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Politik

Josef Braml: "Trumps Chaos hat Methode"

15. September 2017

Der USA-Experte Josef Braml sieht hinter Trumps erratischem Kurs eine zielgerichtete Taktik. Er setzt seine republikanischen Parteifreunde unter Druck, seine Agenda umzusetzen: den Staat radikal zu beschneiden.

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USA Treffen Trump Josh Gottheimer
US-Präsident Trump mit dem Abgeordneten der Demokraten Josh Gottheimer (l.) und dem Republikaner Tom Reed (r.)Bild: Getty Images/AFP/B. Smialowski

DW: Herr Braml, US-Präsident Donald Trump geht derzeit auf die Demokraten zu. In Fragen der Steuerpolitik wie auch des Programms zum Schutz der "Dreamer" sucht er offenbar das Gespräch. Wie bewerten Sie diese Taktik?

Josef Braml: Solche Verhandlungen sollten das tägliche Geschäft eines US-Präsidenten sein. Dieses galt, bis sich die amerikanische Politik polarisierte und den Gesetzgebungsprozess blockierte. Jeder US-Präsident muss, um seine Ziele zu erreichen, über Parteigrenzen hinweg um Unterstützung werben. Das System in den USA unterscheidet sich grundlegend von dem deutschen: Dank der Fraktionsdisziplin kann eine deutsche Kanzlerin ihre politischen Initiativen durchdrücken. In den USA braucht es vielmehr den Dialog über Parteigrenzen hinweg. Dass das seit dem Jahr 2010 nicht mehr geschieht, ist eigentlich anormal. So verstanden versucht Trump, an die Normalität anzuknüpfen.

Offenbar kommt das aber bei den Republikanern nicht sonderlich gut an.

Trump muss seine Parteifreunde auf Linie bringen. Und das kann er am besten, indem er sie unter Druck setzt. Dass er davor nicht zurückschreckt, hat er bei der Anhebung der Schuldenobergrenze gezeigt. Nun setzt er sie wieder unter Druck, denn ein anderes Mittel hat er nicht. Denn Parteidisziplin wie in Deutschland gibt es in den USA nicht.

Wie setzt Trump die Republikaner unter Druck?

Dr. Josef Braml
Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige PolitikBild: Privat

In knapp zwei Jahren sind schon wieder Kongresswahlen. 435 Abgeordnete und ein Drittel des 100-köpfigen Senats stehen dann zur Wiederwahl an. Da es Trump gelungen ist, seine Parteifreunde im Kongress für das Scheitern der Gesundheitsreform verantwortlich zu machen, müssen diese nun bei der Steuerreform liefern, um nicht bei den nächsten Wahlen abgestraft zu werden. Damit sie ihm nun auch wirklich aus der Hand fressen, hat er ihnen angedroht, zusammen mit den Demokraten höhere Steuern für die Reichen zu erheben. Das wird er natürlich nicht umsetzen. Aber er wird beim Thema Steuerkürzungen seine Parteifreunde auf Linie bringen. Selbst wenn damit der Schuldenberg umso größer werden wird.

Wie deuten Sie in diesem Zusammenhäng die Gespräche über die sogenannten "Dreamer", also junge, im Land lebende Menschen ohne US-Staatsbürgerschaft?

Indem er den Exekutiverlass seines Vorgängers Obama kassierte, hat Trump den Ball zurück in den Kongress gespielt. Er hat sich bei diesem emotionalen Thema aus der Schusslinie genommen, indem er seinen Justizminister Jeff Sessions vor die Presse schickte. Übrigens: Als Senator war Sessions federführend, Einwanderungsgesetze zu verhindern. Zu einer gesetzlichen Regelung wird es wohl auch dieses Mal nicht kommen.

Trump zeigt sich politisch offenbar sehr flexibel. Wo will er hin?

Trumps vermeintliches Chaos hat Methode. Trump hat ein klares Ziel, nämlich den Staat so klein wie möglich zu machen. Die Politik soll nicht mehr in die Wirtschaft eingreifen, weder durch Steuern noch durch Regulierungen. Bei diesem Projekt kann er auf die Unterstützung wichtiger Wirtschaftszweige zählen, etwa der Finanz- und Ölindustrie. Im Hinblick auf die Finanzierung seiner möglichen Wiederwahl wird Trump Obamas Regulierungen im Umwelt- und Finanzbereich wieder deregulieren.

Wie bewerten Sie diesen Rückbau des Staates?

Trump gefährdet die Demokratie. Wir wissen, dass es nichts bringt, wenn der Staat die Wirtschaft lenkt. Ebenso gefährlich ist das andere Extrem, das Laissez-faire. Wenn die Wirtschaft sich selbst überlassen wird, vermachtet sie. Es gibt in den USA in wichtigen Bereichen nur noch wenig Wettbewerb. So sind im IT-Bereich, im Rüstungssektor, im Finanzdienstleistungsbereich und in der Energieversorgung Oligopole am Werk. Das ist zum einen ein wirtschaftliches Problem: Weniger Wettbewerb bedeutet weniger Leistung, weniger Innovationen. Zum anderen besteht ein noch größeres politisches Problem, weil diese dominanten Spieler die Regeln in ihrem Sinne bestimmen, um noch mehr vom gesamtgesellschaftlichen Vermögen abzuschöpfen. Und das haben die Amerikaner bemerkt. Sie haben die Nase voll vom Business as Usual und haben den Außenseiter Trump gewählt.

Der nun aber genau diese Entwicklung weiter fördern will.

Ja. Und das ist das Gefährliche an dieser Entwicklung. Die Amerikaner halten das System für korrupt - teilweise zu Recht. Trump hat dieses Gefühl verstärkt und sich selbst als Kandidaten inszeniert, der aufgrund seines persönlichen Reichtums unabhängig sei. Jetzt wird er aber jene Wähler enttäuschen, denen er versprach, den Geldsumpf in Washington auszutrocknen. Denn heute sitzen die Wallstreet, Big Oil und die Militärindustrie am Kabinettstisch. Amerika läuft Gefahr, sich von einer Demokratie hin zu einer Geldherrschaft zu entwickeln.

Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Autor des Buches "Trumps Amerika - Auf Kosten der Freiheit". Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog usaexperte.com.

Das Gespräch führte Kersten Knipp.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika