Journalistenausbildung: "Kulturelle Toleranz ist der Schlüssel" | Afrika | DW | 11.03.2016
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Afrika

Journalistenausbildung: "Kulturelle Toleranz ist der Schlüssel"

Binationale Trainerteams haben die Journalistenausbildung weltweit erobert. Auch für die DW Akademie arbeiten viele interkulturelle Tandems. Menschen wie Tole Nyatta und Ulli Schauen, die wissen, worauf es dabei ankommt.

Zertifikatübergabe an Royal Media Service Korrespondent Frankline Bwire (Mitte): Trainer Ulli Schauen (links) und Tole Nyatta. Foto: DW Akademie

Zertifikat für Royal Media Service-Korrespondent Frankline Bwire (Mitte): Trainer Ulli Schauen (links) und Tole Nyatta

Tole Nyatta und Ulli Schauen sind ein ungleiches Duo, dass sich professionell und menschlich schätzen gelernt hat. Gemeinsam bilden der Kenianer und der Deutsche seit Sommer 2015 ein binationales Trainer-Team und haben inzwischen sieben Trainings gemeinsam absolviert. Ihr Fokus: Lokalradios in ländlichen Gebieten Kenias. Mit ihnen widmet sich das interkulturelle Trainer-Duo dem Regionalisierungsprozess und der Berichterstattung über Korruption in Kenia. Ulli Schauen ist erfahrener Journalist und Trainer aus Deutschland. Tole Nyatta ist sein 37-Jähriger Ko-Trainer, der von Nairobi aus als Radiojournalist und Medientrainer arbeitet.

"Wir tanzen gemeinsam Tango"

Lokaler Trainer für die DW Akademie: Tole Nyatta aus Kenia Foto: Ulli Schauen / DW Akademie

Lokaler Trainer Tole Nyatta aus Kenia

"Unsere Rolle als Trainer ist es, gemeinsam Tango zu tanzen – uns also aus verschiedenen Blickwinkeln im Gleichschritt zu ergänzen", sagt Tole Nyatta zu ihrer Beziehung. Und diese Blickwinkel seien oft sehr verschieden, ergänzt Ulli Schauen schmunzelnd: "Nur ein Einheimischer weiß wirklich, wie die Menschen ticken und wie man damit am Besten umgeht". Damit fällt dem lokalen Trainer Tole Nyatta die Rolle zu, Ansprechpartner mit kultureller Nähe zu sein. Aber bei weitem nicht nur. Als lokaler Trainer bleibe er vor Ort und begleite die Teilnehmer auch nach dem Seminar weiter, betont Ulli Schauen.

"Tole ist für die Teilnehmer der Kollege, der ihnen immer mit Rat und Tat zur Seite steht." Nur er könne letztlich klären, ob die Teilnehmer Erlerntes auch wirklich verinnerlicht hätten. Ulli Schauen ergänze das, sagt Tole Nyatta, weil er mit seiner Person und mit seinem Wissen für den Blick über den Tellerrand stehe. "Einen europäischen Trainer zu haben, das erspart den Teilnehmern einen 1000-Dollar-Flug, um sich das Wissen in Seminaren in Europa anzueignen."

Gleichzeitig sei es wichtig, dass beide Tandempartner authentisch bleiben, erklärt Ulli Schauen. Traditionelle Werte im Journalismus wie gründliche Recherche und eine unabhängige kritische Presse seien nach wie vor wichtig. Seine Rolle in den Workshops sehe er darin, diese Werte zu vertreten. Tole hebt hervor, dass sein Augenmerk auf der Entwicklung der einzelnen Persönlichkeiten liege. "Man hat es in einen Seminarraum oft mit sehr vielen unterschiedlichen Egos zu tun - und um die muss man sich kümmern."

Korruption und Vetternwirtschaft im Blick: Journalistenworkshop in Kisumu – mit binationalem Trainerteam und als Besucherin Jutta vom Hofe, DW Akademie-Ländermanagerin Kenia Foto: DW Akademie

Korruption und Vetternwirtschaft im Blick: Journalistenworkshop in Kisumu – mit binationalem Trainerteam und als Besucherin Jutta vom Hofe, DW Akademie-Ländermanagerin Kenia

"Beide Nationalitäten machen das Training komplett"

Gemeinsam haben Ulli Schauen und Tole Nyatta das Gefühl, die täglichen Herausforderungen des interkulturellen Dialogs mit Spaß, Engagement und Verständnis zu meistern. Ein "Spirit", der auch bei Workshop-Teilnehmern des gemischten Tandems ankommt. Musa Naviye ist Redakteur bei Radio Sahara, einem Lokalradio in der kenianischen Provinz Kisumu. "Wenn man beide Nationalitäten einbindet, die deutsche und die kenianische, dann macht es das Training komplett", sagt Naviye. Es sei nicht schlecht, unter Kollegen Ideen aus seiner Region auszutauschen. "Aber es wird erst richtig interessant, wenn man Ideen aus zwei verschiedenen Richtungen kombiniert – auch jenseits kultureller Barrieren." Ohne seinen lokalen Partner könnte ein Training womöglich völlig aus dem Ruder laufen, meint Ulli Schauen. "Manche Teilnehmer hatten gerade ganz andere Probleme im Job als das, was wir im Workshop besprechen wollten. Tole bekam das mit. Wir konnten es berücksichtigen. Ich alleine hätte hingegen stur auf meinem Plan beharrt."

