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Juncker: Alle sind Nehmerländer

Bernd Riegert23. November 2012

Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker ist nicht überrascht, dass die EU mit ihrem Haushaltsgipfel nicht "zu Potte gekommen ist". Im DW-Interview spricht der Christdemokrat über die Folgen.

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Luxembourg's Prime Minister Jean-Claude Juncker leaves a two-day European Union leaders summit in Brussels early June 29, 2012. REUTERS/Sebastien Pirlet (BELGIUM - Tags: POLITICS BUSINESS HEADSHOT) // Eingestellt von wa
Jean-Claude Juncker / Luxemburg / EurogruppeBild: Reuters

Jean-Claude Juncker ist der dienstälteste Regierungschef in der Europäischen Union. Bei den Verhandlungen "nervt" den erfahrenen Verhandlungsführer, die "Pfennigfuchserei" der großen reichen Länder, die den armen Ländern in Europa offenbar nicht helfen wollten. "Am Ende hoffe ich, dass sich der gesunde Menschenverstand bei allen durchsetzt", sagte Juncker unmittelbar nach dem Haushalts-Gipfel.

Deutsche Welle: Herr Juncker, Sie schienen nach den Beratungen verärgert zu sein. Woran ist der Gipfel ihrer Meinung nach gescheitert?

Jean-Claude Juncker: Ich glaube, dass wir einen Fehler machen. Und dieser Fehler stößt auf größte Zustimmung in den Mitgliedsstaaten und der öffentlichen Meinung. Der Fehler ist, dass wir zwischen Geber- und Nehmerländern unterscheiden. Ich bin strikt der sehr dezidierten Auffassung, dass alle 27 Mitgliedsstaaten eigentlich Empfängerländer sind. Es tut uns allen gut, Mitglieder der Europäischen Union zu sein. Ich halte diese fast künstliche Unterscheidung zwischen Geberländern und Nehmerländern nicht mehr für zeitgemäß im 21. Jahrhundert.

Was haben Sie heute denn eigentlich gemacht? Die Staats- und Regierungschefs haben sich gegenseitig ihre Positionen vorgetragen und dann?

Ja, das ist ja auch nicht unnormal, dass jeder aus seinem nationalen Blickwinkel und seiner nationalen Ecke heraus für seinen eigenen Haushalt plädierend vorstellig wird. Das gehört zum Meinungsaustausch, damit jeder weiß, was jeder gerne hätte und jeder denkt. Aber die Erfahrung zeigt, dass man über die finanzielle Vorausschau nicht in einer Sitzung zu Potte kommen kann. Das braucht mehrere Sitzungen und alle müssen in ihren nationalen Parlamenten die Geschichte voranbringen.

Sie wollen sich ja in wenigen Wochen schon wieder zu Haushaltsberatungen treffen. Glauben Sie, dass sich die Positionen in dieser kurzen Zeit wirklich annähern können?

Es wird Sache von Ratspräsident Van Rompuy sein, zu befinden, wann wir uns wieder zusammensetzen sollen. Ich glaube nicht, dass das schon in einigen Wochen der Fall sein wird. Ich glaube eher, dass das Ende Januar oder im Februar der Fall sein wird.

Kürzungen soll es ja auch beim Entwicklungsfonds der Europäischen Union geben, also bei den Geldern, die für die ärmsten Länder der Welt vorgesehen sind. Was halten Sie davon?

Ich bin der Auffassung, dass es uns nicht gut zu Gesichte steht, jetzt auf Kosten der Ärmeren in der Welt Einsparungen vorzunehmen. Das ist einfach, weil die ja hier nicht sitzen. Die 24.000 Kinder, die jeden Tag den Hungertod sterben, die sitzen nicht im Saal. Ich bin dagegen, dass man dies tut.

Neben seinem Amt als Ministerpräsident ist Jean-Claude Juncker außerdem Vorsitzender der Eurogruppe, der 17 Staaten mit der Gemeinschaftswährung Euro. Das Großherzogtum Luxemburg hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen in der EU und zählt zu den Netto-Zahlern in den gemeinsamen Haushalt. Der kleine Staat im Dreiländereck zwischen Belgien, Deutschland und Frankreich ist Sitz vieler EU-Institutionen und des Europäischen Gerichtshofes.