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Spekulationen um französischen Attentäter

Bernd Riegert22. März 2012

Frankreich hat schon seit zwei Jahrzehnten mit islamistischem Terror zu kämpfen, der sich vor allem aus dem Maghreb rekrutiert. Noch ist unklar, ob die jüngsten Morde in diesem Zusammenhang zu sehen sind.

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Polizeiautos (Foto:dapd)
Bild: dapd

Bei dem mutmaßlichen Attentäter von Toulouse und Montauban soll es sich um einen Franzosen mit algerischen Wurzeln handeln. Nach Angaben des französischen Innenministers Claude Guéant  soll der mutmaßliche "Motorroller-Mörder" gesagt haben, er habe Verbindungen zur islamistischen Terrorgruppe Al-Kaida. Al-Kaida hat in Nordafrika einen Ableger, der sich "Al-Kaida im islamischen Maghreb" nennt und 2007 aus der "Salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf" hervorgegangen ist. Ob der algerisch-stämmige Attentäter Verbindungen zu dieser Al-Kaida-Organisation hatte, ist unklar. Er sei seit Jahren von den Behörden wegen seines islamistischen Hintergrunds beobachtet worden, hieß es in  Medienberichten.

Joachim Krause, der Leiter des Instituts für Sicherheitspolitik in Kiel, schätzt die Gefahr islamistischen Terrors in Frankreich als sehr groß ein. Frankreich sei im Visier der Al-Kaida im Maghreb. Es sei durchaus möglich, dass islamistische Terroristen Anschläge in Frankreich geplant haben, sagte Joachim Krause der Deutschen Welle: "Es gibt Verbindungen, es gibt Zellen in Frankreich. Insofern wird man diese Spur verfolgen." Frankreich ist an der internationalen Afghanistantruppe ISAF beteiligt, deren Abzug die afghanischen Aufständischen und die Taliban fordern.

Polizisten sichern den Eiffelturm in Paris (Foto: ddp images/AP Photo/Thibault Camus)
Bewacht: Polizisten sichern den Eiffelturm in ParisBild: AP

Islamistische Anschläge seit 1995

Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, dass es sich bei dem mutmaßlichen Attentäter um einen islamistischen Terroristen handelt, dann wären die Anschläge von Toulouse und Montauban die schwersten mit islamistischem Hintergrund in Frankreich seit den 1990er Jahren. Im Sommer und Herbst 1995 gab es in Frankreich eine ganze Reihe von Terroranschlägen, die einer islamistischen Gruppierung aus Algerien (GIA) zur Last gelegt wurden. Die GIA wollte angeblich den Bürgerkrieg in Algerien nach Frankreich tragen.

Die schlimmsten Folgen hatte ein Sprengstoffattentat auf die Pariser S-Bahn am 25. Juli 1995, bei dem acht Menschen starben und 80 Menschen verletzt wurden. Die französischen Behörden fanden damals keine konkreten Beweise, dass Al-Kaida-Terrorist Osama Bin Laden, der in Afghanistan aktiv war, direkt in die Attentate verwickelt war. Dennoch ging man davon aus, dass es zwischen den Islamisten in Afghanistan und Frankreich enge Verbindungen gab - und zwar über die Terrorgruppe GIA in Algerien.

Der französischen Polizei und den Geheimdiensten gelang es, führende Köpfe der GIA zu fassen und mehrere geplante Anschläge zum Beispiel auf die Fußballweltmeisterschaft 1998 zu vereiteln. Im Jahr 2000 konnte zusammen mit deutschen Behörden ein Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg verhindert werden.

Festnahmen im Jahr 2010

Nach den Anschlägen in den USA am 11. September 2001 verschärfte Frankreich wie die übrigen Staaten in Europa den Kampf gegen Terroristen. Im Oktober des Jahres 2010 verhaftete die französische Polizei elf Terrorverdächtige in Marseille, Avignon und Bordeaux. Alle sollen Verbindungen nach Nordafrika gehabt haben. Im Juli 2010 hatte Al-Kaida im Maghreb eine französische Geisel ermordet. Der damalige Innenminister Frankreichs, Brice Hortefeux, sprach von einer "realen Bedrohung" und Bombendrohungen.

Franzoesische Geiseln, die Al-Kaida in Nordafrika entführt hatte (Foto: AP Photo/SITE)
Al-Kaida entführte Franzosen in NordafrikaBild: AP

Seit den Bombenanschlägen auf U-Bahn und Busse in London im Juli 2005 gilt in Frankreich die zweithöchste Stufe des Anti-Terror-Planes "Vigipirate". Rund 3400 Soldaten sind seither zur Sicherung von Objekten in ganz Frankreich abgestellt. Auch rund um das Pariser Wahrzeichen, den Eiffel-Turm, patrouillieren Soldaten mit umgehängten Gewehren. Diese Sicherheitsmaßnahmen wurden nach den jüngsten Attentaten in Toulouse und Montauban noch einmal verstärkt.

"Islam nicht mit Terror gleichsetzen"

Das Nixon-Center, ein Forschungsinstitut in Washington, hatte bereits 2005 eine Studie veröffentlicht, nach der die allermeisten Terror-Verdächtigen in Europa nicht aus dem Nahen Osten oder Afghanistan stammen. 41 Prozent waren europäische Staatsbürger und 36 Prozent kamen aus Maghreb-Staaten. Nachwuchs für den Terror stamme in Frankreich oft aus den sozial schlecht gestellten Vororten französischer Großstädte. Dieses Profil könnte auch auf den mutmaßlichen Attentäter von Toulouse und Montauban passen.

Der Rat jüdischer Organisationen in Frankreich (CRIF) beobachtet die Entwicklung antisemitischer Straftaten in Frankreich. Nach einem Höhepunkt im Jahr 2009 mit 832 registrierten Taten war die Zahl von Übergriffen mit antisemitischen Hintergrund in den vergangenen beiden Jahren wieder zurückgegangen. 2011 lag sie nach Angaben des CRIF bei 389. Die Spitze im Jahr 2009 sei vor allem mit den Kämpfen um den Gaza-Streifen im Januar 2009 zu erklären. Das ist eine "völlig unakzeptable Übertragung des Nahost-Konfliktes auf Frankreich", erklärte damals CRIF-Präsident Richard Prasquier. Antisemitsche Übergriffe werden nicht nur von islamistischen Tätern, sondern auch von anderen Tätergruppen wie etwa Neo-Nazis begangen. Der französische Staatspräsident Sarkozy warnte am Mittwoch davor, Islam und Terror gleichzusetzen. Auch jüdische und muslimische Organisationen forderten dazu auf, Terror und Religion nicht in einen Topf zu werfen.