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"'Jugend forscht' fördert die Neugierde"

Diana Hodali25. Mai 2015

Gisela Anton wusste schon immer, dass sie Physikerin werden wollte. 1975 gewann sie bei "Jugend forscht". Jetzt feiert der Wettbewerb seinen 50. Geburtstag. Im DW-Interview erzählt sie, welchen Einfluss ihr Sieg hatte.

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Forscherin schaut neben dem Logo von "Jugend forscht" durch ein Mikroskop (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Sie sind 1975 Bundessiegerin beim Wettbewerb "Jugend forscht" geworden. Damals waren Sie 20 Jahre alt. Welchen Einfluss hatte dieser Sieg auf ihre Karriere als Wissenschaftlerin?

Gisela Anton: Mein Berufswunsch war schon klar geprägt und die Wege, die ich gehen wollte, auch. Das hat sich in den Jahren vor dem Abitur herausgebildet. Und mein Interesse an der Physik war eindeutig. "Jugend forscht" prägt die wissenschaftliche Neugier. Etwas wissen wollen, Neugierde haben - das wird durch "Jugend forscht" verstärkt. Und das ist gut so, denn das ist der eigentliche Wert von "Jugend forscht".

Wie sind Sie damals auf "Jugend forscht" aufmerksam geworden?

Es war gerade das zehnte Jahr von "Jugend forscht" und der Wettbewerb war noch nicht ganz so bekannt in der Gesellschaft. Jemand aus der Nachbarschaft hat mich darauf hingewiesen.

Der Titel Ihres Projekts ist einer der längsten, der jemals bei "Jugend forscht" eingereicht wurde. Er lautete: "Berechnung stabiler Schwimmlagen homogener Körper mit quadratischem Querschnitt mit Hilfe elementarer mathematischer Methoden".

Eigentlich war der Titel kürzer. Dann nahm ich am Regionalwettbewerb teil und die Juroren meinten, ich sollte den Titel abändern. Und man macht natürlich das, was einem die Jury rät. Daraufhin entstand dann dieser schrecklich lange Titel. Ich finde ihn immer noch nicht gut.

Physikerin Gisela Anton (Foto: imago/Lindenthaler)
Prof. Dr. Gisela Anton lehrt an der Universität in ErlangenBild: imago/Lindenthaler

Und wie sagt man den Titel so, dass man versteht, woran Sie geforscht haben?

Es geht um ein Alltagsphänomen. Dort wo ich gewohnt habe, war ein Hochwassergebiet und da schwammen Holzbalken im Wasser. Manche schwammen mit der flachen Seite nach oben, andere wiederum lagen schräg im Wasser. Und das hat mich interessiert: Warum schwimmen die so unterschiedlich? Ich habe also untersucht, warum schwere Holzbalken schräg, leichte dagegen waagerecht im Wasser schwimmen.

Sie erinnern sich wahrscheinlich aus einem anderen Grund auch noch so gut an die Zeit bei "Jugend forscht". Sie haben dort Ihren Mann kennengelernt.

Das stimmt. Es ist natürlich statistisch ein Zufall, aber dadurch hat "Jugend forscht" auch eine andere wichtige Bedeutung für mich.

Sie sind beide Physiker - Ihr Mann ist in die Industrie gegangen, Sie sind der Wissenschaft treu geblieben. Sie wurden 1994 mit dem renommierten Leibniz-Preis ausgezeichnet, erhielten dann den Ruf nach Erlangen. Was fasziniert Sie an der Wissenschaft?

Ich wollte nicht in die Industrie gehen, sondern forschen. Mein Mann ist bei seiner Arbeit in der Industrie sehr forschungsorientiert. Es ist wie bei dem Holzbalken: Mich begeistert an der Wissenschaft die Neugierde, etwas zu sehen und zu verstehen. Man gewinnt Erkenntnisse und erschafft neue Dinge. Ich entwickle zum Beispiel Anwendungen für die Medizintechnik. Und da forsche ich ganz konkret zu gesellschaftlich relevanten Anwendungen. Zusammenhänge zu erkennen und daraus neue Dinge zu erschaffen - das ist für mich attraktiv.

Sie lehren an der Universität in Erlangen. Und Sie setzen dort auf die Förderung von Nachwuchs. Es gibt das sogenannte "Erlanger Projekt-Praktikum", da dürfen Studenten Themen selbstständig auswählen, einen Versuch entwerfen und durchführen. Das hat was von "Jugend forscht".

Ja, das hat es. Das ist auch wirklich etwas, das ich durch "Jugend forscht" inspiriert hier aufgebaut habe. Ich finde diesen Gedanken sehr wichtig, dass Studierende lernen, eigene Ideen zu entwickeln und zu realisieren. Sie lernen, etwas zu Ende zu bringen. Ich finde es gut, wenn sie etwas anders machen und nicht immer irgendwelchen Lehrmeinungen folgen. Deswegen machen wir das auch relativ früh im Studium. Ich arbeite seit 2009 auch mit Schülern in Bayern. Eine Woche lang kommen Schüler in eine Jugendherberge und forschen rund um die Uhr. Und die brennen wirklich dafür. Es ist so toll zu sehen, wie die Schüler diese Umgebung schätzen und sich entfalten.

Welchen Rat geben Sie den Schülern und Studenten, die Wissenschaftler werden wollen, mit auf den Weg?

Es ist nicht so, dass ich mit ihnen rede, um ihnen Weisheiten zu verkünden. Ich gebe ihnen ein Umfeld und die Gelegenheit, ihre Fähigkeiten zu entfalten. Sie lernen natürlich auch, was wissenschaftlich genaues Arbeiten bedeutet. Wenn sie Ergebnisse erzeugen, dann begleite ich sie dabei, diese selbstständig und zuverlässig einschätzen zu lernen.

Ist denn dieses Umfeld, von dem Sie sprechen, in Deutschland für Wissenschaftler vorhanden?

Das ist mal mehr und mal weniger vorhanden. Schulen können das nicht leisten, weil Schulen so ausgelegt sind, dass man Inhalte kennenlernt und reproduziert. Das kreative Produzieren in der Wissenschaft erfordert eine sehr gute Infrastruktur und auch eine sehr enge Betreuung. Und so ein Wettbewerb wie "Jugend forscht" ist sehr geeignet, das zu fördern.

Prof. Dr. Gisela Anton begann 1973 ihr Studium der Physik in Bonn und promovierte dort 1983. Sie habilitierte sich 1993 in Bonn und erhielt 1995 einen Ruf an den Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Sie nahm 1975 am Bundeswettbewerb "Jugend forscht" teil und wurde Bundessiegerin. Dort lernte sie Frank Anton kennen, der ebenfalls einen Bundessieg erreichte - die beiden heirateten 1979 und haben drei Kinder.

Das Gespräch führte Diana Hodali.