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Kabul wird zum Moloch

Karen Fischer19. Dezember 2003

Die afghanische Hauptstadt wächst explosionsartig. Rückkehrer, Landflüchtige und Neuansiedler kommen zu Tausenden nach Kabul. Schätzungen gehen von rund drei Millionen Einwohnern aus, genaue Zahlen kennt niemand.

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Verstädterung: immer mehr Flüchtlinge kommen nach KabulBild: AP

Es ist schon Winter in Kabul. Wenn die Sonne scheint, ist es am Mittag zwar noch angenehm warm, doch nachts wird es knackig kalt, der Frost verschwindet nur langsam. Wärme wird zum Luxus, vor allem für die Armen. Zelt- und Container-Siedlungen prägen den Stadtrand und in dem völlig verbombten Hasara-Viertel im Westen Kabuls leben die Menschen in den Ruinen. Planen als notdürftiges Dach, das muss reichen. Kinder in Sandalen ohne Socken, von warmer Kleidung ganz zu schweigen.

Kabul ist zum Magnet geworden, es gibt massenhaft Zuzügler – in der Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben. Die Stadt hat sich gewaltig verändert in den letzten Jahren, so UNHCR-Sprecherin Maki Shinohara: "Es gibt hier viel mehr Leute, viel zu viele Autos, der Verkehr ist ein Alptraum, überall wird gebaut, sei es nun legal oder illegal. Aber das ist ein Kabuler Phänomen, das für den Rest des Landes nicht zurtrifft." Die Grenzen der Aufnahmefähigkeit von neuen Zuzüglern sind längst überschritten, trotzdem hält der Run auf die Hauptstadt an.

Millionen von Rückkehrern

Seit dem Ende des Afghanistan-Kriegs vor gut zwei Jahren sind mehr als 2,5 Millionen Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt, vor allem aus den beiden Nachbarländern Pakistan und Iran. Für die Wiedereingliederung ist die Flüchtlingshilfs-Organisation der Vereinten Nationen UNHCR zuständig. Doch die Organisation wurde zunächst überrascht von der großen Zahl der Rückkehrer. Und der Strom nimmt nur langsam ab.

Das Ziel ist, die Aktivitäten so schnell wie möglich zu verringern. Nächstes Jahr sollen 40 Prozent des UNHCR-Personals in Afghanistan abgebaut werden, so Shinohara. Die Gründe: Afghanistan frißt zur Zeit den größten Teil des Budgets, andere Aktivitäten, zum Beispiel in Afrika, müssen darunter leiden.

Das Konzept der UNHCR: Die rückkehrwilligen Flüchtlinge lassen sich in ihrem Exil-Land als Rückkehrer registrieren und können mit dieser Bescheinigung in der Hand die nach Afghanistan einreisen. Eigentlich sollen die Flüchtlinge in ihre Heimatdörfer zurückkehren und dort eine neue Existenz aufbauen. UNHCR stellt ihnen Baumaterialien zur Verfügung, innerhalb des letzten Jahres für rund 100.000 Häuser. Dazu gibt es Lebensmittel für zwei Monate. Danach setzt die UN-Organisation auf Eigeninitiative.

Sonderfall Hauptstadt

Für Rückkehrer nach Kabul ist die Situation aber etwas komplizierter. Die UNHCR möchte sich hier eigentlich nicht engagieren, so Maki Shinohara: "Wir wollen unsere Arbeit auf ländliche Regionen beschränken, um zu vermeiden, dass die Leute massenhaft nach Kabul kommen. Die Verstädterung verläuft hier schon rasant genug." Rückkehrer nach Kabul haben es schwer, sie müssen mit all den anderen Menschen konkurrieren, die in der Stadt ihr Glück suchen. Manche finden nach ihrer Rückkehr zerstörte Häuser vor. Und der Wiederaufbau kostet.

Diesen Rückkehrern will UNCHR vor allem in Hinblick auf den Winter verstärkt unter die Arme greifen. Für Familien, die nie ein eigenes Haus in Kabul besessen haben, sieht es schlechter aus. Kein Grundstück, keine UNHCR-Hilfe. Hier sei eben Hilfe von Verwandten gefragt, so die UNHCR-Sprecherin.

Schnelle Hilfe versus langfristiger Aufbau

Der Übergang von schnellen Hilfsaktionen hin zu Aufbau und nachhaltiger Entwicklung ist dabei die größte Herausforderung. Die UNHCR hat dabei versucht, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen, und früh damit begonnen, mit Entwicklungs- und Aufbauorganisationen zusammenzuarbeiten, die auf langfristige Projekte setzen. Für die ständig wachsende arme Schicht in Kabul heißt es aber erst einmal: den harten Winter überstehen. Den Bewohner der Zeltlager und Ruinenviertel ist es egal, von wem sie Hilfe bekommen.