zensur" bezeichneten Eingriff ins Internet aus. Horst Köhler hatte in der vergangenen Woche das Gesetz trotz der weiterhin bestehenden Bedenken unterzeichnet - Beobachter meinen, weil ihm die neue schwarz-gelbe Regierung vermutlich eine rasche Überarbeitung des Gesetzes in Aussicht gestellt hat.

Löschen statt Sperren

Schon bei der Abfassung des ersten Gesetzes hatte die CDU zu Protokoll gegeben, sie sei für eine Löschung der Seiten mit kinderpornografischem Inhalt. In der neuen politischen Konstellation stimmte die FDP ebenfalls für eine Neufassung des Gesetzes. So kommt es zu der von der Opposition als "rechtliches Wirrwarr" bezeichneten Situation, dass ein gerade in Kraft getretenes Gesetz eigentlich schon wieder überholt ist und von einem anderen abgelöst werden soll.

Portrait des Staatssekretärs im Justizministerium Max Stadler (Foto:dpa)
Staatssekretär Max Stadler: "Kein Aufbau von Sperr-Infrastrukturen"Bild: picture-alliance/ dpa

Der Staatssekretär im Justizministerium, Max Stadler (FDP), versicherte, es werde keine Infrastruktur zur Sperrung von Internetseiten aufgebaut. Mit dem neuen Löschgesetz kommt die Regierung zahlreichen Bedenken - vor allem auch der Internetwirtschaft - nach. "Löschen statt Sperren" heißt die neue Zauberformel, die sowohl in der Wirtschaft als auch bei der Piratenpartei, bei der sich viele Netzaktivisten engagieren, auf Zustimmung stößt.

Verfassungsklage angedroht

Der "Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur" begrüßt ebenfalls "die Absicht der Bundesregierung, von Internet-Sperren endgültig Abstand zu nehmen." Unter dem Deckmantel des Kinderschutzes dürfe keine Internetzensur eingeführt werden", so Alvar Freude vom Arbeitskreis. Sollte nicht bald ein Aufhebungsgesetz verabschiedet werden, sieht Freude den Gang zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe als unvermeidlich an.

Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Nicole Scherschun