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Künast für Kabeljau

23. Dezember 2002

In der EU geht Fischerei vor Fisch. Bei fünftägigen Verhandlungen in Brüssel um Fischereireformen wurde weder die Rettung von bedrohten Fischarten beschlossen noch der Abbau von Subventionen der Fischereiwirtschaft.

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Überfischt: Der KabeljauBild: AP

Die deutsche Verbraucherschutzministerin Renate Künast hatte sich viel vorgenommen für die Verhandlungen der EU-Fischereireform in Brüssel: Sie war angereist, um sich für ein Ende der millionenschweren Subventionen für den Neubau von Fischereifahrzeugen einzusetzen und um den Kabeljau zu retten. Obwohl Kabeljau wegen Überfischung seit Jahren vom Aussterben bedroht ist, durfte er bisher nahezu uneingeschränkt gefangen werden.

Keine Fischerei ohne Fisch

Damit sollte jetzt Schluss sein. Erst vor wenigen Monaten hatte der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) ein totales Fangverbot für Kabeljau in Nord- und Ostsee gefordert. Aus gutem Grund: Wegen der intensiven Fischerei hat sich der Kabeljaubestand in den letzten 30 Jahren um 80 bis 90 Prozent reduziert. Auch die Umweltstiftung WWF forderte Politiker dazu auf, die Warnungen von Wissenschaftlern endlich zu beachten und geringere Fangquoten für Kabeljau, Seezunge und Seehecht festzulegen. Nach Ansicht von WWF-Fischereireferentin Heike Vesper sei schließlich auch "die Fischerei bald am Ende“, wenn die EU keine Maßnahmen gegen die Überfischung beschließt.

Reförmchen

Doch das Brüsseler Verhandlungsergebnis blieb mager: EU-Kommissar Franz Fischler hatte dem EU-Rat vorgeschlagen, die Fangquote um 80 Prozent zu reduzieren. Übrig blieben davon lediglich 45 Prozent, auf die sich die europäischen Minister gegen die Stimmen von Deutschland und Schweden einigten. Schweden hatte erst kürzlich beschlossen, die Kabeljaufischerei in der Ostsee völlig einzustellen. Was nach Ansicht von Heike Vesper nun den "Todesstoß für den Kabeljau" bedeutet, ist für Franz Fischler ein "historischer Erfolg in der Geschichte der europäischen Fischereipolitik".

Dabei musste Fischler noch weitere Zugeständnisse an die so genannten "Freunde der Fischerei" um Frankreich und Spanien machen. Ursprünglich wollte er schon bis zum 1. Januar 2003 ein Ende der Subventionen für den Neubau von Fangbooten erreichen. Aber die Reformgegner, zu denen neben Frankreich und Spanien auch Portugal, Griechenland, Italien und Irland zählen, setzten sich durch und können nun noch bis Ende 2004 mit den EU-Zahlungen rechnen. Bei den Subventionen geht es um 2 Milliarden Euro, von denen vor allem die südeuropäischen Länder mit ihren großen Flotten profitieren werden. Auch von Fischlers Vorschlag, 8600 der rund 100.000 Fangboote abzuwracken, war am Ende der Verhandlungen keine Rede mehr.

Trübe Aussichten für Meeresfisch

Verbraucherschutzministerin Künast zeigte sich enttäuscht vom mangelnden Einsatz der europäischen Kollegen für den Schutz der Fischbestände. Nach Fischlers Ansicht wird die Entscheidung der EU den Fischern zu Gute kommen: “Das und nichts anderes ist es, worum es mir geht“.

Dem Kabeljau wird die Entscheidung der EU nicht helfen, befürchten Naturschutzorganisationen wie Greenpeace. Statt Quotenkürzungen fordern sie die völlige Schließung der Fischgründe, bis sich die Kabeljaubestände erholt haben. Als schlechtes Beispiel könnte der EU Kanada dienen: Auch dort beachtete niemand die Experten-Warnungen vor Überfischung, bis der Kabeljaubestand vor 10 Jahren komplett zusammenbrach. 40 000 Arbeitsplätze gingen dadurch verloren. Erholt hat sich der Kabeljau bis heute nicht. (akm)