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Jan-Philipp Albrecht: "Warnsignal auch für Deutschland"

Sabrina Pabst13. November 2013

Rechte Politiker wollen als neue Anti-Europa-Allianz ins EU-Parlament. Doch auch unter konservativen Politikern grassiere der Populismus, sagt der grüne Europa-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht im DW-Interview.

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Jan Philipp Albrecht, grüner Abgeordneter im Europäischen Parlament (Foto: Horst Galuschka)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Die Front National mit der Parteichefin Marine Le Pen hat antisemitische und rechtsradikale Wurzeln. Aber sie grenzt sich von faschistischen Parteien wie die "Goldene Morgenröte" aus Griechenland oder die ungarische "Jobbik" ab. Die niederländische Partei der Freiheit um Geert Wilders ist offen islamfeindlich, aber pro-israelisch. Geert Wilders hat Gespräche mit dem belgischen Fraktionschef der "Vlaams Belang" Filip Dewinter, dem österreichischen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Vertretern der rechtspopulistischen Schwedendemokraten geführt. Ihre anti-europäische Haltung ist ihr kleinster gemeinsamer Nenner. Ist es nicht ein Widerspruch, wenn sie den Euro abschaffen und aus der Europäischen Union austreten wollen, auf der anderen Seite aber zusammenarbeiten und Europa verändern wollen?

Jan Philipp Albrecht: Gerade in der Vergangenheit hat es lange gedauert, bis sich rechtsextreme oder rechtsradikale Anti-Globalisten europaweit vernetzen. Sowohl die Front National von Marine Le Pen, als auch die Partei der Freiheit von Geert Wilders fahren einen klaren Kurs gegen die Zusammenarbeit mit anderen Staaten. Trotzdem wollen sie auch in anderen Ländern Zustimmung für ihren anti-europäischen Kurs bekommen. Mittlerweile schließen sie sich in pragmatischen Zweckgemeinschaften zusammen. Sie wissen, dass sie kaum Chancen haben, auf die Entscheidungen in Brüssel oder Straßburg Einfluss zu nehmen.

Vertreter rechter Parteien sitzen als Fraktionslose im EU-Parlament. Um eine Fraktion zu bilden, müssten sich mindestens 25 Abgeordnete aus sieben EU-Ländern finden. Das gelang europäischen rechtspopulistischen Parteien bislang nicht. Glauben Sie, Geert Wilders und Marine Le Pen werden diese Hürde nehmen?

Ich glaube, dass gerade der politisch erfahrene Geert Wilders und Marine Le Pen mittlerweile viel strategischer an ihre Politik herangehen, als es frühere Bündnisse auf europäischer Ebene gemacht haben. Der erste Versuch einer rechtsextremen Fraktion im EU-Parlament im Jahr 2007 unter der Führung von Alessandra Mussolini, der Enkelin des Diktators Mussolini, scheiterte, weil Alessandra Mussolini gegen ihre eigenen Fraktionsmitglieder aus Rumänien und Bulgarien gehetzt hat. Solche Patzer werden sich diese Parteien jetzt nicht erlauben. Umso wichtiger wird es sein, ihre Überzeugungen deutlich zu machen. Das soll die Broschüre "Europa Rechtsaußen" leisten, die wir zusammengestellt haben. Dort entlarven Zitate und auch ihre Tätigkeiten einiger Politiker des Europäischen Parlaments.

Auch konservative Politiker bedienen sich populistischer Äußerungen und hetzen beispielsweise gegen eine - wie sie sagen - Armutszuwanderung. Wie durchlässig sind konservative Parteien?

Offensichtlich leider sehr. In Europa zeigen viele Beispiele, wie konservative Parteien versagt haben, sich von diesem Populismus abzugrenzen. Eine Partei der Freiheit von Geert Wilders ist deswegen allein so stark geworden, weil die Konservativen in den Niederlanden mit ihnen zusammen regierten. Auch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unter einem Heinz-Christian Strache konnte nur deswegen so stark werden, weil die konservative Mitte sich auf den rechten Rand eingelassen hat. Eine ähnliche Entwicklung gibt es jetzt in Frankreich. Eine sehr ausländerfeindliche Politik von einem Sarkozy förderte eine Front National.
In Großbritannien ist die Anti-EU-Politik Camerons von der United Kingdom Independence Party (UKIP) getrieben, die offen gegen jegliche europäische Einigung hetzt. Die Wähler halten die rechte Partei, das Original, für glaubwürdiger, weil die bisher noch nicht an der Regierung beteiligt waren. Die Folge dieser Entwicklung führt dazu, dass im kommenden europäischen Parlament bis zu einem Viertel der Abgeordneten diesen populistischen Parteien angehören könnten.

Wie groß ist die Gefahr, dass weitere Länder einen Rechtsruck erfahren könnten, zum Beispiel Deutschland?

In Deutschland hat es diese Entwicklung glücklicherweise noch nicht gegeben, auch nicht in Spanien oder Portugal, weil diese Länder sehr intensive Erfahrungen mit faschistischen Diktaturen gemacht haben. Die Aufmerksamkeit dafür, dass man den Anfängen einer solchen Entwicklung früh etwas entgegensetzen muss, ist natürlich hier noch viel größer.
Trotzdem sehen wir, dass es sich schnell ändern kann - zum Beispiel in Griechenland. Hier hat die goldene Morgenröte mittlerweile zweistellige Ergebnisse. Viele Bürger sind von den großen demokratischen Parteien enttäuscht. Sie sind empfänglich für solche faschistischen, rechtsextremen und ideologischen Programme und Politiker. Und auch in Finnland, Schweden oder in Dänemark, wo man ja normalerweise auch gemäßigte Politiker erwarten würde, grassiert der Populismus. Der wird auch vor Deutschland nicht Halt machen. Die Entwicklung der AfD ist dafür das deutlichste Warnsignal, das man in Deutschland bekommen kann.

Jan Philipp Albrecht ist Abgeordneter der Grünen im Europäischen Parlament. Der Europa- und Völkerrechtler veröffentlichte die Broschüre "Europa Rechtsaußen". Sie entlarvt mehrere EU-Politiker rechtspopulistischer Parteien, die den Holocaust leugnen oder klar antisemitisch oder rassistisch sind.