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Köhlers Rücktritt - nicht nötig, aber respektabel

31. Mai 2010

Noch nie zuvor hat ein Bundespräsident sein Amt niedergelegt. Wie ist dieser Schritt Horst Köhlers zu bewerten und was bedeutet er für die Politik in Deutschland? Peter Stützle kommentiert.

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Das war nicht nötig. Bundespräsident Horst Köhler hat sich in einem Interview vergaloppiert, aber das war kein Grund für ein respektables und respektiertes Staatsoberhaupt, sein Amt niederzulegen. Horst Köhler hat auf dem Rückweg von einem Truppenbesuch in Afghanistan eine Äußerung getan, die man so verstehen konnte, als gehe es bei dem Einsatz deutscher Soldaten dort um die Verteidigung von Wirtschaftsinteressen. Als - fünf Tage nach Ausstrahlung dieses Interviews - plötzlich eine Woge der Empörung über ihn hereinbrach, ließ Köhler erklären, er habe es so nicht gemeint. Damit hätte es gut sein können.

Peter Stützle, Hauptstadtstudio Berlin (Foto: DW)
Peter Stützle, Hauptstadtstudio BerlinBild: DW

Tatsächlich aber ging die Kritik - von Politikern wie von Medien - weiter. Da wurden Parallelen zu Bundespräsident Heinrich Lübke in den 1960er Jahren gezogen, dessen geistige Kräfte in seiner zweiten Amtszeit nachließen und der vielen nur noch als Witzfigur in Erinnerung blieb. Das war infam. Aber als Grund für seinen Rücktritt gab Köhler etwas anderes an: Er wurde beschuldigt, Militäreinsätze zu befürworten, die nicht vom Grundgesetz gedeckt sind. Mit anderen Worten: Er, das Staatsoberhaupt, vertrete eine verfassungswidrige Position. Solche Kritik, da hat Köhler recht, beschädigt das Amt des Bundespräsidenten. Um das Amt vor solcher Kritik zu schützen, ist er zurückgetreten. Das ist höchst respektabel.

Wenig respektabel dagegen ist, jetzt gleich darüber zu spekulieren, dass es möglicherweise noch ganz andere Gründe gibt. Etwa Enttäuschung über Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihn nicht gegen Kritik in Schutz genommen habe. Sie hatte eine Sprecherin erklären lassen, dass es der Kanzlerin nicht zustehe, Äußerungen des Bundespräsidenten zu kommentieren.

Schon vor seiner unglücklichen Interview-Äußerung sah sich Köhler wachsender Kritik ausgesetzt, man höre in dessen zweiter Amtszeit zu wenig Wegweisendes von ihm. Köhler weiß aber, das belegen viele seiner Äußerungen, in welch schwieriger Lage Deutschland und Europa derzeit inmitten von anhaltender Finanzkrise und Sparzwängen steckt. Dass er dem Land in dieser Situation eine quälende Diskussion über sein Staatsoberhaupt erspart, verdient große Anerkennung und lässt die Kritik, er sei dem Amt nicht gewachsen, auf die Urheber zurückfallen.

30 Tage Zeit

Nun wird innerhalb von 30 Tagen die Bundesversammlung, bestehend aus den Abgeordneten des Bundestages und gleich vielen Vertretern der Bundesländer, zusammentreten. Regierung und Opposition werden schon bald ihre Kandidaten nominieren, und so wie die Mehrheitsverhältnisse sind, wird wohl das Regierungslager seinen Bewerber durchbringen. Dann wird die Krise um das höchste deutsche Staatsamt überwunden sein. Und Horst Köhler hoffentlich nicht nur als der Bundespräsident in Erinnerung bleiben, der als erster zurücktrat. Das würde ihm nicht gerecht.

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Kay-Alexander Scholz