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Kadima kündigt Koalition auf

17. Juli 2012

Im Streit um die Wehrpflicht für ultraorthodoxe Juden und arabische Israelis verlässt die Kadima-Partei die Regierungskoalition in Jerusalem. Vorgezogene Neuwahlen in Israel werden immer wahrscheinlicher.

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Mofas und Netanjahu (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Regierungsbündnis unter der Führung des rechtsgerichteten Likud-Blocks von Premierminister Benjamin Netanjahu wird durch das Ausscheiden des größten Koalitionspartners, der Kadima-Partei, deutlich geschwächt, verliert aber nicht die Mehrheit im Parlament - sie verfügt auch ohne Kadima über 66 von 120 Sitzen. Die für Herbst kommenden Jahres angesetzten Parlamentswahlen könnten nun allerdings vorgezogen werden.

Verfassungswidrig und veraltet

Begonnen hatte die politische Auseinandersetzung über die Wehrpflicht in Israel mit einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Dieser hatte sich im Februar in einer historischen Entscheidung gegen die bislang obligatorische Freistellung tiefreligiöser Juden und arabischer Israelis vom Militärdienst ausgesprochen und die Regelung für illegal erklärt. Das Gesetz müsse bis August geändert werden. Der Likud von Ministerpräsident Netanjahu (Artikelbild rechts) wollte eigentlich, um die ultraorthodoxen Juden nicht zu verprellen, keine Änderung der bestehenden Wehrdienstregelung, beugte sich dann aber dem Druck der Bevölkerung. Netanjahu sprach sich grundsätzlich dafür aus, alle Bürger des Staates zum Dienst an der Waffe oder zum Ersatzdienst zu verpflichten. Es gibt jedoch Streit um Details und die Umsetzung.

Kein Kompromiss mit Mofas

Die in der politischen Mitte angesiedelte Kadima-Partei unter dem Vorsitz von Schaul Mofas (Artikelbild links) lehnte am Dienstag einen Kompromissvorschlag Netanjahus ab. Der Regierungschef hatte nach Angaben des israelischen Rundfunks vorgeschlagen, Ultraorthodoxe und arabische Israelis statt mit 18 bis zum Alter von 23 Jahren einzuziehen. Wer dies nicht wolle, müsse bis zum Alter von 26 Jahren Ersatzdienst leisten, etwa bei der Feuerwehr oder der Polizei. Mofas geht der Vorschlag jedoch nicht weit genug. Der israelische Rundfunk zitierte Vertraute von Mofas mit der Einschätzung, der Kompromiss werde nur zur Einziehung von 50 Prozent der angestrebten Zahl von Wehrpflichtigen führen. Mofas begründete die Entscheidung seiner Partei damit, dass jedes weitere Zugeständnis in dieser Frage das Bild der Kadima beschädigen würde.

Der israelische Rundfunk berichtete, 25 Kadima-Abgeordnete hätten für und drei gegen ein Ausscheiden aus der Regierung gestimmt. "Wir gehen hocherhobenen Hauptes in die Opposition, um der Öffentlichkeit zu dienen", schrieb Mofas in einem Brief an Netanjahu. Zudem griff er den Regierungschef scharf an und beschrieb ihn als "Ultrarechten". Netanjahu habe sich auf die Seite der Drückeberger geschlagen, die keinen Wehrdienst leisten. Mofas' mit 28 Abgeordneten größte Fraktion im Parlament war erst vor zwei Monaten in die Regierung eingetreten.

Zur Zeit der Staatsgründung 1948 war vereinbart worden, ultraorthodoxe Juden vom Armeedienst zu befreien. Davon waren damals jedoch nur etwa 400 Religionsstudenten betroffen. Angesichts der hohen Geburtenraten in ultraorthodoxen Familien werden heute Zehntausende strengreligiöser Juden im Jahr vom Armeedienst befreit, der für Männer drei und für Frauen zwei Jahre dauert. Dies sorgt bei der säkularen Mehrheit für großen Zorn.

qu/pg (dpa, dapd)