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Kampf dem Müll im Meer

Stephanie Höppner13. April 2013

Im Schnitt wird sie 25 Minuten verwendet, zum Verrotten braucht sie jedoch bis zu 500 Jahre - die Plastiktüte. Als Müll im Meer wird sie zum ernsthaften Problem. Experten fordern deshalb den Stopp der kostenlosen Tüte.

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Plastiktüten treiben im Meer. (Foto: Gavin Parson / Marine Photobank)
Bild: Gavin Parson/Marine Photobank

Vielen Urlaubern am Strand dürfte dieses Szenario vertraut sein: Beim Planschen im Wasser kitzelt es plötzlich am Fuß - doch statt eines exotischen Fisches hat ein Plastikfetzen den Zeh gestreift. Ist das Zufall? Nein, sagen Experten. Sie zählen rund 100 bis 150 Millionen Tonnen Müll in den Weltmeeren - Tendenz rasant steigend. Etwa 6,5 Millionen Tonnen Plastik kommen jährlich hinzu. Nach Angaben des UN-Umweltprogramms treiben rund 13.000 Plastikpartikel auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche. Die Strömung verteilt sie weltweit.

Auf einer internationalen Meeresschutzkonferenz in Berlin haben kürzlich rund 200 Fachleute beraten, wie das Problem angegangen werden könnte. Am Freitag (12.04.2013) überreichte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ein von europäischen Umweltschutzorganisationen unterzeichnetes Manifest an Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Unter dem Titel "Meer ohne Plastik" fordern sie, den Müll in den europäischen Meeren bis 2020 um 50 Prozent zu reduzieren. Besonders problematisch: Plastiktüten und winzige Plastikkügelchen, die zum Beispiel in Peelingprodukten und Duschgels enthalten sind. Denn die sind oft so klein, dass die Kläranlagen sie nicht rausfiltern können.

Verhungern mit vollem Plastikmagen

Doch wie gelangen all die Tüten, Flaschen und Verpackungen ins offene Meer? Ein Großteil des Mülls - nämlich 80 Prozent - kommt über das Land in die Ozeane. Offene Deponien wie in England und den Niederlanden können dazu führen, dass der Müll herausgeweht und über die Flüsse ins Meer getragen wird, sagt Nadja Ziebarth, Meeresschutz-Expertin beim BUND, im Gespräch mit der DW. Auch die Fischerei produziert Müll, zum Beispiel, wenn nutzlos gewordene Netze ins Meer entsorgt werden.

Das Foto zeigt Nadja Ziebarth, Meeresschutz-Expertin . (Foto: BUND)
Meeresschutz-Expertin Nadja Ziebarth: "Über Deponien ins Meer geweht"Bild: BUND

Die Folgen für die Meeresbewohner sind dramatisch, erklärt Ziebarth. "Die Tiere sehen den Müll im Wasser nicht, verheddern sich und können sich schwer verletzen, bis sie daran sterben." Stark zerkleinerter Müll kann außerdem mit Nahrung verwechselt werden: "Die Tiere fressen den Müll, können den aber nicht verdauen. Das heißt, er bleibt im Magen stecken und im schlimmsten Fall verhungern sie mit vollem Plastikmagen." Doch auch der Mensch könnte am Ende Schaden nehmen. Denn das Plastik in den Mägen der Fische bindet Umweltgifte, die wir wiederum mit jeder Fischmahlzeit aufnehmen - die Gifte landen also auf unserem Teller. "Es ist allgegenwärtig im marinen Nahrungsnetz", sagt Kim Detloff vom Naturschutzbund (NABU).

Lernen von Ruanda

Also künftig Einkaufskorb statt Plastiktüte? Das Bundesumweltamt und die Naturschutzorganisationen schlagen genau das vor. Drogerien, Kaufhäuser und Bekleidungsläden sollen die Tüten nicht mehr kostenlos abgeben. Die Grünen fordern eine Gebühr von 22 Cent. Was für Deutschland noch wie Zukunftsmusik klingt, ist in vielen anderen Ländern dieser Erde jedoch bereits Realität. Wo die Recycling- und Abfallwirtschaft nicht hoch entwickelt ist, packen sie das Müllproblem an einer der Wurzeln - und versuchen, die Plastiktüte zu verteuern oder komplett zu vermeiden.

Eine Plastiktuete treibt unter Wasser. (Foto: IDN, 2009)
Plastiktüten halten Jahrhunderte - deswegen haben einige Länder sie bereits komplett abgeschafftBild: picture alliance/WILDLIFE

Das Resultat: Der Konsum von Plastiktüten ist zum Beispiel in Irland, wo der Kunde seine Tüte kaufen muss, um 90 Prozent geschrumpft, auf 18 Tüten pro Kopf und Jahr. Zum Vergleich: Laut Bundesumweltamt verbraucht jeder Deutsche im Schnitt 71 Plastiktüten im Jahr, ein Bulgare 421 und der EU-Schnitt liegt bei 198 Tüten. In Kenia und Uganda wurden die dünnen Tüten komplett verboten - dickere Taschen sind zwar erlaubt, aber teuer. Auch in den ostafrikanischen Ländern wie Ruanda und Tansania sind die Tüten seit rund sieben Jahren nicht mehr im Handel, genauso wenig wie in Bangladesch und in Bhutan. "Es ist interessant, dass Europa von Schwellenländern lernen kann", bekennt Detloff.

Hemmnis für den Handel

Für die Naturschutzorganisationen geht das aber nicht weit genug. "Wir müssen unbedingt unseren Plastikkonsum reduzieren. Und das fängt beim Produktdesign an: dass wir weniger Einweg- und mehr Mehrwegprodukte am Markt haben, dass Produkte reparierbar sind, dass wir Verpackungsmaterialien reduzieren, das ist das Wichtigste", fordert Detloff. Auch Recycling und Abfallwirtschaft müssten verbessert werden.

Das Foto zeigt Kai Falk, HDE-Geschäftsführer Nachhaltigkeit und Kommunikation (Foto: HDE)
HDE-Geschäftsführer Kai Falk: "Abgabe keine Lösung"Bild: HDE

Der Handels-Verband Deutschland (HDE) sieht die Vorschläge jedoch kritisch: Verteuerte Plastiktüten gingen am Problem vorbei. Kai Falk, beim HDE zuständig für Nachhaltigkeit: "Das würde bei einem Verbrauch von 5,3 Milliarden Tüten in Deutschland eine Zusatzbelastung von 1,2 Milliarden Euro bedeuten, die teils auf dem Verbraucher umgelegt werden, teils müssten das die Unternehmen tragen. Ob das den Tütenverbrauch tatsächlich reduzieren würde, bezweifeln wir."