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Jürgen Udolph: Professor Udolphs Buch der Namen

Wim Abbink15. Dezember 2005

Namen sind die Passion von Jürgen Udolph. Was sich hinter prominenten oder delikaten Namen verbirgt, verrät der bekannteste Namensforscher Deutschlands in einem amüsanten Standardwerk.

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Es gibt eine Welt, in der ist Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit ein Eichhörnchen und der CSU-Politiker Edmund Stoiber verwandt mit der Sängerin Barbra Streisand. Das Top-Model Heidi Klum ist dort bettelarm und es ist ganz normal, Erbrochenes am Körper zu tragen. Dies ist die Welt des Leipziger Wissenschaftlers Jürgen Udolph, Deutschlands einzigem Professor für Namensforschung - oder Onomastik, wie es in der Fachsprache heißt.

Buchcover: Jürgen Udolph, Sebastian Fitzek - Professor Udolphs Buch der Namen

Für Udolph ist das, was zunächst absonderlich klingt, ganz normal. Seit Jahren erforscht er die Herkunft unserer Namen und stößt dabei auf abenteuerliche Herleitungen. Einen Einblick in die Welt der Onomastik bietet der Forscher in "Professor Udolphs Buch der Namen. Woher sie kommen - was sie bedeuten". In ihm untersucht er Namen "namhafter" Deutscher und bietet eine Anleitung, wie jedermann seinen eigenen Namen selbst entschlüsseln kann.

Sprache als Perpetuum mobile

Auf 320 Seiten reist Udolph auf der Suche nach den Namenswurzeln in die Vergangenheit der deutschen Sprache zurück. Sind Namen doch nichts anderes als Wörter, die mittlerweile ausgestorben sind - oder die sich radikal änderten. "Die Sprache ist ein Perpetuum mobile - immer in Bewegung, sie verändert sich ständig", schreibt Udolph. Namen ändern sich dagegen so gut wie gar nicht - auch wegen unserer strengen standesamtlichen Vorschriften.

So ist das "Buch der Namen" fast ein Krimi: Wie ein Detektiv auf Spurensuche ermittelt Udolph die Bedeutung hunderter Namen. Er zeigt, welche Schritte nötig sind, um den Namen Wowereit mit Eichhörnchen zu übersetzen, was sinnbildlich flinker Mensch meinen könnte oder Vorratssammler. Oder um Erbrochenes als einen Umhang aus Wolle zu identifizieren, den Ursprung für Streusand und Stoiber als eine fast identische Berufsbezeichnung (Gehilfe des Müllers) und den Namen Klum als das, was er eigentlich meint - nämlich finanziell klamm, also knapp bei Kasse.

Umtriebiger Beckenbauer

Schnell wird deutlich, dass die Namenswelt voller Irrwege ist. Schmerzlich muss der Leser erfahren, dass der als Perfektionist geltende Musiker Amadeus Mozart laut seinem Nachnamen ein schlampig arbeitender Mensch ist. Aus dem wohlklingenden Ludwig van Beethoven wird in dem Buch gar der Ludwig vom Rübenfeld. Ein Musiker von zweifelhafter Reputation ist dagegen einem Heiligen nahe: Jürgen Drews hat seinen Nachnamen von Jesus' Apostel Andreas.

Falsch ist auch die Annahme, Franz Beckenbauer könnte im Sanitärbereich tätig sein. Stattdessen waren schon seine Vorfahren so umtriebig wie er - arbeiteten laut Udolph gleichzeitig als Bäcker und Bauern. In einen Rausch hat die Familie Porsche die Menschen offenbar nicht immer mit Autos versetzt - kommt der Name doch von einem Drogen-Gewächs.

Witziger Lesestoff

Erleichternd könnte Udolphs Lektüre für Menschen sein, die das Gefühl haben, mit ihren Namen weniger Glück gehabt zu haben. So ist ein Herr Schmutzler nicht schmutzig, sondern er schmunzelt viel und Frau Möse trägt nicht den despektierlichen Namen ihres Geschlechtsorgans, sondern ist namensverwandt mit Moses. Die Vorfahren von Herrn Ficker waren einfach nur unruhige Menschen, schreibt der Wissenschaftler. Anders steht es jedoch mit dem Namen Rauschhardt, denn dessen Ahnen wurden wohl in einem Gebüsch gezeugt. Und Wackernagel wurde genannt, wer damals mit seinem "Nagel" besonders aktiv war, also häufig Sex hatte.

Für solche Herleitungen setzt Udolph unter anderem auf Internetdatenbanken, Computerprogramme, Landkarten und alte Wörterbücher. Eines seiner wichtigsten Werkzeuge ist kurioserweise auch das Telefonbuch, von dem Professor wertschätzend als Friedhof der Sprache bezeichnet. Mit all diese Hilfsmitteln hat er ein Buch geschrieben, das eine Menge interessanten und witzigen Lesestoff bietet und zur eigenen Namensforschung einlädt.

Jürgen Udolph
Professor Udolphs Buch der Namen
Bertelsmann, 2005
ISBN 3-570-00879-7
EUR 18,00