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"Jede Mauer ist überwindbar!"

Dai Ying24. April 2013

Vor einem Jahr flüchtete Chen Guangcheng in die US-Botschaft in Peking. Chen, der im amerikanischen Exil lebt, besucht nun Deutschland. Pflichtprogramm: die Berliner Mauer.

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Chen Guangcheng in Berlin (Foto: DW)
Chen Guangcheng in BerlinBild: DW/Su Yutong

Das Leben hinter einer Mauer kennt Chen Guangcheng aus eigener Erfahrung. Vier Jahre Gefängnis und drei Jahre Hausarrest musste Chen verbüßen, weil er sich unermüdlich für die Opfer von Zwangsabtreibungen und Landenteignung einsetzte. 

Für die einheimischen Behörden der ostchinesischen Provinz Shandong ist der blinde Laienjurist ein Dorn im Auge, für den Rest der Welt eine respektierte Persönlichkeit. Das US-Magazin "Times" kürte ihn 2006 zum einen der "100 einflussreichsten Menschen der Welt". Aufgrund seiner Verfolgung floh er im April 2012 in die US-Botschaft in Peking.  Nach zähen diplomatischen Verhandlungen konnte er in die USA ausreisen. Dort lebt er jetzt mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern.

Ein Jahr nach seiner spektakulären Flucht  ist der 42-Jährige jetzt zu Besuch in Berlin. Für ihn ist es der erste Deutschlandbesuch. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Markus Löning hatte ihn eingeladen. Auf seinem Programm steht neben vielen Gesprächen zuerst das Brandenburger Tor. Chen misst der beliebtesten Sehenswürdigkeit in der Bundeshauptstadt große Symbolkraft bei. Er überquert mehrmals die Markierung, wo einst die Berliner Mauer stand, und gedenkt der Opfer der Kalten Kriege. "Jede Mauer, die gegen den Willen der Menschen errichtet wurde, kann nicht lange existieren", sagt Chen der Deutschen Welle, "denn das Verlangen der Menschen nach Freiheit kann keine Diktatur auf Dauer unterdrücken." Auch Chen musste bei seiner Flucht 2012 über eine meterhohe Mauer klettern. Dabei hatte er sich leicht verletzt.

Am 19. Mai 2012 erreichte Chen nach der spektakulären Flucht endlich New York. (Foto: REUTERS/Keith Bedford)
Am 19. Mai 2012 erreichte Chen nach der spektakulären Flucht endlich New YorkBild: Reuters

Die Mauer im chinesischen Internet

Die Berliner Mauer ist für Deutschland bereits Geschichte. Freiheit und Demokratie seien eine Selbstverständlichkeit für Deutschland geworden, glaubt Chen. Gleichzeitig sorgt er sich um seine Landsleute.   "Es gibt viele sichtbare und unsichtbare 'Berliner Mauern' in China", sagt Chen in Anspielung auf die Great Firewall, mit der der Staat die freie Meinungsäußerung im chinesischen Internet zensiert und ausländische Nachrichtenanbieter wie die Deutsche Welle sperrt.

Aber Chen ist sich sicher, dass auch diese Mauern in China bald zusammenbrechen werden. "Die Zeiten, in denen die Machthaber alles kontrollieren und das Volk zum Schweigen zwingen können, sind vorbei. Die gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen sind unaufhaltsam." Die Tatsache, dass viele Parteifunktionäre ihre Kinder ins Ausland schicken, zeige den Zweifel am eigenen kommunistischen System, fuhr Chen weiter fort.

Menschenrechte im Fokus

Bei seinem viertägigen Besuch in Berlin trifft Chen mit vielen deutschen Politikern zusammen. Bei allen diesen Gesprächen steht die Menschenrechtssituation in China im Mittelpunkt. Chen will aus seinem amerikanischen Exil auch seinen Beitrag leisten: "Ich bin geflohen, um der Welt über das wahre China zu erzählen." Er warnt ausdrücklich davor, aus wirtschaftlichen Interessen die Menschenrechtslage in China zu vernachlässigen. Denn mit einer Diktatur sei auf lange Sicht kein Profit zu erzielen. Er appelliert an die deutsche Bundesregierung, die Entwicklung der Menschenrechtssituation weiterhin kritisch zu begleiten. "Nur Chinesen können ihr Land verändern, dabei ist die moralische Unterstützung des Westens unverzichtbar."

DW-Reporter Dai Ying begleitet Chen durch das Brandenburger Tor in Berlin. (Foto: DW)
DW-Reporter Dai Ying begleitet Chen durch das Brandenburger Tor in BerlinBild: DW/Su Yutong