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Kahlschlag in Kaschgar?

14. August 2009

Einer der ältesten noch erhaltenen Städte Zentralasiens droht der Abriss: Kaschgar. Teile der Altstadt sollen chinesischen Plänen zufolge jetzt moderneren Gebäuden weichen.

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Bildergalerie Kaschgar
Bild: DW / Mathias Bölinger

Kaschgar ist eine der ältesten Städte in Zentralasien. Die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen und Hinterhöfen ist ein Stück Geschichte der Seidenstraße. Kaschgar gilt als das kulturelle Zentrum der Uiguren, einem turkstämmigen Volk in der westchinesischen Provinz Xinjiang. Nun hat die chinesische Regierung die Modernisierung Kaschgars beschlossen und mit dem Abriss von Teilen der Altstadt begonnen.

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Exil-Uiguren haben gegen die Pläne protestiert. "Die Behörden haben eine Kampagne begonnen, um die Geschichte und die Kultur des uigurischen Volkes zu zerstören", erklärte die Exil-Aktivistin Rebiya Kadeer. Tatsächlich leben die Bewohner der Altstadt noch sehr traditionell.

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Auf den Straßen wird mit allem gehandelt, was in der Region verfügbar ist. Eines der Hauptexportgüter Xinjiangs ist Baumwolle, die in den Oasen rund um Kaschgar angebaut wird. Anders als in der Provinzhauptstadt Urumqi im Norden Xinjiangs stellen die Uiguren in Kashgar die Mehrheit der Bevölkerung.

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Knapp die Hälfte der Bevölkerung Kaschgars, rund 220.000 Menschen, leben in der Altstadt. Sie sind ausschließlich Uiguren. Viele Bewohner klagen, dass sie bei der Jobvergabe gegenüber Han-Chinesen benachteiligt werden. Im Juli 2009 entluden sich die Spannungen zwischen den Volksgruppen in mehreren Städten Xinjiangs in gewalttätigen Ausschreitungen, bei denen auch Han-Chinesen direkt angegeriffen wurden.

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Die meisten Chinesen dagegen verstehen die Unzufriedenheit der Uiguren nicht. Weil für Minderheitenvölker die Geburtenkontrolle weniger streng gehandhabt wird als für Han-Chinesen, sehen manche die Uiguren sogar als privilegiert an.

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Exil-Uiguren werfen der Regierung dagegen vor, den Uiguren den chinesischen Lebensstil aufzwingen zu wollen. Die Altstadtsanierung sei ein weiterer Schritt dazu. Bereits in den fünfziger und sechziger Jahren entstand neben der Altstadt ein modernes, chinesisches Kaschgar. Die 18 Meter hohe Mao-Statue im Zentrum ist eine der letzten, die in China noch stehen.

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Die chinesische Regierung begründet die Maßnahmen damit, dass ein Großteil der Altstadt in schlechtem Zustand ist. Weil die Stadt in einer Erdbebenregion liege, seien die alten Lehmhäuser nicht sicher. Außerdem wolle sie den Bewohnern der überfüllten Altstadt bessere Wohnbedingungen ermöglichen. Mehr als 300 Millionen Euro soll die Sanierung kosten. Ein Großteil der Bevölkerung muss dafür umgesiedelt werden.

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In der Oasenstadt Kaschgar kreuzten sich die Handelswege von Europa nach Asien. Die Stadt, die einen der größten Basare Zentralasiens beherbergt, ist eines der Zentren der alten Seidenstraße – und eines der besterhaltenen Beispiele traditioneller Architektur.

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Ihre Existenz verdankt die Stadt dem Wasser. Der Boden der Oase ist fruchtbar. Direkt neben der Altstadt beginnen Felder, die nach wie vor von den Bewohnern beackert werden.

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Mit modernen Verkehrsmitteln ist in der Altstadt kaum ein Vorankommen möglich. Die meisten Bewohner bewegen sich zu Fuß. Nur Motorräder sind wendig genug, um in den schmalen Gassen zu fahren.

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Von modernen Problemen bleiben die Bewohner trotzdem nicht verschont. Auf Uigurisch und Chinesisch warnt dieses Plakat vor der Verbreitung von HIV durch den gemeinsamen Gebrauch von Spritzen. Drogenabhängigkeit ist in der Region relativ verbreitet, weil durch Westchina eine der Schmuggelrouten für birmanisches Heroin führt.

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Die Bewohner Kaschgars gelten als sehr traditionell. Auch die Unabhängigkeitsbewegung hat in der Umgebung ihren Schwerpunkt. Mehrmals wurden in Kaschgar und Umgebung Anschläge auf chinesische Sicherheitskräfte verübt. Uigurische Oppositionsgruppen im Ausland vermuten deshalb, dass die Altstadtsanierung auch der Kontrolle der Bevölkerung dient.

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Die chinesische Regierung bringt die Gewaltakte mit dem islamischen Terrorismus von Al Qaida in Verbindung – viele Experten bezweifeln das allerdings. Exil-Uiguren halten die Anschläge für Einzeltaten verzweifelter Unabhängigkeitsbefürworter. Die Uiguren sind Muslime, besonders die Bevölkerung im Süden der Provinz ist sehr religiös. Moscheen finden sich an vielen Ecken in Kaschgar.

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Ganz verschwinden soll die Altstadt von Kaschgar nicht. Ein Teil soll für den Tourismus erhalten und restauriert werden. Die Stadt ist ein beliebtes Reiseziel für ausländische und chinesische Touristen. Bereits heute sind die schönsten Straßen für den Tourismus hergerichtet und entsprechend in Szene gesetzt. Ortsfremde müssen am Eingang zu diesen Gassen Eintritt zahlen. Die Vermarktung hat eine Firma aus Peking übernommen.


Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Thomas Latschan