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"Jedes Baby hat 30.000 Euro Schulden"

21. Juli 2011

Beim EU-Sondergipfel wurden weitere Maßnahmen zur Überwindung der Schuldenkrise beschlossen. Der "Bund der Steuerzahler" warnt in einem Interview mit DW-WORLD.DE vor einer exzessiven Schuldenpolitik.

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Portraitfoto von Reiner Holznagel, Bund der Steuerzahler Deutschland e.V., Vizepräsident, Geschäftsführender Vorstand. (Foto: Reiner Holznagel)
Reiner Holznagel, Vizepräsident des "Bundes der Steuerzahler"Bild: Reiner Holznagel

Deutsche Welle: Für wie viel Euro bürgt derzeit die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Griechenland-Hilfe?“

Für das Griechenland-Paket sind es 23,4 Milliarden Euro – das sind Bürgschaften, für die die Bundesrepublik geradestehen muss. Wenn man das runter rechnet, sind es zwar nur 290 Euro pro Kopf, aber das ist ja nur der Anfang. Schon jetzt hat der EU-Rat beschlossen, dass es einen weiteren Rettungsschirm geben wird – dann für Gesamteuropa...

Welchen Umfang hat dieser Rettungsschirm?

...205 Milliarden Euro und das ist ja wirklich eine stattliche Summe.

Wie groß ist der Anteil der Bundesrepublik an dieser Summe?

Wenn man sämtliche Rettungsschirme zusammen rechnet, dann ist der Pro-Kopf-Anteil mittlerweile bei 3.400 Euro. Die Summen werden allmählich gigantisch und bekommen im Verhältnis zur restlichen Staatsverschuldung eine immer größere Bedeutung.

Ist neben der Bereitstellung von Bürgschaften auch schon bares Geld geflossen?

Bargeld ist noch nicht in dem Umfang der Bürgschaften gezahlt worden. Aber immerhin: An Griechenland sind 8,4 Milliarden Euro über die "Kreditanstalt für den Wiederaufbau" (KfW) überwiesen worden. Für diese Summe garantiert natürlich die Bundesrepublik – also letzten Endes der Steuerzahler und deshalb hoffen wir, dass es bei dieser Summe bleibt.

Zu welcher Pro-Kopf-Verschuldung kommen Sie, wenn Sie diese Schulden zu den Schulden addieren, die sich in den letzten Jahren schon aufgetürmt haben?

Wir haben seit Ende der achtziger Jahre eine Schuldenpolitik in Deutschland, die in den neunziger Jahren exzessive Verschuldungen erreicht hat. Wir haben deshalb jetzt einen tatsächlichen Schuldenberg von zwei Billlionen Euro. Wenn man diese zwei Billionen Euro runterrechnet, dann hat jeder Einwohner der Bundesrepublik - vom Baby bis zum Rentner - eine Pro-Kopf-Verschuldung von 24.300 Euro. Das ist eine gigantische Summe, die auf unseren Schultern lastet.

Die durch die Griechenland-Hilfe noch größer wird?

Ja, wenn wir jetzt noch die Bürgschaften und die Verpflichtungen, die wir für Europa eingehen, dazu rechnen, dann kommen wir auf knapp 30.000 Euro pro Kopf. Das ist alarmierend!

Es könnte sein, dass Privatbanken in das Rettungspaket für Griechenland eingebunden werden. Wie hoch schätzen Sie das Risiko, dass diese Banken in Schieflage geraten und mit Steuermitteln refinanziert werden müssen?

Ich glaube, es muss soweit nicht kommen. Der Bund der Steuerzahler hat ja sehr frühzeitig gefordert, dass die privaten Gläubiger an den Rettungsmaßnahmen beteiligt werden. Jetzt muss ein Weg gefunden werden, wie das realisiert wird und wie der privatwirtschaftliche Markt damit zurecht kommt.

Aber es geht um sehr viel Geld…

Ja, aber es gibt auch sehr viele Banken, die sehr potent sind, die die Verluste durchaus wegstecken können. Wir haben allerdings zweifellos ein Problem bei den griechischen Banken. Hier muss der Finanzmarkt auch selber auf Ideen kommen, wie man das Problem lösen kann.

Welche Ergebnisse erwarten Sie beim Euro-Krisengipfel?

Eines ist jedenfalls sicher: Es kann nicht die ganze Last auf die europäischen - und insbesondere nicht auf die deutschen - Steuerzahler geschoben werden. Der private Sektor, der an der Griechenland-Krise sehr stark mitverdient hat, muss jetzt auch einen Beitrag dazu leisten, dass die Krise überwunden wird.

Reiner Holznagel ist Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des "Bundes der Steuerzahler".

Das Interview führte Matthias von Hellfeld
Redaktion: Arne Lichtenberg