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IWF: Mehr Steuern gegen Ungleichheit

11. Oktober 2017

In vielen Ländern wird die Kluft zwischen Reich und Arm größer, so der Internationale Währungsfonds in einem neuen Bericht. Wie lässt sich das ändern?

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Armut in Deutschland
Bild: picture alliance/dpa/A. Burgi

In einem Bericht namens "Fiscal Monitor" untersucht der Internationale Währungsfonds (IWF) regelmäßig, wie Staaten durch Steuern und Ausgaben grundlegende Probleme angehen können. In der Vergangenheit ging es dabei um Themen wie die Verschuldung oder nachhaltiges Wachstum. Die aktuelle Ausgabe ("Tackling Inequality"), die am Dienstag im Vorfeld der Herbsttagung von IWF und Weltbank in Washington vorgestellt wurde, steht ganz im Zeichen der Ungleichheit.

Gemeint sind die ungleiche Verteilung von Wohlstand und Einkommen, aber auch Unterschiede beim Zugang zu Bildung und dem Gesundheitssystem. Dem Bericht zufolge gibt es sowohl gute als auch schlechte Nachrichten.

Gut und schlecht

Die gute Nachricht zuerst: Global gesehen, also ohne Berücksichtigung von Ländergrenzen, hat die Ungleichheit in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen. Das liegt vor allem an der starken wirtschaftlichen Entwicklung in großen Schwellenländern wie China und Indien.

Wanderarbeiter in China
In Schwellenländern wie China sind durch den Wirtschafsboom viele Arbeitsplätze entstanden, auch für ungelernte ArbeiterBild: picture alliance/dpa

Die schlechte Nachricht: In den meisten Industrieländern hat die Ungleichheit dagegen zugenommen. Die IWF-Forscher führen das auf die globale Arbeitsteilung, vor allem aber auf den technologischen Wandel zurück. In der neuen High-Tech-Welt haben Menschen ohne gute Ausbildung und mit geringen Qualifikationen wenig Chancen.

Zweifel an der Globalisierung

"Die gestiegene Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen hat zu Politikverdrossenheit geführt und auch zu wachsender Skepsis gegenüber den Vorteilen der Globalisierung", so IWF-Chefvolkswirt Maurice Obstfeld. "Das wiederum gefährdet die wirtschaftliche Erholung", sagte er in Anspielung auf die Renaissance nationalistischer Politik - von Trump in den USA bis zum Brexit Großbritanniens.

Allerdings ist die Kluft zwischen Reich und Arm nicht in allen Ländern größer geworden. "In fast der Hälfte der Länder, über die Daten vorliegen, ist die Ungleichheit zurückgegangen", heißt es im Bericht. "Brasilien und andere lateinamerikansche Länder, die traditionell ein hohes Maß an Ungleichheit hatten, haben hier in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht", sagte IWF-Ökonom Vitor Gaspar.

Nun liegt es in der Natur solch globaler Untersuchungen, dass die Erkenntnisse schwer zu vergleichen sind. So sind die Unterschiede zwischen einem armen und einem reichen Menschen in Indien krasser als in Deutschlandund aderen Ländern Europas.

Indien Hitze Slum Bewohner in Neu Delhi
Gemeinschaftsdusche in einem Slum in der indischen Hauptstadt Neu DehliBild: picture-alliance/AP Photo/S. Das

Höhere Steuern und ein soziales Sicherungssystem sorgen in Deutschland und vielen anderen Industrieländern dafür, dass die größten Härten durch Umverteilung abgefedert werden. Laut IWF wird die Ungleichheit so um rund ein Drittel reduziert.

Höhere Spitzensteuersätze

Und doch könnte auch in den Industrieländern mehr getan werden, um die zunehmenden Unterschiede zwischen Reich und Arm zu verringern. So stellen die Autoren der Studie fest, dass höhere Einkommen in vielen Ländern heute geringer besteuert werden als früher. Meist wurde das damit begründet, dass hohe Steuern das Wirtschaftswachstum gefährden. So argumentiert auch US-Präsident Trump, wenn er über seine geplante Steuerreform spricht.

Empirisch sei das Argument aber nicht zu halten, so der IWF. Viele Industrieländer hätten durchaus noch Spielraum, "ihre oberen Steuersätze zu erhöhen, ohne ihr Wachstum zu gefährden".

Ärmere Länder wiederum sollten die Möglichkeiten der Einkommenssteuer besser zu nutzen und außerdem Treibstoff, Alkohol, Tabak und Luxusgüter stärker besteuern, um ihre Haushaltslage zu verbessern.

Zu überlegen sei auch eine stärkere Besteuerung von Vermögen. "Die Ungleichheit bei Vermögen hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen", heißt es im Bericht. In den USA besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung fast dreiviertel aller Vermögenswerte. China erreichen die reichsten zehn Prozent inzwischen ähnliche Werte.

USA Bettler in New York - Geld her oder ich wähle Trump
Obdachloser in New York im Sommer 2016. Auf dem Schild steht: "Gebt mir eine Dollar oder ich wähle Trump".Bild: picture-alliance/dpa/C. Horsten

Da überrascht es nicht, dass Kapitaleinkünfte ebenfalls ungleich verteilt sind. "In den vergangenen Jahrzehnten hat ihr Anteil an den gesamten Einkünften zugenommen, doch sie werden (zunehmend) niedriger besteuert als Einkünfte aus Arbeit", so die IWF-Forscher. Steuern auf Grund- und Immobilienbesitz würden von Staaten "zu wenig genutzt", und grundsätzlich sollten sich viele Länder stärker bemühen, die Steuerflucht zu bekämpfen.

Bildung und Gesundheit

Durch verstärkte Investitionen in Bildung und Gesundheit könnten Regierungen zumindest mittelfristig die Ungleichheit verringern. Hier bleibt "in allen Entwicklungsländern" noch sehr viel zu tun. Und selbst in den reichen Ländern leben Menschen mit Universitätsabschluss im Schnitt zwischen vier und 14 Jahren länger als solche, die nur oder nicht einmal einen Schulabschluss haben.

Der IWF-Report widmet sich auch dem "bedingungslosen Grundeinkommen", einem Konzept, dass in letzter Zeit viel diskutiert wird. Der Staat zahlt jedem Bürger, unabhängig von dessen Einkommen, eine monatliche Zahlung, die andere Sozial- und Transferleistungen ersetzt.

Für einige Entwicklungsländer könnte das eine Möglichkeit sein, ein soziales Sicherungssystem auf- oder auszubauen, glauben die Autoren. Zur Gegenfinanzierung empfehlen sie den Abbau von marktverzerrenden Subventionen für Essen und Treibstoff.

Für reiche Länder mit gut funktionierenden Sozialsystemen sei das bedingungslose Grundeinkommen dagegen keine gute Idee. Dort würde es dazu führen, das einkommensschwache Haushalte deutlich weniger Leistungen erhielten als jetzt, heißt es in dem Bericht.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.