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Politik

Israelis wollen Syrern helfen

Dana Regev
7. April 2017

Die Beziehung zwischen Israel und Syrien ist von jahrelangen Konflikten belastet. Angesichts der Not syrischer Flüchtlinge sind viele Menschen aber bereit, Vorurteile zu überwinden und sogar Verbindendes zu entdecken.

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Syrien Idlib Giftgasangriff
Bild: picture-alliance/ZUMA Wire/Syria Civil Defence

Die Bilder, die in dieser Woche aus Syrien um die Welt gingen, schockieren die internationale Gemeinschaft. Weltweit verurteilen Politiker den Einsatz von Chemiewaffen, der mehr als 80 Opfer forderte. Es ist die tödlichste Attacke seit Jahren.

Die Ereignisse lösen auch im syrischen Nachbarstaat Israel Entsetzen aus. So schrieb Ministerpräsident Benjamin Netanyahu auf Twitter, es gebe "keine Entschuldigung für die vorsätzliche Attacke auf Zivilisten". Er fordert: "Die internationale Gemeinschaft muss ihre Pflicht erfüllen und endlich diese abscheulichen Waffen aus Syrien entfernen." Ebenso wie viele westliche Staaten geht auch die israelische Regierung davon aus, dass der Giftgasangriff auf die von Rebellen gehaltene Provinz Idlib von Baschar al Assads Regime initiiert war.

Doch vielen Israelis reicht es nicht, die Angriffe nur zu verurteilen. Sie wollen aktiv helfen. Bislang lässt Israel vor allem verwundete Syrier ins Land, um sie in Krankenhäusern zu behandeln. Elizabeth Tsurkov vom israelischen Think Tank "Forum for Regional Thinking" erklärt: "Es gibt wesentlich mehr Leute, die nach Israel rein wollen, als diejenigen, die eventuell rein kommen."

Verhältnis seit Jahrzehnten belastet

Die politischen Vorzeichen für die israelische Unterstützung sind denkbar schwierig. Denn Israel und Syrien unterhalten keine diplomatische Beziehungen. Gegenseitiges Mitgefühl ist rar. Seit Israel 1967 die Golanhöhen besetzt hat, ist das Verhältnis der beiden Nahost-Staaten besonders belastet.

Israelischer Panzer auf der Golanhöhen an der Grenze zu Syrien
Gegenstand israelisch-syrischer Konflikte: Die GolanhöhenBild: Reuters/B. Ratner

Scheitert es also am politischen Willen, wenn Syrer an der Grenze zu Israel abgewiesen werden? Einer israelischen Sicherheitsquelle zufolge ist es wesentlich schwieriger, humanitäre Hilfe zu leisten, als den meisten Israelis bewusst ist: "Unser Problem ist, dass der südliche Teil von Syrien, mit dem Israel eine gemeinsame Grenze hat, von mehreren Dschihadisten-Gruppen kontrolliert wird, die nicht an einer Kooperation interessiert sind und jegliche Hilfsbemühungen sabotieren."

Die Quelle sagte der DW, bisherige Versuche hätten nicht nur Israelis in Gefahr gebracht, sondern auch das Leben von Syrern gefährdet. So seien die Bürgerkriegsflüchtlinge beschuldigt worden, mit dem israelischen Feind zu kollaborieren.

Helfen über Umwege

Für Israel sei es kompliziert, unmittelbare Flüchtlingshilfe zu leisten, räumt Elizabeth Tsurkov ein. Aber die Regierung könne entweder anonym oder mittels anderer Länder - wie zum Beispiel Jordanien - helfen. Vor allem an der syrisch-israelischen Grenze sei das bitter notwendig. "Die vertriebenen Menschen, die in Flüchtlingscamps im Süden des Landes leben, müssen die schlimmsten Bedingungen im ganzen Land ertragen", sagt die Wissenschaftlerin.

Dabei ist die Hilfsbereitschaft unter Israelis groß. "Seit den Gefechten in Aleppo gibt es in Israel eine Reaktion, wie wir sie seit mehr als fünf Jahren nicht mehr gesehen haben", berichtet Tamar Dressler, eine israelische Journalistin, die auch als Entwicklungshelferin und in der Flüchtlingshilfe gearbeitet hat. Es gebe viele israelische Hilfsinitiativen. "Einer unserer Freiwilligen hat organisiert, dass ein Lastwagen voller Kleidung zu UNICEF nach Syrien geht. Ein weiterer LKW wurde in ein israelisches Krankenhaus geschickt, in dem verwundete Syrer behandelt werden."

"Alle Barrieren schmelzen"

Für die Entwicklungshelferin ist die wertvollste Spende aber nicht Kleidung sondern Zeit. Viele Flüchtlinge bräuchten kein weiteres Paar Hosen oder eine weitere Schüssel Reis, findet Dressler: "Um diese Bedürfnisse kümmern sich schon andere Organisationen. Die meisten Flüchtlinge brauchen jemanden, der ihnen hilft, wieder in ihr altes Leben zu finden." Daher sei es am besten, Flüchtlingen bestimmte Fähigkeiten beizubringen, damit sie ihr Potential im Zielland voll ausschöpfen können.

Bildergalerie syrische Flüchtlinge Wintereinbruch Januar 2015
In syrischen Flüchtlingscamps sind die Menschen auf die Hilfe Freiwilliger angewiesenBild: Reuters/H. Khatib

Manch ein Syrer trifft in Flüchtlingslagern zum ersten Mal auf einen Israeli. Angesichts der schwierigen politischen Beziehungen gilt es dann, das ein oder andere Vorurteil zu überwinden. Denn viele Syrer kennen Israel nur aus den Fernsehnachrichten über den Nahost-Konflikt. "Wenn sie mich erst einmal kennen, schmelzen alle Barrieren", erzählt Dressler.

Geteiltes Schicksal

In Dresslers Flüchtlingsprojekt arbeitet auch Maya Rimer. Dass der syrische Bürgerkrieg nur einige Kilometer von der israelischen Grenze entfernt stattfindet, berühre viele Israelis, sagt sie. Dann spielten politische und religiöse Ansichten auf einmal keine Rolle mehr.

Noch etwas verbindet Israelis mit Syrern. "Wir alle können das Schicksal des syrischen Volkes nachempfinden", sagt Rimer: "Das liegt unter anderem daran, dass es unseren wundesten Punkt anrührt, wenn Menschen fliehen müssen." Es erinnere sie sofort an die Erzählungen ihrer Großmutter, die dem Zweiten Weltkrieg entfloh, erzählt die freiwillige Helferin.

Israels kollektives Trauma sei "noch immer sehr präsent in unserer Kultur", erklärt Rimer. Daher glaubt sie, Israelis seien äußert dünnhäutig, wenn es um den Horror geht, den Syrer gerade durchmachen müssen: "Insbesondere der Anblick von Menschen, die vergast werden, lässt uns verständlicherweise erschauern."

Entwicklungshelferin Dressler will den Flüchtlingen zeigen, dass sich zumindest irgendjemand auf ihrer langen Reise für sie interessiert. Die Menschen als Individuen wahrzunehmen und nicht nur als Masse von Migranten könne "einen gewaltigen Unterschied" machen, sagt sie. "Das ist das im Moment genau das Richtige."