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Glaube

Jenseits von Vatertag und Muttertag

11. Mai 2018

Gedanken über die Rollenbilder von Vater und Mutter an Christi Himmelfahrt (Vatertag) und dem von den Blumenhändlern eingeführten Muttertag

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Bildergalerie Vatertag Rolle des Vaters
Bild: picture-alliance/dpa

Das hat sich Lidl wohl anders vorgestellt. Die Werbeabteilung des Lebensmittel-Discounters hatte sich offenbar nicht viel dabei gedacht, als sie die Angebote zum Vater- und Muttertag in diesem Jahr festlegte. In dem Prospekt, der an Millionen Haushalte deutschlandweit verteilt wurde, fanden sich als Geschenkideen für die Mütter vornehmlich Haushaltsgeräte, für die Männer diverse Werkzeuge: Mutti putzt und kocht, Papa handwerkelt.

 

So weit, so gewöhnlich, könnte man annehmen und sich fragen, was an diesem Zustand berichtenswert sein sollte. Interessant finde ich die Reaktion vieler Menschen in der Öffentlichkeit, vor allem in den sozialen Medien, auf die Angebote. Es gab scharfen Protest gegen das Rollenbild, das Lidl offensichtlich mit seiner Werbung bediente. Viele Frauen wehrten sich gegen das Klischee der Mutter als treu sorgende Hausfrau, konnten sich damit nicht identifizieren. Lidl sei wohl in den 50er Jahren stecken geblieben, so der zornige Vorwurf.

 

Kritik am Muttertag ist nicht neu. Seinen Ursprung hat das Fest in einer Initiative der Blumenhändlerindustrie, von den Nazis wurde der Tag vereinnahmt und ideologisch aufgeladen: das Lob der Mutter als gebärfreudige Erhalterin der Nation, die ganz in ihrer Pflicht aufgeht. In der Nachkriegszeit rückte der Fokus dann auf die Mutter als Garantin von Stabilität beim Wiederaufbau des Landes, in der DDR gab es zusätzlich auch noch den Frauentag, der eine internationale Solidarität aller Frauen miteinander fördern sollte.

 

Eines blieb über die Jahre aber immer gleich: die Gefahr, nach dem überreichten Blumenstrauß oder dem selbst gebastelten Papierherz schnell wieder zur Tagesordnung über zu gehen – Mutter hat ihren Lohn ja bekommen. Deshalb begleitet den Muttertag schon seit jeher der Wunsch vieler Mütter nach etwas mehr Nachhaltigkeit. Statt Blumen vielleicht öfter mal praktische Unterstützung und Hilfe. Statt Pralinen ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Partnerin. Und statt der öffentlichen Würdigung der großen Opfer, die Mütter immer wieder bringen, vielleicht der Mut an den Umständen etwas zu ändern, die diese Opfer erst nötig machen.

 

Der aktuelle Protest gegen Rollenbilder geht über diese Kritik hinaus. Das Klischee von der pflichtbewussten und selbstlosen Mutter, die als Hausfrau Erfüllung findet, wird offenbar von immer mehr Menschen nicht mehr als sympathisch-nostalgisch wahrgenommen, sondern als altmodisches Korsett, das einengt. Und viele Männer finden sich im Abziehbild der betrunken umherziehenden Männergruppen, die an Himmelfahrt den Vatertag feiern, nicht unbedingt wieder. Auch Männer können mehr als trinken und bohren.

Ich frage mich, wie sehr uns Rollenbilder prägen (sollten). Es liegt in der Natur der Sache, dass ich mich mit meinen Eigenheiten nie ganz in solch einem Sammelbegriff wieder finden werde. Und doch fragen viele nach Orientierung, danach was es eben heißt, heute eine gute Mutter, ein guter Vater zu sein. Wenn Menschen auf die „klassischen“ Antworten von vor 50 Jahren nicht gelangweilt sondern empört reagieren, dann zeigt mir das auch: Diese Menschen wollen eine Antwort auf die Frage.

Aber ist es die richtige Frage? In der Bibel finde ich in einem Brief des frühen Christen Paulus an eine Gemeinde in Galatien eine spannende Gegenposition:„Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ (Galater 3, 28) Fakten, die damals wie heute oft entscheidend scheinen für die eigene Person, für meinen Wert und meine Rechte, hier interessieren sie nicht. Ob ich dazu gehöre, zur Gruppe der Menschen „in Jesus“, hängt nicht davon ab, ob ich Mann oder Frau bin – oder sogar etwas dazwischen? Die Schablonen die wir Menschen brauchen, um für uns etwas Ordnung in unsere unübersichtliche Umgebung zu bringen, sind nicht entscheidend. Das ist eine steile These, ein Widerspruch zu dem, was ich täglich erlebe, auch was ich mir manchmal wünsche.

Ich kann und will diesen Widerspruch nicht auflösen. Es reicht mir völlig, wenn ich dadurch nur etwas herausgefordert werde. Ich muss niemanden in eine Rolle zwingen, auch mich selbst nicht. Und wenn ich selber nicht hinein passe in das Bild, das ich habe von mir oder wie ich sein sollte – dann kann ich das nächste Mal ja vielleicht etwas entspannter darauf reagieren.

Trotzdem ist es gut, an Rollenbildern weiter zu arbeiten. Zu fragen, wie ich auf gute Weise heute Mutter und Vater sein kann. Und, nicht zuletzt, sich zu bedanken, bei den Menschen die Vater und Mutter für mich sind – nicht nur am Muttertag.