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Schüsse in der Luft

25. Oktober 2006

Die israelische Luftwaffe soll über einem Schiff der Deutschen Marine vor der libanesischen Küste Schüsse abgefeuert haben. Die israelische Armee bestreitet dies.

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Israelischer F16-Kampfjet
Israelischer F16-KampfjetBild: AP
Die Fregatten F212 "Karlsruhe"und F215 "Brandenburg" die vor dem Libanon im Einsatz sind
Die Fregatten F212 "Karlsruhe"und F215 "Brandenburg" die vor dem Libanon im Einsatz sindBild: AP

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin, Thomas Raabe, bestätigte am Mittwochabend (25.10.)einen Bericht, wonach israelische Kampfjets über einem deutschen Marineschiff Schüsse abgefeuert haben. Am Dienstag um 10.11 Uhr hätten sechs israelische F-16-Jäger Schiff der UNIFIL-Flotte vor Libanons Küste in geringer Höhe überflogen und "Infrarot-Täuschkörper" abgeworfen. Aus einer der Maschinen seien aus der Bordkanone zwei ungezielte Schüsse in die Luft abgefeuert worden. Es gebe bereits Gespräche mit Israel auf Regierungsebene, sagte Raabe. Beide Seiten seien an einer weiterhin guten Zusammenarbeit interessiert. Auch aus Kreisen der libanesischen Streitkräfte wurde der Vorfall bestätigt.

UNIFIL-Kommandeur besorgt

Israel hat dementierte dagegen den Bericht des Berliner "Tagesspiegel". "Es gab keinen derartigen Zwischenfall", sagte eine Militärsprecherin am Mittwoch. Ein Sprecher des israelischen Verteidigungsministeriums bestätigte, dass Ressortchef Amir Peretz am Mittwochabend telefonischen Kontakt mit seinem deutschen Amtskollegen Franz Josef Jung hatte. Er habe klargestellt, dass die israelische Luftwaffe nicht auf das Schiff geschossen habe. Israel habe keine Absicht, in irgendeiner aggressiven Art gegen die deutschen Streitkräfte vorzugehen. Zugleich habe sich Peretz dafür ausgesprochen, die Zusammenarbeit in direkter Form und im Rahmen des UN-Mission im Libanon zu verstärken. Jung wird Anfang kommenden Monats in den Nahen Osten reisen. Für den 3. November ist ein Besuch in Israel geplant.

Der französische Kommandeur der UN-Truppen im Libanon (UNIFIL), Alain Pellegrini, äußerte sich unterdessen "ernsthaft besorgt" über die zunehmende Zahl von israelischen Militärflügen über dem Libanon. Fast alle Einheiten der UN-Truppe im Libanon hätten über Verletzungen des Luftraums in ihrem Einsatzbereich geklagt, sagte Pellegrini nach Angaben eines UN-Sprechers vom Mittwoch. Allein an einem Tag seien neun solcher Flüge beobachtet worden.

Eingeschränkter Einsatz

Unterdessen wurde bekannt, dass die deutsche Marine bei ihrem Friedenseinsatz vor der libanesischen Küste offenbar eingeschränkter ist als ursprünglich geplant. Die Vereinten Nationen (UN) und der Libanon haben die Einsatzmöglichkeiten deutlich gestutzt, wie die "Süddeutsche Zeitung" und die "Welt" in ihren Donnerstagausgaben berichten. Demnach dürfen die von Deutschland angeführten UNIFIL-Verbände auf eigene Faust in der Küstenzone zwischen sechs und zwölf Seemeilen operieren, in der Zone von null bis sechs Meilen aber nur eingeschränkt. Dort könnten die deutschen Kräfte nur "auf Anforderung Libanons" tätig werden, heißt es laut den Berichten in einer Unterrichtung des Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestags. Ferner sei ein "Boarding", also ein Betreten eines aufgebrachten Schiffes sowie etwaige Beschlagnahmen, nur durch libanesische Kräfte möglich "oder in deren Beisein".

Waffenschmuggel möglich?

Zumindest die eingeschränkte Handlungsfreiheit in der Sechs-Meilen-Zone widerspricht laut "SZ" Äußerungen von Koalitionspolitikern bis hin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Umgang mit dieser Zone war politisch eines der schwierigsten Details in den Verhandlungen. Während der Libanon stets auf seine Hoheitsrechte in dieser Zone pochte, befürchten Kritiker, dass dieses Freihalten der Sechs-Meilen-Zone von UNIFIL-Verbänden den Waffenschmuggel entlang der Küste weiter ermöglicht. Die FDP-Politikerin Birgit Homburger sagte der "SZ", dem Waffenschmuggel seien dadurch "Tür und Tor geöffnet", da die Bundesmarine aus eigenem Antrieb nichts mehr dagegen unternehmen könne.

Deutschland hatte vor zehn Tagen das Kommando über die UN-Seestreitkräfte vor der libanesischen Küste übernommen. Das deutsche Kontingent umfasst rund 1000 Soldaten und insgesamt acht Schiffe. Sie waren am 21. September von Wilhelmshaven aus in See gestochen. Es ist der erste bewaffnete Einsatz der Bundeswehr im Nahen Osten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihn als historisch bezeichnet. Die Deutsche Marine führt als Teil der internationalen Friedenstruppe UNIFIL die Seestreitkräfte mehrerer Staaten an. Sie soll durch die Verhinderung von Waffenschmuggel der radikalen Hisbollah den Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah sichern. Anhaltende Raketen-Angriffe der Hisbollah auf israelisches Gebiet und die Entführung israelischer Soldaten hatten im Sommer einen dreiwöchigen Krieg ausgelöst. (stu)