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Islam und Musik: Unvereinbar?

Ali Akinci13. Mai 2002

Darf ein gläubiger Muslim singen oder Musik hören? Islam-Gelehrte sind sich bei dieser kniffligen Frage uneinig. Der Koran verbietet es nicht. Trotzdem kann mancher Auftritt eines Sängers im Extremfall tödlich enden.

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Der Weg zu AllahBild: AP

Seit den Anfängen des Islam im siebten Jahrhundert streiten sich Rechtsgelehrte und Theologen, ob und wie sich Musik und Religion vereinbaren lassen. Kritiker behaupten: Musik stehe im Widerspruch zu islamischen Prinzipien von Bescheidenheit und Sittsamkeit. Sie verlocke zu Trinkgelagen, verbotenen sexuellen Beziehungen und Prostitution. Außerdem halte sie die Gläubigen von ihren religiösen Pflichten ab. Auch ist umstritten, ob laut vorgetragene Koranrezitationen erlaubt seien. Ihre Schönheit könnte den Zuhörer davon abhalten, über den Inhalt der Worte Allahs nachzudenken.

Singen gleich Sünde?

Musik gilt in fundamentalistischen Kreisen der islamischen Gesellschaft als "Haram", also als Sünde. Denn in der Sunna Mohammeds - den Überlieferungen der Aussprüche und Taten des Propheten – soll es der Teufel gewesen sein, "der die Menschen zum Singen anstiftete", weiß die Islamwissenschafterin Stefanie Gsell. Insgesamt aber gäbe es genau so viel negative wie positive Meinungen dazu.

Liberale Islamwissenschaftler verweisen auf mündliche Überlieferungen, Muhammad habe sich von Reisestrapazen bei Gesangsklavinnen erholt. Orthodoxe Glaubensforscher indes berufen sich auf Sunna-Passagen, in denen sich der Prophet abwertend über Musik geäußert haben soll. Auf einen gemeinsamen Nenner ist man bislang jedoch nicht gekommen. Denn das Haupt-Problem des Islam ist: Es gibt keine zentrale Instanz, die einheitliche Glaubensregeln für alle vorschreibt wie beispielsweise der Papst bei den Katholiken.

"Verwässerung islamischer Prinzipien"

Arabische Tanz und Musik
Tanzende arabische FrauenBild: AP

Die Kontroversen um die Frage der Vereinbarkeit von Islam und Musik halten darum bis heute an. Besonders deutlich wird dies im Iran, Saudi-Arabien, Sudan und Algerien. Im Iran durften nach der Revolution fünfzehn Jahre lang nur Kriegshymnen, traditionelle Lieder und seichte Instrumentalmusik gespielt werden. Heute hat sich die Situation gebessert, auch wenn Radio und Fernsehen gelegentlich vor der Verwässerung revolutionärer und islamischer Prinzipien warnen.

Am schlechtesten erging es jedoch Musikern in Afghanistan, wo die Taliban seit 1996 jegliche Art von Musik und Unterhaltung verboten hatten. Die strengen Religionshüter kannten kein Pardon, wenn es um ihre Auslegung des Koran ging. Die meisten Musiker flohen aus Angst vor Folter ins Ausland. Mittlerweile kehren einige langsam wieder in ihre Heimat zurück.

Musiker im Exil

Die Streitfrage nimmt in manchen Fällen extreme Ausmaße an. So mussten beispielsweise in Algerien die Raï-Legende Cheb Hasni und der kabylische Protestsänger Matoub Lounés ihr öffentliches Auftreten 1994 und 1998 mit ihrem Leben bezahlen. Auch der im französischen Exil lebende Hit-Produzent Cheb Khaled verliess nach Morddrohungen das Land. Der gegen ihn erhobene Vorwurf lautete, er habe "gesellschaftliche Tabus verletzt" und Algeriens Jugend "zur Revolution angestachelt".

In mehreren Ländern - etwa in Libanon und Ägypten - hat sich die Situation allerdings entschärft: Trotzdem muss sich ein Sänger noch immer an Spielregeln und Tabus halten, wenn er als Musiker nicht nur finanziell überleben will.