Teilnehmer interpretieren die Zahlen aus dem Bericht des Finanzkontrolleurs ihrer Regionalregierung. Workshop bei Radio Nyota in Bungoma Foto: DW Akademie

Teilnehmer interpretieren die Zahlen aus dem Bericht des Finanzkontrolleurs ihrer Regionalregierung. Workshop bei Radio Nyota in Bungoma

Dass die Arbeit als interkulturelles Team besonderer Aufmerksamkeit bedarf, daran lassen weder Ulli Schauen noch Tole Nyatta Zweifel aufkommen. "Kulturelle Toleranz ist der Schlüssel dafür, ob so eine Partnerschaft gelingt", sagt Tole Nyatta. Und Ulli Schauen ergänzt: "Ich habe im Gespräch mit Tole meinen Weg gefunden, wie ich in Kenia als Trainer ambitioniert arbeiten kann – ohne die notwendige Gelassenheit und das Einfühlungsvermögen zu verlieren." In der Praxis bedeutet dies, seine Arbeitsweisen in zentralen Punkten aufeinander abzustimmen – etwa in der Entwicklung von Seminarplänen. "Statt von allem etwas zu machen, konzentrieren wir uns jetzt darauf, die Journalisten und ihre Geschichten weiterzuentwickeln“, sagt Ulli Schauen. Auch Tole Nyatta hat seine Arbeitsweise durch die Zusammenarbeit im Team verändert, wie er mit einem breiten Grinsen zu Protokoll gibt. "Ich schaue als Trainer inzwischen deutlich öfter auf die Uhr, um das Timing des Trainings im Blick zu haben".

Training auf Augenhöhe

Aufeinander zugehen – dabei aber authentisch bleiben. Das ist auch das Credo von Udo Prenzel, Projektmanager für interne Trainerqualifizierung der DW Akademie, der kürzlich eine Weiterbildung mit Tole durchgeführt hat. Ähnliche Fortbildungsmaßnahmen für lokale Trainer setzt die DW Akademie auch in Libyen und Uganda um – zwei Länder, in denen ebenfalls viele binationale Tandems eingesetzt werden. Gemeinsam mit weiteren kenianischen Trainern hat Prenzel neue Trainingsmethoden ausprobiert, hat über Wege debattiert, wie Workshop-Teilnehmer selbst den Ablauf und die Inhalte ihrer Trainings mitbestimmen können. Diesen "partizipativen Ansatz" bringe die DW Akademie mit in ihre Trainerausbildung weltweit ein – und werbe dafür auch in den Ländern, in denen Schule und Studium noch immer hauptsächlich durch Frontalunterricht geprägt seien. "Wir müssen unsere lokalen Partner oft erst überzeugen, dass dieser partizipative Ansatz der Richtige ist, um heutzutage Wissen zu vermitteln", sagt Prenzel.

Gemeinsam diskutieren, nachdenken und entscheiden: DW Akademie Workshops binden die Teilnehmer bei der Workshopgestaltung mit ein. Vorne: Tole Nyatta. Foto: Ulli Schauen / DW Akademie

Gemeinsam diskutieren, nachdenken und entscheiden: DW Akademie Workshops binden die Teilnehmer bei der Gestaltung mit ein. Vorne: Tole Nyatta

Zusammenarbeit, auf Augenhöhe zwischen Trainern und Trainierten, das ist für das Tandem Ulli Schauen und Tole Nyata Arbeitsalltag. Und der läuft inzwischen so reibungslos, dass Tole Nyatta fest davon überzeugt ist, dass binationalen Trainingsteams die Zukunft gehört. "Wir wollen selbst Verantwortung übernehmen – aber wir wollen auch nicht auf das internationale Wissen verzichten, das Menschen wie Ulli mitbringen." Dieser quittiert den Satz mit einem Lächeln – um nachdenklich hinzuzufügen: "Warum arbeiten wir in Deutschland eigentlich nicht mit binationalen Trainerteams, schließlich könnte diese interkulturelle Erfahrung auch hier einiges bewegen."

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  • Datum 11.03.2016
  • Autorin/Autor Richard A. Fuchs
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  • Permalink https://p.dw.com/p/1I9iA
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