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Kaffee statt Kokain

13. November 2010

Coca ist Genuss- und Heilmittel, aber auch Rohstoff für Kokain. In Deutschland fällt die Pflanze unter das Betäubungsmittelgesetz. Eine international abgestimmte Coca-Politik ist in diesem Spannungsfeld kaum möglich.

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Ein peruanischer Bauer leert einen Sack voller Coca-Blätter (Foto: dpa)
Ein peruanischer Bauer leert einen Sack voller Coca-BlätterBild: picture alliance/dpa

Als der deutsche Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, kürzlich nach Lateinamerika reiste, landete er auf seiner ersten Station im 3600 hoch gelegenen La Paz. Seine bolivianischen Gastgeber servierten ihm Coca-Tee. Das Getränk gilt als probates Mittel gegen die Höhen-Krankheit, unter der Menschen leiden, die mit der dünnen Luft Probleme haben. Gut möglich, dass Niebel auf den Geschmack gekommen ist. Ein Päckchen mit Coca-Blättern hatte er auf der Rückreise aber nicht im Gepäck, denn damit hätte er sich strafbar gemacht.

Illegal landet die Coca-Pflanze natürlich trotzdem in Deutschland und in anderen europäischen Ländern, allerdings in einem Zustand, der irreführend als "veredelt" bezeichnet wird, nämlich in Form von Kokain. Die Droge ist ein Milliarden-Geschäft für global vernetzte Produzenten und Dealer. Um ihnen wenigstens teilweise das Handwerk zu legen, bemühen sich die Coca-Länder Bolivien, Peru und Kolumbien mit internationaler Unterstützung zumindest um eine Eindämmung des Problems. Statt Coca sollen die Bauern Obst und Gemüse anbauen oder Kaffee und Kakao.

Limitierter Anbau ist erlaubt

Bolivien auf der Landkarte, in den gelb und rot markierten Regionen Yungas und Chapare spielt der Coca-Anbau eine große Rolle (Grafik: DW)
Die Regionen Yungas und Chapare gehören zu den wichtigsten Coca-Anbaugebieten BoliviensBild: DW

Trotz aller Bemühungen ist der Coca-Anbau für Tausende arme Bauern die einzige zuverlässige Einnahme-Quelle, erzählt Nicolas Hansmann, der im Auftrag der Europäischen Union (EU) alternative Anbau-Formen entwickeln soll. Dabei sind der limitierte Anbau, Verkauf und der Konsum der Pflanze in Bolivien selbst erlaubt. Ein 250-Gramm-Päckchen mit Coca-Blättern kostet auf einem Markt rund 20 Bolivianos, umgerechnet um die zwei Euro. Davon kämen beim Erzeuger gerade einmal fünf Bolivianos an, sagt Hansmann.

Obwohl nur ein Viertel des Umsatzes bei den Bauern verbleibt, ist der Coca-Anbau in Bolivien so attraktiv, dass im großen Stil illegal Wälder abgebrannt werden, um Platz zu schaffen für zusätzliche Anbau-Flächen. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen gibt es in Bolivien knapp 31.000 Hektar, das entspricht knapp einem Fünftel des Gesamt-Volumens in Südamerika. Der Rest verteilt sich auf Peru und Kolumbien.

Coca-Pflanze als kulturelles Erbe

Portrait-Bild der lachenden Bäuerin Anna Cespedes aus Cotopata in Bolivien. (Foto: DW/Marcel Fürstenau)
Anna Cespedes freut sich über den Erfolg ihrer KooperativeBild: DW/Fürstenau

Offiziell sind in Bolivien nur 12.000 Hektar Anbau-Fläche erlaubt, deren Erträge für den Konsum der Pflanze in Form von Tee oder als Heilmittel bestimmt sind. Als kulturelles Erbe genießt die Coca-Pflanze sogar Verfassungsrang. Der Versuch, den Bauern andere landwirtschaftliche Anbau-Formen schmackhaft zu machen, ist nach Einschätzung des EU-Coca-Experten Hansmann weitestgehend gescheitert.

