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Jordanien schickt Flüchtlinge in die Wüste

Klaus Jansen28. April 2014

Mitten in der jordanischen Wüste hat mit viel Verspätung ein neues Lager für syrische Flüchtlinge geöffnet. Hilfsorganisationen kritisieren den abgelegenen Standort, sie versuchen aber, das Beste daraus zu machen.

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Jordanien: Flüchtlingslager Asrak (Foto: Robert Neufeld, World Vision)
Bild: World Vision/R. Neufeld

An der Grenze zwischen Syrien und Jordanien stehen Busse bereit. Die ersten Flüchtlinge haben das Lager Asrak am Montagmorgen (28.04.2014) schon erreicht. Mitte der Woche wird die jordanische Regierung Asrak dann auch offiziell als neues Auffanglager eröffnen. Es soll vor allem das in Verruf geratene Lager Saatari entlasten. Anfang des Monats war dort ein junger Syrer erschossen worden, als jordanische Sicherheitskräfte einen Aufstand niederschlugen. In den vergangenen Jahren protestierten die Bewohner immer wieder gegen die schlechten Lebensbedingungen, auch gewaltsam. Saatari gilt mit seinen knapp 100.000 Menschen als zweitgrößtes Flüchtlingslager weltweit. Der zuständige UN-Verwaltungschef vor Ort beschrieb das Lager auch als "das schwierigste der Welt". Neue Flüchtlinge werden dort ab sofort nur noch in Ausnahmefällen aufgenommen.

Im neuen Lager soll jetzt vieles besser werden. Vor allem deshalb, weil sich die über 20 kooperierenden Hilfsorganisationen zusammen mit der Flüchtlingsbehörde der Vereinten Nationen (UNHCR) in Ruhe auf den Ansturm der Flüchtlinge vorbereiten konnten. Camp Asrak hätte schon im Herbst öffnen können. Die jordanische Regierung hatte sich dann aber dagegen entschieden, weil der Zustrom an Flüchtlingen abzuebben schien. Diese Entwicklung hielt aber nicht an. "Normalerweise sind erst die Flüchtlinge da, und dann bauen wir für sie ein Lager", beschreibt Steffen Horstmeier von der Hilfsorganisation World Vision das übliche Vorgehen. "In Asrak war es genau anders herum. Hier konnten wir erst das Lager durchdenken und bauen."

Ausschreitungen im jordanischen Flüchtlingslager Saatari Anfang April 2014 (Foto: Reuters)
Ausschreitungen wie im Lager Saatari soll es in Asrak nicht gebenBild: Reuters

Dörfliche Struktur

In Asrak gibt es keine Zelte, wie sie in anderen Lagern oft als erste Notunterkunft aufgestellt werden. Hier ziehen die Flüchtlinge direkt in Wellblech-Hütten ein. World Vision hat sich um die Installation der Toiletten und Duschen gekümmert. Das Lager ist unterteilt in mehrere kleine "Dörfer" für bis zu 15.000 Menschen. Zwei dieser Siedlungen sind schon fertig, zwei weitere könnten in wenigen Monaten dazukommen, Platz für 60.000 Menschen. "Die Grenze des Erträglichen wird wohl bei 100.000 liegen", schätzt Steffen Horstmeier, der das World-Vision-Büro in Jordaniens Hauptstadt Amman leitet.

Durch die Dorfstruktur - die Siedlungen sind einige hundert Meter voneinander entfernt - hoffen die Hilfsorganisationen, Aufstände wie im Lager Saatari weitgehend verhindern zu können. "Da entstehen hoffentlich kleinere Gemeinschaften, die nicht so aufeinanderhocken und wo nicht so einfach Spannungen aufkommen können", glaubt Horstmeier.

Spielplatz im Lager Asrak (Foto: Robert Neufeld, World Vision)
Im neuen Lager gibt es von Beginn an Duschen, Toiletten, medizinische Versorgung und eine SchuleBild: World Vision/R. Neufeld

Abgelegen, heiß, stürmisch

Platz für einen weiteren Ausbau des Lagers gibt es zur Genüge, denn Asrak liegt mitten in der jordanischen Wüste . Viele Flüchtlingsorganisationen kritisieren diesen Standort - 30 Kilometer entfernt vom nächsten Dorf und 50 Kilometer von der nächsten größeren Stadt. Nur ein Militärcamp ist in der Nähe. Aber die jordanische Regierung hat den Ort so festgelegt. Schon jetzt herrschen dort Temperaturen um 30 Grad Celsius. Im Sommer steigen die Werte schnell auf über 45 Grad an, dazu gibt es Sandstürme, die schon gemauerte Häuser zum Einsturz gebracht haben. "Der Ort ist auf keinen Fall ideal", meint auch Steffen Horstmeier. "Wir haben versucht, das Beste daraus zu machen."

Eine wirkliche Perspektive hätten Flüchtlinge dort aber nicht, kritisiert die Hilfsorganisation Syrienhilfe solche Lager. Der kleine Verein hilft seit 2012 ehrenamtlich über ein eigenes Netzwerk Menschen in Syrien selbst. "Natürlich zählt jede Hilfe", meint der Syrienhilfe-Vorsitzende Karsten Malige, ein Vermessungs-Ingenieur. "Doch gerade in den großen Lagern gibt man den Menschen zwar eine Heimstatt, aber keine Hoffnung." Dort hätten die Menschen keine Möglichkeit, selbst für sich zu sorgen und einer Arbeit nachzugehen. "Das ist eine Entmündigung und eine Entwürdigung", so Malige. Nachhaltige Hilfe sei so kaum möglich.

Steffen Horstmeier von World Vision im Lager Asrak (Foto: Robert Neufeld, World Vision)
Steffen Horstmeier von World Vision inspiziert eine Wellblechhütte im Lager AsrakBild: World Vision/R. Neufeld

Kaum Perspektiven im Ausland

Dass Flüchtlinge in Jordanien arbeiten, ist ohnehin nicht vorgesehen, es ist gesetzlich verboten. Viele tun es dennoch - illegal -, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Rund 80 Prozent der syrischen Flüchtlinge in Jordanien leben nicht in Lagern, sondern in Städten oder Dörfern. Sie sind irgendwo untergekommen, beispielsweise in Kellern oder überteuerten Mietwohnungen.

"Die jordanische Regierung fürchtet sich davor, dass 600.000 Flüchtlinge aus Syrien plötzlich auf den Arbeitsmarkt strömen", sagt World-Vision-Mitarbeiter Steffen Horstmeier. Schon jetzt sei das jordanische Gesundheits- und Schulsystem stark überlastet. Die Flüchtlinge machen dort mittlerweile ein Zehntel der Bevölkerung aus. "Da wird Jordanien noch ganz lange Unterstützung brauchen."

Mitwirkende am Lager Asrak (Foto: Robert Neufeld, World Vision)
Neben der jordanischen Regierung und dem UNHCR sind über 20 Hilfsorganisationen im Lager vertretenBild: World Vision/R. Neufeld

Anderen Ländern in der Region geht es ähnlich. Insgesamt hat die UNHCR 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge im Ausland registriert, mehr als eine Million allein in Syriens kleinem Nachbarland Libanon. Auch die Türkei hat rund 700.000 Menschen aufgenommen, Irak und Ägypten zählen 300.000 Flüchtlinge. Mittlerweile gehen aber auch verstärkt Syrer zurück in ihre Heimat, sagt Karsten Malige vom Verein Syrienhilfe. "Aus finanziellen Gründen, aber auch aus Perspektivlosigkeit. Trotz der Kämpfe, die dort stattfinden, und trotz der Gefahr für ihr Leben."