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Köhler hat den Bundestag aufgelöst

22. Juli 2005

"Der Wahlkampf beginnt nun", sagte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, nachdem Horst Köhler den 15. Deutschen Bundestag aufgelöst hatte. Die Parteispitzen zeigten sich danach zufrieden bis kämpferisch.

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Ungeduldig erwartete Ansprache des BundespräsidentenBild: AP

Bundespräsident Horst Köhler hat am Donnerstag den Bundestag aufgelöst und Neuwahlen für den 18. September festgesetzt. Diese Entscheidung gab das Staatsoberhaupt am Donnerstag (21.7.2005) in einer rund fünfminütigen Fernsehansprache in Berlin bekannt. Köhler begründete seinen Schritt damit, dass er die Einschätzung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) teile, wonach der Regierungschef sich nicht mehr auf eine "verlässliche, handlungsfähige Mehrheit im Bundestag" stützen könne. Er sehe "keine andere Lagebeurteilung, die der Einschätzung des Bundeskanzlers eindeutig vorzuziehen ist". Köhler betonte daher: "Ich bin davon überzeugt, dass damit die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Auflösung des Bundestages gegeben sind."

Respekt auch für Zweifler

Der Bundespräsident verwies darauf, dass der Kanzler bei seiner Vertrauensfrage am 1. Juli 2005 deutlich gemacht habe, "dass er mit Blick auf die knappen Mehrheitsverhältnisse keine stetige und verlässliche Basis für seine Politik mehr sieht". Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1983 habe der Bundespräsident bei seiner Entscheidung die Einschätzung des Bundeskanzlers zu beachten, "es sei denn, eine andere Einschätzung ist eindeutig vorzuziehen". Köhler sagte dazu: "Ich habe die Beurteilung des Bundeskanzlers eingehend geprüft." Er habe dabei auch Respekt vor allen, "die gezweifelt haben, und ich habe ihre Argumente gehört und ernsthaft gewogen".

In seiner Gesamtabwägung komme er zu dem Ergebnis, dass "dem Wohl unseres Volkes mit einer Neuwahl jetzt am besten gedient ist". Es sei richtig, dass das Volk über die künftige Politik entscheiden könne. Die Parteien forderte der Bundespräsident auf, im Wahlkampf "sachlich und wahrhaftig" zu agieren. Köhler betonte, das Land stehe vor "gewaltigen Aufgaben". Dabei nannte er unter anderem die Arbeitslosigkeit und die Staatsverschuldung als Probleme.

Thierse: "Mit Respekt" zur Kenntnis genommen

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, nach dem Bundespräsidenten der zweite Mann im Staat, hat die Entscheidung Köhlers zur Auflösung des Bundestages "mit Respekt" zur Kenntnis genommen. "Der Bundestag ist aufgelöst damit", sagte Thierse am Donnerstagabend in Berlin. Der SPD-Politiker zeigte sich dankbar für Köhlers ausdrücklichen Hinweis, dass der Schritt dem Grundgesetz entspreche, "dass dieser Weg keine Trickserei, kein absurdes Theater ist". "Der Wahlkampf beginnt nun", erklärte Thierse. Er wünsche sich, dass er fair und argumentationsreich verlaufe.

Schröder tritt erneut an

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat die von Bundespräsident Köhler beschlossene Auflösung des Bundestags als "souveräne Entscheidung" gewürdigt. Die große Mehrheit der Bevölkerung wolle eine Neuwahl, sagte Schröder am Donnerstagabend ebenfalls in Berlin. Er kündigte an, bei der Wahl am 18. September erneut anzutreten.

Merkel ruft zu Neuanfang auf

Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) hat die Deutschen dazu aufgerufen, die von Köhler beschlossene Auflösung des Bundestags als Chance für einen Neuanfang zu nutzen. Deutschland nutze zurzeit seine Möglichkeiten nicht, sagte Merkel am Donnerstagabend im bayerischen Castell. Man dürfe sich nicht mit der Zahl von fünf Millionen Arbeitslosen abfinden. Der CSU-Vorsitzende Stoiber sprach von einer "bedeutenden Weichenstellung für Deutschland".

Die Grünen wollen kämpfen

Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Krista Sager, haben die Entscheidung zur Auflösung des Bundestags als "nachvollziehbar und vernünftig" bezeichnet. "Wir waren nicht für das Stellen der Vertrauensfrage, halten aber Neuwahlen in der jetzt entstandenen Situation für den einzig richtigen Weg", erklärten sie am Donnerstag in Berlin. "Wir haben eine hohe Motivation und werden für ein starkes grünes Ergebnis kämpfen."

Zuspruch von der FDP

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle begrüßte die Entscheidung Köhlers zur Auflösung des Bundestages und bezeichnete sie als "glasklar". Er sagte, die Neuwahl beende eine politische Hängepartie.

Linkspartei: Schlussstrich unter politisches Theater

Der Bundeswahlkampleiter der Linkspartei, Bodo Ramelow, hält die Auflösung des Bundestages für konsequent und folgerichtig. Mit der Entscheidung Köhlers, die eine Neuwahl ermöglicht, sei ein Schlussstrich unter "das politische Theater" der vergangenen Wochen gesetzt worden, sagte er in Erfurt.

Zwei Verfassungsklagen erwartet

Das letzte Wort hat nun das Bundesverfassungsgericht: Die SPD-Abgeordnete Jelena Hoffmann und der Grünen-Parlamentarier Werner Schulz haben Verfassungsklagen angekündigt. (kap)