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"Jetzt müssen wir aufhören zu reden und anfangen zu handeln"

18. November 2016

Donald Trumps Sieg in den USA dämpft die Stimmung bei den Klimagesprächen in Marrakesch, aber IUCN Generaldirektorin Inger Andersen erklärt DW, dass die Welt in ihrem Kampf gegen den Klimawandel weiter vorangehen wird.

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Inger Andersen, Generalleiterin der International Union for Conservation of Nature (IUCN)
Bild: IISD

Deutsche Welle: Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Artenvielfalt?

Inger Andersen: Wir fangen gerade erst an, einige dieser Auswirkungen zu sehen. In neuen Studien haben wir herausgefunden, dass der Klimawandel inzwischen Auswirkungen auf 80 Prozent der Ökosystemprozesse hat, die das Leben auf der Erde ermöglichen. Viele Auswirkungen auf konkrete Arten sind erkennbar. So zum Beispiel auf die natürlichen Prozesse, die Arten durchleben: wann sie schlüpfen, wann sie fliegen, wann sie wandern. Einige Populationen finden nicht mehr die Lebensbedingungen, die sie brauchen und infolgedessen sterben Populationen aus. Die Auswirkungen sind also da und das gleiche gilt für die Auswirkungen, die das auf die Menschen hat, deren Lebensunterhalt durch den Verlust der Arten gefährdet ist.

 

Wie gut können sich Tierpopulationen eigentlich an den Klimawandel anpassen?

Das kann man in zwei Gruppen unterteilen: Zum einen sind da die Generalisten, Arten wie der Sperling, zum Beispiel. Den finden Sie in sehr heißen Klimata, aber auch in kalten. Sie können sich also anpassen. Aber es gibt auch die anderen Arten wie die Korallen, die ortsgebunden sind und andere Arten, die nicht so mobil sind. Die bekommen die Auswirkungen viel schneller zu spüren. Das sind die, um die wir uns Sorgen machen. Egal ob es Pflanzen oder Tiere sind, im Wasser oder an Land, sie sind diejenigen, bei denen wir die größten Auswirkungen sehen.

 

Das Pariser Abkommen und die COPs konzentrieren sich auf Menschen statt auf Tiere. Sind sie überhaupt für den Erhalt der Artenvielfalt hilfreich?

Sehr sehr hilfreich und ich sollte erklären warum. Das ursprüngliche UNO-Abkommen zum Klimaschutz thematisiert die Notwendigkeit, Wälder, Biomasse, Feuchtgebiete, Küstengebiete und Ozeane zu schützen. Und das ist wichtig, denn damals ging es uns vor allem darum, CO2 zu binden. Heute verstehen wir, dass es um mehr geht, nämlich auch um die Anpassung an den Klimawandel. Mangroven, Sanddünen und Küstenwälder sind beispielsweise auch wichtig für den Schutz gegen Naturereignisse wie Stürme. Ich denke im Kontext von Anpassung und Milderung der Auswirkungen ist die Diskussion heute viel zielführender als vor 22 Jahren, als wir damit angefangen haben.

 

Denken Sie, dass das Pariser Abkommen weitreichend genug ist, wenn man bedenkt, dass es die Artenvielfalt nicht sehr stark thematisiert?

Es erwähnt Ökosysteme und es erwähnt die Bedeutung von Wäldern und von natürlichen Prozessen, es erwähnt die Anpassung und die Milderung der Auswirkungen und es betont die wichtige Rolle, die die Natur dabei spielt. Es ist schließlich ein Klimaabkommen. Wir haben anderes Abkommen wie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Und wir haben ein weiteres, CITES, das sich mit dem Handel von wilden Arten beschäftigt und wir haben das Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung. Das Entscheidende ist, die Synergien zwischen diesen verschiedenen Konventionen zu finden. Das UNO-System ist sehr gut darin, an diesen Synergien zu arbeiten. Und hier in Marrakesch, genauso wie in Paris, gibt es ein Verständnis für die Vernetzungen auf unserem Planeten.

