Italien gewinnt EM-Auftakt gegen Türkei
11. Juni 2021Es gab sicherlich Abende in der Torwart-Karriere des Gianluigi Donnarumma, an denen er mehr zu tun hatte als bei diesem Auftaktspiel zur EURO 2020 gegen die Türkei. Italien gewann vor 16.000 Fans im Olympiastadion von Rom durch ein Eigentor des türkischen Verteidigers Merih Demiral (53. Minute), einen Abstauber des Torjägers Ciro Immobile (66.) und einen weiteren Treffer von Lorenzo Insigne (79.) verdient mit 3:0 (0:0). "In diesem Stadion zu spielen, das ist Adrenalin pur", freute sich der Ex-Dortmunder Immobile. "Wir haben für unsere Fans gewonnen, es war ein tolles Spiel. Wir sind super glücklich, dass wir so gestartet sind."
Glücklich war auch Donnarumma, obwohl er wenig zu tun hatte und kaum einen Ball auf sein Tor bekam. Er war aber - wenn er musste - auf dem Posten, so auch nach 52 Spielminuten, als er mit einer seiner wenigen Paraden den Führungstreffer für Italien einleitete. Cendiz Ünler war durchgebrochen und feuerte aus halblinker Position einen Flachschuss ab. Der Ball wurde noch abgefälscht, Donnarumma tauchte ab und hielt den Ball. Im direkten Gegenzug fiel das Führungstor für die Squadra Azzurra.
Roberto Mancinis "neues Italien"
Gianluigi Donnarumma ist seit dreieinhalb Jahren Italiens Nummer eins im Tor. Das letzte Länderspiel, das er als Ersatztorhüter von der Bank erlebte, war eines der schlimmsten in der Historie des italienischen Fußballs: 14. November 2017, WM-Qualifikation, Playoff-Rückspiel gegen Schweden: Italien spielte nur 0:0, verpasste die WM in Russland und war erstmals seit 60 Jahren nicht bei einer WM dabei. Gianluigi Buffon, Donnarummas Vorgänger im Kasten der Squadra Azzurra, erklärte nach der Schmach seinen Rücktritt - und machte so den Weg frei für Donnarumma.
Es war gleichzeitig aber auch so etwas wie der Startschuss zum "neuen Italien", das sich nun bei der EURO so eindrucksvoll präsentierte - und Donnarumma ist eine der Schlüsselfiguren. Nach der verpassten WM wurde (fast) alles auf links gedreht: neuer Verbandschef, neuer Trainer, neues Selbstverständnis. Der Coach heißt Roberto Mancini, gewann einst mit Inter Mailand und Manchester City Meisterschaften und impfte auch der italienischen Nationalelf neues Selbstbewusstsein ein.
27 Mal in Serie hatte Italien unter ihm vor der EM nicht mehr verloren, der Sieg gegen die Türkei war das 28. ungeschlagene Spiel. Typisch für den Mancini-Stil: dass es - wie so oft - zu null gewonnen wurde. Schließlich ist die gute Defensive mit den beiden Innenverteidigern Leonardo Bonucci und Giorgio Cheillini, das Herzstück des italienischen Spiels. Dahinter steht mit Donnarumma ein Schlussmann, der kaum Tore zulässt. Sieben Mal in Folge ist der Keeper zuletzt ohne Gegentor geblieben ist. Insgesamt behielt er in seinen nun 27 Länderspielen 16 Mal die weiße Weste. Der Hüne hat trotz seiner erst 22 Jahre die beruhigende Ausstrahlung eines Alten. Er beherrscht seinen Strafraum bei hohen Bällen, zeigt aber auch im Eins-gegen-eins oder bei abgefälschten Schüssen hervorragende Reflexe. Und nicht selten übernimmt er die Rolle des Liberos und treibt mit langen Bällen den Spielaufbau von hinten an.
Endlich Titel sammeln mit Paris?
Vielen gilt Donnarumma nach Manuel Neuer als bester Torhüter der Welt. Eine Qualität, die sich bislang allerdings noch nicht in einer langen Titelliste niederschlägt. 2016 gewann er mit Milan den italienischen Supercup - mehr noch nicht. Wenn es nach Donnarumma geht, soll in vier Wochen der EM-Titel hinzukommen. Danach zieht es ihn zu neuen Ufern. Lange Zeit war er dem AC Mailand treu und hat mehr als einmal lukrative Angebote, zum Beispiel von Italiens Serienmeister Juventus Turin, ausgeschlagen.
In diesem Sommer kann Donnarumma wechseln und wird wohl zu Paris St. Germain gehen. Sein Berater hatte interessierten Klubs hohe Gehaltsforderungen gestellt, PSG ist offenbar bereit, die angedachten zwölf Millionen Euro im Jahr zu zahlen. Die Fans in Mailand sind traurig oder wütend, dass Donnarumma geht, auch seine Mitspieler bedauern den Abgang: "Er stammt aus der eigenen Jugendabteilung, er könnte die nächsten 20 Jahre der Torwart Mailands sein", sagte Zlatan Ibrahimovic im Interview mit der "Gazzetta dello Sport". "Er hätte Mr. Milan werden können, wie Paolo Maldini."
Der heutige Technische Direktor Milans spielte seine gesamte Profikarriere nur für die Rot-Schwarzen. Das wird Donnarumma nun nicht tun. Aber vielleicht macht er es wie Ibrahimovic. Der spielte von 2010 bis 2012 beim AC Mailand. Als 38-Jähriger kehrte er zurück und wird dort wohl bis zu seinem Karriereende bleiben.