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"Kalifatsstaat" verboten

12. Dezember 2001

Im Kampf gegen den islamistischen Extremismus hat Bundesinnenminister Otto Schily den Verband des so genannten "Kalifen von Köln" Metin Kaplan verboten.

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Räumungsaktion in KölnBild: AP
Betroffen sind auch 19 Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" mit insgesamt rund 1.100 Mitgliedern und die Stiftung "Diener des Islam", wie das Innenministerium mitteilte. Schily ordnete nach dem Verbot rund 200 Durchsuchungen in sieben Bundesländern an. Schwerpunkt war das Hauptquartier des Kaplan-Verbandes in Köln.

Dort rückten starke Polizeieinheiten gegen 06.15 Uhr auf das Hauptquartier der Kaplan-Organisation im Stadtteil Nippes vor. Die Gebäude in dem abgesperrten Bezirk des "Kalifatsstaats" wurden durchsucht, darunter Läden und die Moschee. Die Polizei beschlagnahmte Computer und weitere Einrichtungsgegenstände. Die Anordnung des Bundesinnenministers laute auf Sicherstellung und Einziehung des gesamten Vereinsvermögens.

Aufhebung des Religionsprivilegs

Das Verbot der islamistischen extremistischen Vereinigung "Kalifatsstaat" wurde möglich, weil das so genannte Religionsprivileg Anfang November vom Bundestag aufgehoben wurde. Dieses schloss Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften von vornherein von der Möglichkeit eines Vereinsverbots aus. Nach den Terroranschlägen vom 11. September erhärtete sich jedoch der Verdacht, dass sich religiös motivierter Fundamentalismus unter dem Schutz des Religionsprivilegs organisiert.

Nach der neuen Regelung werden Religionsgemeinschaften nun in das Vereinsrecht einbezogen. Damit gilt für sie Artikel 9, Absatz 2 des Grundgesetzes, nach dem Vereinigungen verboten sind, "deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten". Der Staat ist nun berechtigt, gegen solche Gruppierungen vorzugehen. Terroristische Vereinigungen sollen sich somit keinen "Tarnmantel" mehr zulegen können.

Staat im Staate

Der Kaplan-Verband wird seit seiner Gründung 1984 vom Verfassungsschutz beobachtet. Nach Erkenntnissen des Geheimdienstes bildet die Organisation einen "Staat im Staate", in dem ausschließlich die Gesetze des Koran gelten. Ziel des radikalislamischen Verbandes ist demnach der gewaltsame Sturz der Regierung in Ankara und der Aufbau eines islamischen Gottesstaates in der Türkei. Kaplan war im März 1999 auf dem Gelände in Köln-Nippes festgenommen und im November 2000 vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Mordaufrufs an einem Rivalen zu vier Jahren Haft verurteilt worden.

Bundesinnenminister Otto Schily hat das Verbot der islamistisch-extremistischen Vereinigung "Kalifatstaat" mit Verstößen gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland begründet. Die Aktivitäten gefährdeten die innere Sicherheit und die außenpolitischen Belange Deutschlands. Der als "Kalif von Köln" bekannt gewordene Islamistenführer Metin Kaplan soll nach den Worten Schilys sofort ausgewiesen werden. Zuvor müsse es jedoch eine Zusicherung der Türkei geben, dass gegen Kaplan die Todesstrafe nicht vollstreckt werde. Dazu gebe es Gespräche mit der türkischen Regierung.

Signalwirkung

Der Minister misst dem Verbot des islamistischen "Kalifatstaats" einen Signalwirkung für weitere extremistische Gruppierungen bei. Gegen derartige Organisationen werde mit der gebotenen Härte vorgegangen, sagte Schily in Berlin. Das Verbot sei auch ein Beitrag zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Der Minister vermied jedoch Aussagen, ob für weitere Vereinigungen Verbote bevorstünden.