 

Haben Sie irgendwelche Bedenken in Bezug auf den neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump und seine Pläne, die US Zusage zum Pariser Abkommen zurückzuziehen? Wie stehen Sie zu seinen Ideen für die US-Umweltagentur und die Umwelt im allgemeinen?

Natürlich ist man besorgt über einige dieser Themen, denn sie sind sehr wichtig für den Umweltschutz im Allgemeinen. Auf der globalen Ebene herrscht hier in Marrakesch allerdings eine spürbar positive Stimmung. Wir marschieren weiter, wir wissen, dass der Kampf gegen den Klimawandel zu Jobwachstum im Bereich der erneuerbaren Energien führen wird und Chancen für bessere Existenzgrundlagen der Zukunft bietet. Er wird auch zu einer saubereren Natur führen und weniger Krankheiten wie Asthma, weil wir weniger Luftverschmutzung haben werden. Das ist die Richtung, in die es für die Privatwirtschaft geht, die jungen Schüler und Studenten, Städte und Bürgermeister und dorthin geht auch die restliche Welt.

 

Falls Trump beschließt, sich vom Pariser Abkommen zurückzuziehen, und er spricht ja auch davon mehr Kohle und Gasförderung in den USA zu erlauben, was für Auswirkungen wird das auf die Artenvielfalt dort haben?

Es ist zu früh, um sagen zu können, welche Auswirkungen das haben wird, aber zunächst einmal gibt es Gesetze, die man nicht einfach so wegwerfen kann. Es gibt nationale Gesetze, es gibt Institutionen und Gerichte und diese nationalen Gesetze müssen geändert werden, bevor man gewisse Dinge tun kann. Dasselbe gilt für Abkommen, die man ratifiziert hat. Man muss die rechtlichen Schritte bedenken, die man einleiten müsste. Das eine ist also, was man sagt, und das andere ist, was dann wirklich geschieht.

 

Die IUCN ist für die Rote Liste der bedrohten Arten bekannt. Manche Kritiker sagen, sie sei überholt, insbesondere in Bezug auf die erfassten Vogelarten.

Unsere 8000 Wissenschaftler in der Species Survival Commission arbeiten jeden Tag daran. Wir haben etwa 78.000 Arten bewertet und unser Ziel sind 150.000 bis 2020. Das sind Arten, die gefährdet oder stark gefährdet sind. Wir sehen uns Korallen, Meeres- und Landtiere, Pflanzen und Pilze an. Wir marschieren also damit voran.

 

Was ist Ihre Hoffnung für das Ergebnis dieser Konferenz?

Die Hoffnung für Marrakesch muss Handeln sein. Es gibt nichts anderes. Wir haben 21 Jahre lang verhandelt. Wir haben ein solides Abkommen, das Pariser Abkommen. Wir haben Verpflichtungen, wir haben national identifizierte Beiträge. Wir kennen die Antworten und wir wissen, was wir tun müssen. Es gibt eine engagierte Gruppe von Ländern, die zu dem Abkommen stehen. Und wir haben indigene Gruppen, Frauen und Unternehmen, den privaten Sektor und Städte: Die Welt hat gesagt, dass das hier wichtig ist. Jetzt müssen wir aufhören zu reden und anfangen zu handeln. Und das geschieht bereits.

 

Inger Andersen ist Generaldirektorin der Weltnaturschutzunion (IUCN). Die IUCN ist das größte Umweltschutznetzwerk der Welt. Es bietet öffentlichen-, privaten- und Nichtregierungsorganisationen das Wissen und die Tools, um menschlichen Fortschritt, wirtschaftliche Entwicklung und Naturschutz zu vereinen. Die Rote Liste der IUCN bietet Informationen über fast 80.000 gefährdete Arten.

Das Interview wurde von Louise Osborne während der COP22 Klimakonferenz 2016 in Marrakesch geführt.