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Kampf für Europa - und Chiracs Macht

Gérard Foussier8. Juni 2005

Durch seine Kabinettsumbildung erhofft sich Präsident Chirac die Rettung der Macht. Vor der Regierungserklärung am Mittwoch (8.6.) rätseln die Franzosen über die Strategie des Präsidenten. Gérard Foussier kommentiert.

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Neu an seiner Seite: Nicolas Sarkozy, links, und Dominique de VillepinBild: AP

Jacques Chirac hat einen wichtigen Kampf verloren: Der Rückhalt in der Bevölkerung ist ihm abhanden gekommen und Europa steckt in einer tiefen Krise. Rücksicht auf das, was die Franzosen nicht wollen, hat der Staatspräsident mit seiner jüngsten Regierungsumbildung nicht genommen. An seinen Europa-Vorstellungen hat sich nichts geändert. Keiner glaubt ernsthaft, dass sich der bisherige Gesundheitsminister Philippe Douste-Blazy, als neuer Außenminister ohne jede diplomatische Erfahrungen, um das kranke Europa kümmern wird. Und die neue Europa-Ministerin Catherine Colonna, jahrelang Chiracs Sprecherin, kann nur noch die Anweisungen des Präsidenten ausführen. Nun ist Europa eindeutig Chefsache. Chirac hat es auch demonstriert, indem er am Samstag (4.6.2005) zu seinem ebenfalls angeschlagenen Freund Gerhard Schröder nach Berlin geflogen ist.

Europa muss warten

Der neue französische Außenminister Phillipe Douste-Blazy
Der neue französische Außenminister Phillipe Douste-BlazyBild: AP

Europa steht ohnehin nicht im Mittelpunkt der Regierungsumbildung, sondern die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2007. Der Präsident hat die Hoffnung nicht aufgegeben, ein drittes Mal gewählt zu werden, was ihm unter anderem Unannehmlichkeiten mit der Justiz ersparen würde. Parteispendenaffären aus der Zeit, in der Chirac noch Bürgermeister von Paris war, können zurzeit wegen der präsidialen Immunität nicht geklärt werden. Dass er 2002 mit 82 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde, war eher ein Zufall: Das Volk hatte nur die Wahl zwischen dem amtierenden Präsidenten und dem Rechtsextremen Le Pen. Dass die Sozialisten in einer solchen Situation dem bürgerlichen Kandidaten ihre Stimmen geben mussten, haben sie bis heute nicht verkraftet. So ist das Desaster vom 29. Mai auch zu erklären: Ein zweiter Erfolg dieser Dimension wurde Chirac nicht gegönnt - diesmal auf Kosten von Europa.

Opposition am Boden

Eines hat Chirac immerhin erreicht: Die Opposition liegt völlig am Boden. Ja- und Nein-Sager sind so zerstritten, dass ein Wahlerfolg der Linksparteien nunmehr fraglich erscheint. Aber davon profitiert der Präsident nur bedingt. Denn die Bewerber um das höchste Staatsamt stehen schon vor der Tür: der neue Premierminister Dominique de Villepin. Er hat noch nie einen Wahlkampf geführt. Der Aristokrat, der gerne um fünf Uhr aufsteht, um Gedichte zu schreiben, ist in Rabat geboren, ging in Caracas zur Schule, begann seine diplomatische Karriere in Washington und Neu Delhi, bevor er im Elysée-Palast als Generalsekretär von Chirac diente. Bewundert wird er für seine brillant formulierten Reden. Vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte er als Außenminister die amerikanische Irak-Politik mit lyrischem Elan abgelehnt und dafür Applaus von den Kriegsgegnern geerntet - aber richtig beliebt ist de Villepin nicht.