Nur selten funktionieren genossenschaftliche Modelle wie das im Nationalpark Cotapata, wo unter anderem Kaffee und Kakao angebaut werden. 50 Familien leben in der Gemeinde, etwa ein Drittel arbeitet in der Kooperative, erzählt die Bäuerin Anna Cespedes. Auch Gemüse werde angebaut, um die Ernährung der Kinder zu verbessern. Anna hofft, dass sich auch die restlichen Familien der Kooperative anschließen und die Finger vom Coca-Anbau lassen.

Gutes Essen für die Kinder

Wie schwer es ist, die Bauern davon abzubringen, weiß man auch im benachbarten Peru, wo mit knapp 60.000 Hektar fast doppelt so viel Coca angebaut wird wie in Bolivien. Hiderico Zavala war selbst einmal Coca-Bauer, heute ist er Chef der Kaffee-Kooperative "Oro Verde" und Präsident der peruanischen Kakao-Produzenten. In der Region Tocache und Tarapoto, rund eine Flugstunde nördlich von der Hauptstadt Lima entfernt, können mehr als 1000 Bauern und ihre Familien von den alternativen Anbau-Formen leben.

Portrait-Bild von Hiderico Zavala (Foto: DW/Marcel Fürstenau)
Hiderico Zavala, Chef der Kaffee-Kooperative "Oro Verde"Bild: DW/Fürstenau

Im Großen und Ganzen aber ist das Problem weit von einer Lösung entfernt, räumt Zavala ein. In der ganzen Region gebe es sehr viel Drogenanbau und Drogenschmuggel und damit verbunden eine Menge sozialer Probleme und Gewalt, beschreibt Zavala die schwierige Lage. Kurioserweise profitiert man im Kampf gegen den illegalen Coca-Anbau von einer für die Natur ansonsten negativen Entwicklung, dem Klima-Wandel, von dem Peru stark betroffen ist.

Durch die vier Monate andauernde Trocken-Periode jedes Jahr gebe es nicht mehr genug Wasser für den Coca-Anbau, erzählt Zavala. Das führe dazu, dass brachliegende Felder entweder aufgeforstet oder für den Kaffee- und Kakao-Anbau bewirtschaftet würden.

Zwiespältiges Fazit

Für den deutschen Entwicklungsminister Dirk Niebel waren die Eindrücke aus der südamerikanischen Coca-Region lehrreich. Alternative Anbau-Formen allein seien offenkundig zu wenig, um den Coca-Anbau und damit das Drogen-Problem in den Griff zu bekommen. "Es funktioniert und es funktioniert nicht", zieht Niebel ein zwiespältiges Fazit. Dort, wo es Ausbildungsprogramme gibt und in Genossenschaften andere Produkte angebaut und verkauft werden, könne man den Coca-Anbau zurückdrängen. "Aber er geht dann in die Regionen, wo es diese Infrastruktur, höhere Ertragschancen und Absatz-Möglichkeiten nicht gibt", hat der deutsche Entwicklungsminister auf seiner Lateinamerika-Reise zur Kenntnis nehmen müssen.

Der Kampf gegen den illegalen Coca-Anbau und damit den Drogen-Handel wird aus Niebels Sicht überwiegend erfolglos bleiben, wenn man sich nicht um die Abnehmer der begehrten Droge kümmert. Ein Großteil des Kokains landet nämlich in Europa. Dürfte die Coca-Pflanze als Heilmittel eingeführt und zum Beispiel im medizinischen Bereich eingesetzt werden, wäre damit auch den Coca-Bauern geholfen, weil sie ihre Ware dann legal exportieren könnten. Doch dafür gibt es in Deutschland und Europa keine politische Mehrheit, bedauert Niebel.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz