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Ja, der Rechtsstaat ist gerüstet

19. November 2010
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Themenbild Pro und Contra (Grafik: DW)
Bild: DW

Absperrgitter um den Bundestag, schwer bewaffnete Polizei auf Bahnhöfen und Flughäfen, in Bayern ruft ein Imam potenzielle islamische Gewalttäter zur Umkehr auf, Schausteller auf Weihnachtsmärkten zeigen sich ein kleines bisschen beunruhigt. Kommentatoren warnen mit besorgten Mienen vor Hysterie, der Boulevard schürt eben diese - und die Polizeigewerkschaft beklagt wieder einmal eine massive Überlastung der Beamten: Deutschland nach dem Terroralarm.

Cornelia Rabitz, Deutsches Programm Kultur (Foto: DW)
Cornelia Rabitz, Deutsches Programm KulturBild: DW

Die politische Debatte folgt unterdessen eingespielten Ritualen: Zuerst eine höchst nebulöse Warnung. Dann wird die ohnehin nicht sonderlich beunruhigte Bevölkerung um Ruhe gebeten. Ein Innensenator fordert die Bürger dazu auf, auf herrenlose Taschen und seltsames Verhalten arabisch sprechender Nachbarn zu achten.

Auch heißt es: Jetzt müssen neue Maßnahmen und Sicherheitsgesetze her oder mindestens alte wiederbelebt werden. Nun gelte es, unbedingt und sofort, etwas Grundsätzliches zu tun: Sanktion, Prävention, Repression - möglichst viel also aus dem Katalog von Strafrecht, Polizeigewalt und Anti-Terror-Gesetzgebung.

Doch es nützt nichts, ein Sicherheitspaket nach dem anderen zu schnüren, Grundrechte und Datenschutz weiter zu durchlöchern. Der Rechtsstaat ist längst gerüstet. Er zeigt seine Stärke vor allem, indem er einen kühlen Kopf bewahrt und auch in Zeiten terroristischer - oder anderer - Bedrohungen zu seinen eigenen Prinzipien steht.

Gesetzgeberischer Aktionismus gaukelt ja nur vor, dass die Bürger tatsächlich vor terroristischen Anschlägen bewahrt werden können. Auch die jetzt von manchen wieder gepriesene - vom Bundesverfassungsgericht allerdings verworfene - Vorratsdatenspeicherung ist kein Wundermittel. Das Speichern von Kommunikation kann durch moderne Technik umgangen werden. Terroristen wissen das.

Der Rechtsstaat muss selbstverständlich wachsam bleiben, verstärkte Polizeipräsenz kann ein Signal dafür sein. Er muss aber auch Raum für Überlegungen lassen, wie man Terrorismus politisch bekämpfen, wie man an die Wurzeln dieses internationalen Übels gelangen kann. Eine demokratische Gesellschaft, die ihre eigenen Grundlagen zerstört, hat die Freiheit der terroristischen Bedrohung geopfert.

Viele Fragen bleiben unterdessen unbeantwortet. Aus welchen Quellen stammen die Hinweise? Was davon ist glaubwürdig, was übertrieben und womöglich aus innenpolitischen Gründen instrumentalisiert? Droht die Gefahr heute oder morgen oder vielleicht jetzt gerade doch nicht? Da bleibt dem einzelnen Bürger nur eines: Aufpassen, ruhig bleiben und die Unkenrufe einfach überhören.

Autorin: Cornelia Rabitz
Redaktion: Kay-Alexander Scholz