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Ist Ungarn für den Euro reif?

28. Oktober 2004

– Europäische Zentralbank erteilt schlechte Noten

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Budapest, 28.10.2004, PESTER LLOYD, deutsch

Ungarn wird keinem einzigen der Kriterien gerecht, die für die Einführung des Euro erfüllt werden müssten. Im Konvergenzbericht der Europäischen Zentralbank erhält das Land – noch deutlich hinter Polen – die schlechteste Beurteilung unter elf Euro-Anwärtern.

Wenn der Euro 2007 kommt, dann möglicherweise im gesamten Baltikum, in Slowenien und vielleicht sogar in der Slowakei. (Im Falle Schwedens ist das wohl nur eine Frage des politischen Willens.) Nach dem optimistischen Drehbuch wird Ungarn dann bereits an drei Länder der Euro-Zone grenzen. Im Falle der drei "Großen" (also Tschechiens, Polens und Ungarns) unter den zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten aber wird selbst das Zieldatum 2009/10 skeptisch betrachtet. Das sind die wichtigsten Einschätzungen des sogenannten Konvergenzberichts, in dem die Europäische Zentralbank (ECB) in Frankfurt die Euro-Reife der Beitrittsländer unter die Lupe nimmt. Das Ergebnis ist für Ungarn – wie allerhand Untersuchungen der jüngsten Zeit – wenig schmeichelhaft.

Fünf Kriterien gilt es zu erfüllen auf dem Weg zum Euro, wobei sich die zweijährige verbindliche Teilnahme am Wechselkursmechanismus ERM-II aus den vier anderen ableitet, die da wären: Inflationsrate, langfristige Zinsen, Budgetdefizit und Bruttoverschuldung. Die ECB ermittelt für ihren alle zwei Jahre vorzulegenden Konvergenzbericht Referenzwerte, an denen die Euro-Kandidaten ablesen können, wie gut sie aktuell stehen. Ungarn steht im Moment überhaupt nicht gut da, denn seine Inflationsrate von 6,5 Prozent für die Periode September 2003 bis August 2004 liegt vom Referenzwert der Eurozone (2,4 Prozent) ähnlich weit entfernt wie der langfristige Zinssatz (8,1 Prozent), wo doch in Euro-Land 6,4 Prozent als oberste Schwelle betrachtet werden. Ganz zu schweigen vom Defizit des Staatshaushaltes am Bruttoinlandsprodukt (BIP), das statt geforderter 3 Prozent hierzulande im laufenden Jahr bestenfalls auf 5,5 Prozent gesenkt wird. Formell liegt Ungarn einzig mit seiner Staatsschuldenquote von 59,9 Prozent noch unter der 60 Prozent-Marke von Maastricht, doch leiten die ECB-Experten aus dem Trend der jüngeren Vergangenheit ab, dass auch dieses Kriterium ohne eine Korrektur der Fiskal- und Wirtschaftspolitik nicht gehalten werden kann. (...)

Angesichts des niederschmetternden Urteils bemühen sich die ungarischen Medien, das Land wenigstens als Schicksalsgefährten der Polen darzustellen. Doch selbst dieser Vergleich hinkt. Polen steht in Wirklichkeit nur beim Budgetdefizit genauso schlecht wie Ungarn (5,6 Prozent am BIP), ist aber weniger verschuldet (47,2 Prozent am BIP) und geriet bei den langfristigen Zinsen mit 6,9 Prozent vermutlich deshalb ins Abseits, weil die Inflation zuletzt empfindlich um fast zwei Prozentpunkte zulegte – auf 2,5 Prozent. (...) (fp)