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Meinungsmache in Afghanistan

Ratbil Shamel23. April 2012

Iran und Pakistan verfolgen ihre eigenen Interessen in Afghanistan - auch durch ihren Einfluss in bestimmten Medien des Landes. Die Regierung von Hamid Karsai hat diese Praxis jetzt erstmals scharf kritisiert.

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Afghanische Frauen sehen fern im Wohnzimmer (Foto: AP)
Bild: AP

In Afghanistan sind derzeit rund 170 Radiostationen und 60 Fernsehsender und über hundert Print-Titel auf dem Markt - Tendenz steigend. Kaum eine dieser privaten Stationen oder Zeitungen kann sich aber selbst finanzieren. Das nötige Geld kommt meist aus dem Ausland. Der Sprecher der afghanischen Geheimdienste, Lutfullah Maschal, wurde auf einer Pressekonferenz kürzlich ungewöhnlich konkret. "Der Fernsehsender Tamadon sendet seit rund einem Monat Beiträge, die angeblich die Wahrheit über die Verbrechen der NATO- und US-Soldaten in Kandahar beinhalten. Doch Fakt ist, dass diese Beiträge dem Sender von iranischen Kreisen zu Propagandazwecken zur Verfügung gestellt werden."

Maschal nannte neben dem Fernsehsender Tamadon ("Fortschritt") auch die TV-Sender Noor ("Licht“), Schamschad, Kabul News und Mschaal TV ("Fackel"). Zudem wurde die Tageszeitung "Ensaf" ("Fairness")als Sprachrohr eines benachbarten Landes kritisiert. Die Zeitungsleser in Afghanistan wissen, dass in diesem Fall mit dem Nachbarland der Iran gemeint ist. "Ensaf" ist stets voll des Lobes für die iranische Führung.

Titelblatt der Kabuler Tageszeitung "Ensaf" (Foto: DW)
Die Kabuler Tageszeitung "Ensaf" gilt als Sprachrohr des IranBild: Ensaf

"Sender unter pakistanischer Kontrolle"

Der Sprecher der afghanischen Geheimdienste warf den genannten Sendern vor, Tatsachen zugunsten der Taliban zu verdrehen und Hass auf die ausländischen Truppen im Land zu schüren. Maschal nannte konkret den Fernsehsender Schamschad, einen Sender, bei dem viele pakistanische Bürger illegal beschäftigt seien. "Der Programmverantwortliche und der Leiter der Finanzabteilung kommen aus Pakistan. Die Themen werden von Pakistanern vorgegeben. Selbst unsere Behörde weiß nicht genau, wer diese pakistanischen Bürger sind. Ob sie eine Arbeitserlaubnis oder ein gültiges Visum besitzen, wissen wir auch nicht.“

Ohne Iran und Pakistan beim Namen zu nennen, äußerte Maschal die Vermutung, dass "einige Nachbarn Afghanistans" gegen eine dauerhafte Partnerschaft zwischen Kabul und den USA seien. Deshalb würden "einige Feinde" seines Landes alles versuchen, um die Afghanen gegen eine Zusammenarbeit mit den USA zu hetzen. Die beschuldigten Medien in Kabul weisen diese Vorwürfe zurück. Der Fernsehsender Tamadon, dem pro-iranische Propaganda vorgeworfen wird, attackierte seine Kritiker scharf.

Afghanischer Geheimdienstsprecher Maschal (Foto: dpa)
Geheimdienstsprecher Maschal kritisiert Pakistans und Irans Einfluss auf MedienBild: picture-alliance/dpa

"Tamadon TV unterscheidet, genauso wie die muslimischen Afghanen, zwischen den Vorlieben der Fremden und den wahren Interessen Afghanistans. Nur diejenigen, die wie die Affen weder über Vernunft noch Logik verfügen und ihre kurzfristigen Interessen im Auge haben, lassen die Themen ihrer Sendungen von den Fremden bestimmen."

Kabul schimpft und "prüft"

Ähnlich bissig äußerten sich auch die Verantwortlichen der anderen kritisierten Sender. Diese Reaktionen haben kaum jemand in Afghanistan überrascht. Was aber viele überrascht hat, ist die offene Kritik der afghanischen Regierung. Denn hinter einigen Sendern, die öffentlich kritisiert wurden, stehen enge und einflussreiche Mitarbeiter des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Vielleicht, spekulieren Medienexperten in Kabul, wolle Karsai auf diesem Weg das Doppelspiel einiger seiner Mitarbeiter entlarven. Seddiqullah Tauhidi von der afghanischen Organisation "Press Watch" in Kabul fordert rasches Handeln von der afghanischen Regierung: "Wenn die jetzige Situation sich nicht bald ändert, so könnten diese Sender dazu missbraucht werden, die Menschen in Afghanistan gegeneinander bis zum Bürgerkrieg aufzuhetzen.“ Ein rasches Handeln der afghanischen Regierung wird aber nicht erwartet. "Die Regierung untersucht die Vorwürfe“, heißt es bei Anfragen. Die gerügten Sender setzen unterdessen ihre Meinungsmache fort.