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8. April 2010

Vor zehn Jahren wurde die erste Babyklappe in Hamburg eingerichtet, wo Mütter, die sich in Notlagen befinden, ihre neugeborenen Kinder anonym abgeben können. Doch die mittlerweile 80 Klappen sind umstritten.

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In rund 80 Einrichtungen können Mütter in Notlagen ihre Kinder anonym Babyklappen" bringen (Foto: DPA)
Der letzte Ausweg? Babyklappen in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Der Signalton ist sanft, doch wenn er ertönt, schlägt das Herz von Eva Winkler-Jansen höher. Die Mitarbeiterin vom Sozialdienst katholischer Frauen in Köln weiß: Entweder ist es nur einer der vielen Fehlalarme oder ein Baby wurde gerade in die Babyklappe gelegt. Winkler-Jansen geht zur Innenseite des "Moses Babyfensters". Obwohl sich ihre Gedanken nun vor lauter Aufregung überschlagen, muss sie jeden Schritt auf dem Weg zum Babyfenster bewusst langsam gehen. "Die Mütter, die ihr Baby hier abgeben, sehen ihr Kind in diesem Augenblick oft zum letzten Mal. Damit sie Zeit haben, sich von dem Kind zu verabschieden und trotzdem die Möglichkeit der Anonymität bestehen bleibt, lassen wir uns auf dem Weg durch das Haus einige Minuten Zeit", erklärt sie.

In diesem Moses Babyfenster in Köln können Mütter ihre ungewollten Säuglinge anonym abgeben (Foto: DPA)
Das Kölner "Moses Babyfenster" im Haus Adenheid gibt es seit 10 JahrenBild: picture-alliance/dpa

Seit zehn Jahren gibt es die so genannten Babyklappen in Deutschland. Mütter, die in einer Notlage sind, können ihre Neugeborenen anonym in diesen Einrichtungen abgeben. Die erste Stelle entstand im April 2000 in Hamburg. Inzwischen sind es rund 80, die von verschiedenen Trägern eingerichtet wurden.

Von Beginn an waren die Babyklappen von Kritik begleitet. Der Deutsche Ethikrat fordert die Schließung der Einrichtungen in Deutschland. Babyklappen seien ethisch und rechtlich nicht vertretbar, da sie dem Kind das Wissen über die eigene Herkunft vorenthalten würden.

Das Wichtigste ist Wärme und Liebe

Wenn Winkler-Jansen einen Säugling im Wärmebettchen vorfindet, ist es für sie jedes Mal ein bewegender Moment: "Wir haben hier zwar eine Wickelkommode, auf der wir das Kind waschen und anziehen können, doch in den ersten Sekunden halten wir das Baby oft nur auf dem Arm, wärmen es und reden ihm gut zu, dass es jetzt bei uns in Sicherheit ist." Meist sind die Kinder, die im Kölner Babyfenster gefunden werden, nur notdürftig versorgt. An der Nabelschnur erkennt Winkler-Jansen, dass die Mütter ihre Kinder oft eigenständig und nicht in einem Krankenhaus entbunden haben. Häufig sind diese nur Stunden alten Babys ausschließlich in ein Handtuch oder eine Decke gewickelt.

Auch wenn die Neugeborenen äußerlich gesund aussehen, ist für Winkler-Jansen in diesen Momenten Eile geboten: "Da wir nicht wissen, wie die Schwangerschaft und die Geburt abgelaufen sind, ist es in jedem Fall wichtig, dass wir umgehend den Rettungswagen und den Notarzt rufen. Im Krankenhaus werden die Kinder dann ausführlich untersucht und von Pflegefamilien abgeholt." Bevor der Rettungswagen das Findelkind zur Untersuchung ins Krankenhaus bringt, bekommt es im Haus Adelheid noch einen Namen. Den Vornamen kann das Kind behalten, der Nachname wird spätestens bei der Adoption wieder geändert.

13 Kinder in 10 Jahren

Auf diese Weise wurden in den letzten zehn Jahren im Haus Adelheid 13 Säuglinge anonym abgegeben. Sechs Mütter haben sich nur wenige Stunden oder Tage nach der Abgabe ihres Kindes wieder gemeldet. "Eine Mutter hat ihr Kind sogar wieder zurückgenommen und eine Zeit lang unter Betreuung hier im Haus Adelheid gelebt", sagt Winkler-Jansen. In Gesprächen fand sie heraus, dass die Frauen sich vor der Entbindung ausführliche Gedanken gemacht haben, an welchen sicheren Ort sie ihr Kind unmittelbar nach der Entbindung bringen können. "Die Frauen waren während ihrer Schwangerschaft in Notlagen und hatten oft Beziehungsprobleme in ihrem sozialen Umfeld. Sie konnten sich vor der Geburt nicht vorstellen, das Kind offiziell zur Adoption frei zu geben und suchten einen anonymen Ausweg".

Gegner nehmen genau diese Erfahrung zum Anlass ihrer Kritik: Mütter, die ihre Kinder nach der Entbindung in eine Babyklappe legen, seien nicht die gleichen Frauen, die nach der Geburt in Panik geraten und das Kind frei aussetzen oder gar töten. Die Klappen dienten daher gar nicht dem Schutz der Kinder.

Die Herkunft bleibt oft ungewiss

Das Wissen über die eigenen Wurzeln kann auch Winkler-Jansen den Kindern nicht zurückgeben. Ihr ist es jedoch wichtig, dass jedes Kind, das im Kölner Babyfenster gefunden wurde, später gemeinsam mit der Pflegefamilie zurückkehren kann, um sich den Ort anzusehen.

Auskunft über Beratungsmöglichkeiten sowie die Kontaktadresse der Einrichtung finden die Mütter unter anderem auf bedruckten Flyern, die neben dem Babyfenster in zehn verschiedenen Sprachen aushängen. So sollen die Mütter jederzeit die Möglichkeit haben, wieder in Kontakt mit ihren Kindern zu treten.

Autorin: Nina Wollseifer

Redaktion: Kay-Alexander Scholz