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Jena - ein kleines Wirtschaftswunder

3. Oktober 2010

International tätige Konzerne wie Zeiss, Jenoptik und Schott haben ihren Sitz im thüringischen Jena. Und zahlreiche kleinere High-Tech-Firmen und Forschungsinstitute tragen zum Erfolg der ganzen Region bei.

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Laserstrahlen in der Nacht am Jenoptik-Haus in Jena (Foto: dpa)
Jena - Stadt der OptikBild: picture-alliance/ dpa

Jena wächst - nicht nur wirtschaftlich, sondern auch demographisch. Das ist eine Besonderheit in Ostdeutschland. Wenn die Prognosen wahr werden, nimmt die Zahl der heute über 100.000 Einwohner bis zum Jahr 2020 kontinuierlich zu. Zu DDR-Zeiten war Jena das technologische Zentrum der Ost-Industrie. Mikroskope, Steuerchips für russische Atomraketen oder auch Teile für die Raumstation "Mir" waren die Errungenschaften der volkseigenen Mikroelektronik. Und heute? Neben den großen Firmen und Hochschulen sind in Jena zahlreiche pulsierende Forschungsbetriebe entstanden, die ihre Produkte selbst vermarkten.

Randolf Margull, Geschäftsführer des Techologie- und Innovationsparks TIP Jena/Thüringen(Foto: DW Lohmüller)
Randolf Margull, Geschäftsführer des TIPBild: DW

Wenn aus Forschungseinrichtungen Unternehmen werden, dann nennt das Randolf Margull "Ausgründungen". Er ist Geschäftsführer des Technologie- und Innovationsparks in Jena, eine Einrichtung, die den Firmengründern mit Rat und Tat zur Seite steht. Diese "Ausgründungen", so Margull, kämen vornehmlich aus dem universitären Umfeld und der Fachhochschule: "Das sind dann vor allem Ideen und Firmenprofile aus dem Bereich der Medizintechnik, der Präzisionsoptik, der Automatisierung, natürlich auch der Softwaretechnologien, der Bio- und Umwelttechnik und nicht zu vergessen, der Mikrosystemtechnik."

Aus Erfindungen werden Produkte

Technologie- und Innovationspark TIP in Jena (Foto: DW Lohmüller)
Der Technologie- und Innovationspark in JenaBild: DW

Jährlich melden die Wissenschaftler in Jena rund 230 Patente an. Das ist viel für die kleine Stadt, wie ein Vergleich mit dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen zeigt, wo über 17 Millionen Menschen leben: Dort sind es im vergangenen Jahr insgesamt 7400 Patente gewesen. Die Forscher, so Margull, müssten zunächst einmal dafür sensibilisiert werden, dass aus ihren Erfindungen auch ein Produkt und somit ein lukratives Geschäft entstehen könne. Der Technologie- und Innovationspark ist für sie daher die erste Anlaufstelle. Dort werden für die Anfangsjahre beispielsweise Räume zur Verfügung gestellt, die Miete übernommen und wichtige Kontakte geknüpft.

Asphericon ist ein solches Unternehmen. 2001 tat sich Sven Kiontke, der gerade erfolgreich sein Studium als Diplom-Informatiker abgeschlossen hatte, mit Alexander Zschäbitz, einem damals frisch diplomierten Volkswirt, zusammen. Mit zunächst fünf Mitarbeitern machten sie sich ans Werk und entwickelten anspruchsvolle asphärische Linsen. Heute ist die Mannschaft auf 40 Leute angewachsen.

Anspruchsvolle und hochpräzise Linsen

Asphärische Linsen, in einem Ausstellungskasten (Foto: DW)
Mithilfe asphärischer Linsen kann man tief in die Schichten des menschlichen Auges hineinsehenBild: DW

Asphären sind hochpräzise geformte und geschliffene Linsen, die beispielsweise in Fotoapparaten, Kameras, in Mikroskopen oder in der Lasertechnik angewendet werden. Mit einer asphärischen Linse, so Kiontke, sei es möglich, die Rückwand eines menschlichen Auges anzuschauen: "Da gibt es verschiedene Schichten in die Tiefe hinein. Da kann man Bluthochdruck vermuten, wenn man dort draufschaut, da kann man gucken, ob sich die Netzhaut ablöst und so weiter."

Asphericon: Investieren heißt die Devise

Richtig ernst wurde es für das junge Unternehmen 2003, als weitere Maschinen gekauft werden mussten und die Produktion richtig anlief: Für die erste selbst gefertigte Linse, so Alexander Zschäbitz, musste damals über eine Million Euro investiert werden. Inzwischen seien daraus zehn Millionen geworden: "Das ist ein bisschen wie in der Halbleiterindustrie. Man muss im Prinzip alle zwei, drei Jahre seinen Investitionsaufwand verdoppeln." Investiert wird in die Maschinen. Jede sei so teuer wie ein gut ausgestattetes Einfamilienhaus: "Wir packen unsere eigene Technologie auf die Maschinen, zum Teil. Wir kaufen die Hardware, wie bei den Computern, und entwickeln die Software selbst. Das ist unser Kern-Know-how in dem Bereich", sagt Zschäbitz. Rund 250 Unternehmen gehören heute weltweit zu den Kunden von Asphericon.

Polymet: Nano-Zellulose heißt das Zauberwort

Im Technologie- und Innovationspark in Jena befindet sich auch die Firma Polymet. Auch dieser Existenzgründer kommt aus der Wissenschaft und verfügte über wenig unternehmerische Erfahrung. Der Chef heißt Dieter Klemm. Der emeritierte Professor ist Diplomchemiker. Sein Unternehmen Polymet entwickelt ein ganz besonderes "Material", das in einigen Jahren die Marktreife erlangen und als Implantat in der Medizin verwendet werden soll.

Für eine Bypass-Operation müssen beispielsweise Blutgefäße aus den Beinen entnommen werden. Das von Polymet entwickelte "Biomaterial", so Professor Klemm, soll später einen solchen Eingriff überflüssig machen: "Es gibt etwa 4,5 Millionen Herz-Bypass-Operationen pro Jahr weltweit, aber es gibt bis heute kein Implantat. Das ist an sich ein sehr kritischer Zustand für die Versorgung. Das ist natürlich eine riesige Marktlücke und dort käme das Material aus unserer bisherigen Arbeitssicht in Betracht."

Zellulose mit Hilfe von Bakterien herzustellen, so Klemm, sei ein neuer, völlig anderer Weg: "Man bekommt in einer Woche auf seinem eigenen Labortisch Zellulose und kann die Bakterien, die das tun, im starken Maße beeinflussen. Man kann also das Material, das da als Nanozellulose entsteht, auch unterschiedlich in ihren Struktureigenschaften beeinflussen." In fünf bis sechs Jahren soll das Implantat marktreif sein.

Polymet und Asphericon: Zwei Beispiele gelungener Förderpolitik. Denn das Thüringer Wirtschaftsministerium hilft jungen Unternehmen. Davon profitieren auch die Firmen im Technologie- und Innovationspark in Jena. Das Zentrum war eines der ersten seiner Art in der Optikstadt Jena. Es wurde 1993, also drei Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, gegründet.

Autor: Monika Lohmüller

Redaktion: Henrik Böhme