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Jetzt doch: Lissabon will Milliarden von der EU

7. April 2011

Heftig hatte Portugal bestritten, dass es Geld von der EU brauche. Doch nun hat Regierungschef Socrates den Offenbarungseid geleistet. Experten gehen von einem Finanzbedarf von bis zu 80 Milliarden Euro aus.

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Der portugiesische Ministerpräsident Jose Socrates gibt die Beantragung der EU-Hilfen bekannt (Foto: AP)
Portugals Ministerpräsident Socrates gibt die Beantragung der EU-Hilfen bekanntBild: AP

Nach langem Zögern bittet das hochverschuldete Portugal die Europäische Union nun doch um Finanzhilfe in noch unbekannter Milliardenhöhe. Der geschäftsführende Regierungschef José Sócrates verkündete den Antrag des ärmsten Landes Westeuropas am Mittwochabend (06.04.2011) in Lissabon offiziell. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bestätigte in Brüssel das Anliegen Portugals. Er habe Socrates zugesichert, dass diese Bitte "in der schnellstmöglichen Weise entsprechend den einschlägigen Regeln behandelt" werde, hieß es in einer Mitteilung Barrosos.

Barroso, selbst früher Regierungschef in Lissabon, erklärte, er habe "Vertrauen in Portugals Fähigkeit, die derzeitigen Probleme zu überwinden". Er habe deshalb versprochen, dass die Anfrage so schnell, wie es das Verfahren erlaube, bearbeitet würde. Portugal ist damit nach Griechenland und Irland das dritte Euro-Land, das internationale Finanzhilfe beantragt. Experten schätzen den Finanzierungsbedarf auf bis zu 80 Milliarden Euro. Der Rettungsfonds (EFSF) könnte bis zu 250 Milliarden Euro an klamme Eurostaaten ausleihen. Im Gegenzug wird von den betreffenden Krisenstaaten ein striktes Sparprogramm verlangt.

Finanzmärkte haben kein Vertrauen mehr

Portugals Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos (Foto: dpa)
Der portugiesische Finanzminister Teixeira dos SantosBild: picture alliance / dpa

Kurz vor der Bekanntgabe von Sócrates hatte bereits Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos angekündigt, das Land werde nicht umhinkommen, Hilfen aus dem EU-Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen. In einer schriftlichen Antwort auf ein Interview der Zeitung "Jornal de Negocios" hieß es dann wörtlich: "Portugal wurde in unverantwortlicher Art und Weise an den internationalen Finanzmärkten in eine sehr schwierige Situation gebracht." Damit spielte der Minister auf die Ablehnung des jüngsten Sparpakets der Minderheitsregierung durch die Opposition an. Die Bitte Portugals um Finanzhilfe kommt unmittelbar vor einem Treffen der Finanzminister der 17 Staaten umfassenden Eurozone und der 27 EU-Staaten am Freitag und Samstag in Gödöllö bei Budapest.

Das Vertrauen in Portugal auf den internationalen Finanzmärkten war im vergangenen Jahr immer weiter geschwunden. Wirtschaftsanalysten sagten bereits seit Monaten voraus, dass Portugal bald auf internationale Finanzhilfe angewiesen sein werde, um seiner Schuldenlast Herr zu werden. Investoren hatten von dem Land zuletzt für Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit den Rekordzinssatz von 8,78 Prozent verlangt. Auch bei einer Auktion von kurzfristigen Schatzwechseln am Mittwoch hatten Investoren hohe Zinsen für ihr Geld gefordert.

Langes Zögern der Regierung in Lissabon

Blick in das Parlament in Lissabon (Foto: AP)
Das Parlament in LissabonBild: AP

Lissabon hatte lange gezögert, Hilfe in Anspruch zu nehmen, da eine große Finanzspritze das Land über Jahre hinweg zu einem harten Sparkurs zwingen und der Lebensstandard in Portugal wohl sinken würde. Zuletzt begründete die nur noch geschäftsführend im Amt befindliche Regierung ihre Ablehnung damit, dass sie vor den Neuwahlen am 5. Juni gar nicht befugt sei, von der EU-Finanzhilfen zu beantragen. Sócrates war am 23. März zurückgetreten, nachdem seine Minderheitsregierung im Parlament keine Mehrheit für ein Sparpaket gefunden hatte.

Das galt aber als Voraussetzung dafür, dass Portugal sein Staatsdefizit wie versprochen in den kommenden Jahren wieder unter die erlaubte Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken kann. Rating-Agenturen haben deshalb mehrfach die Kreditwürdigkeit des Landes gesenkt. Dementsprechend steigen die Zinsen, die Lissabon am Kapitalmarkt für neue Schulden zahlen muss, rapide.

Bald auch Spanien im Strudel der Schuldenkrise?

Am Montag erklärte Sócrates in einem Fernsehinterview zudem, ein Hilfeantrag hätte schlimme Folgen für die Portugiesen, aber auch für Europa: "Wenn Portugal fällt, dann werden der Euro und Europa geschwächt werden". Ein Hilfsantrag könne nur das "allerletzte Mittel" sein. In der EU herrscht die Sorge, dass auch Portugals großer Nachbar Spanien in den Strudel der Schuldenkrise geraten könnte.

Autor: Stephan Stickelmann (dpa afp dapd rtr)
Redaktion: Walter Lausch