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Japans Post-Problem

9. September 2005

Japans Ministerpräsident Koizumi hat sein politisches Schicksal an die Privatisierung der Post geknüpft. Die stellt nicht nur Briefe und Pakete zu, sondern bietet auch konkurrenzlos günstig Finanzdienstleistungen an.

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Die Post verkauft nicht nur BriefmarkenBild: Japanpost


In Koshigaya, unweit von Tokio, gibt es ein innovatives Briefverteilzentrum: Vom Autohersteller Toyota haben die Angestellten gelernt, wie man Arbeitsabläufe sinnvoll strukturiert, sich die Zeit einteilt und die einzelnen Handgriffe des Briefsortierens möglichst effektiv aneinanderreiht. Das soll die Postler fit machen für die Privatisierung, die Koizumi so gerne durchsetzen würde. Aber noch ist die japanische Post ein staatliches Unternehmen, das heißt: langsam, bürokratisch und ohne Konkurrenz.

Japanische Briefmarken
Japanische BriefmarkenBild: Japanpost

Keine klassische Post

Japan hat ungefähr 25.000 Postämter, allerdings sind Briefe, Porto und Päckchen bei weitem nicht das Hauptgeschäft des Unternehmens: Die Post bietet auch Sparkonten und Lebensversicherungen an - mit Anlagebeständen von mehr als 380 Billionen Yen (knapp 3 Billionen Euro). Damit ist die japanische Post der mit Abstand größte Finanzdienstleister der Welt. Allein 30 Prozent aller privaten Spareinlagen Japans liegen bei der Post, in der Summe mehr als 260 Billionen Yen (knapp 2 Billionen Euro). Der Anbieter von Lebensversicherungen innerhalb der Post, Kampo, verwaltet rund 125 Billionen Yen (1 Billion Euro) Einlagen. Das sind 40 Prozent aller in Japan abgeschlossenen Verträge.

Die Post müsste auch nach der Privatisierung weiterhin so gut wie keine Steuern entrichten und auch kaum Gelder für staatliche Rücklagen abführen. Im Zuge der Privatisierung würde eine riesige Geldmenge, die bis dato von staatlicher Hand kontrolliert und geführt wurde, auf den privaten Finanzmarkt strömen. Und damit das Wettbewerbsgefüge unter den Privatbanken durcheinanderwirbeln.

Japanische Briefmarken
Japanische BriefmarkenBild: Japanpost

Wettbewerbsverzerrung

Die Privatbanken befürchten, dass ihr potenzieller neuer Konkurrent - ohne Erfahrung auf dem freien Geldmarkt, aber mit einem sehr viel dichteren Filialnetz als die Mitbewerber - für einige das Aus bedeuten könnte. Die Banken graust es bei dem Gedanken daran, dass die Post in Zukunft vielleicht auch Hypotheken und Pfandbriefe anbieten könnte: zu Konditionen, die vermutlich kaum wettbewerbsfähig sein würden.

Die privaten Lebensversicherer haben sich bis jetzt noch nicht von der Wettbewerbsverzerrung der 1980er Jahre erholt: Damals hatte die Post, die sich um Rentabilität und Profit nicht kümmern musste, die Renditen ihrer Verträge erhöht. Die Privaten zogen nach - und konnten nicht Schritt halten. Sechs Versicherungsunternehmen gingen Pleite, die anderen halten sich mehr schlecht als recht.

Japanische Briefmarken
Japanische BriefmarkenBild: Japanpost

Postler sind verlässliche Wähler

Ministerpräsident Junichiro Koizumi will den Post-Koloss in vier selbstständige Einheiten aufteilen: Zustellung, Schalterdienste, Spareinlagen und Lebensversicherungen. Die beiden letztgenannten Bereiche sollen bis März 2017 vollständig privatisiert werden. Ein Unsicherheitsfaktor sind die 400.000 Mitarbeiter der Post: Ohne Personalabbau, insbesondere in den ländlichen Gebieten, lässt sich die Reform kaum bewerkstelligen. Die Postler zu vergraulen, kann sich Koizumi aber nicht leisten, denn sie zählen zu den treuesten Wählern seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP). Außerdem ist die Post ein zuverlässiger Geldgeber für staatliche Projekte, zum Beispiel im Bausektor. (arn)