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ISAF außerhalb Kabuls einsetzen

Nina Werkhäuser 25. Juni 2003

Der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan fordert, das Mandat der Internationalen Sicherheitstruppe (ISAF) über Kabul hinaus auszuweiten. Das sagte Lakhdar Brahimi in einem Exklusiv-Interview mit der Deutschen Welle (DW).

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Hält Wahlen in Afghanistan im Oktober 2004 für möglich: Lakhdar BrahimiBild: AP

"Wir müsen so vorsichtig wie möglich sein: In Afghanistan gibt es immer noch viel Gewalt und viele Kräfte, die den Friedensprozess zerstören wollen", betonte der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen (UN) für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, am Mittwoch (25. Juni 2003) in einem Exklusiv-Interview mit DW-RADIO.

Den Tod der vier deutschen Soldaten, die am 7. Juni 2003 bei einem Selbstmordattentat ums Leben gekommen sind, bedauere er sehr, sagte Brahimi in Berlin. Er wisse nicht, wer hinter dem Anschlag stehe, denn niemand habe offiziell die Verantwortung dafür übernommen. Der Verdacht richte sich aber auf die Organisation El Kaida, auf die Unterstützer des islamistischen Milizenführers Gulbuddin Hekmatyar und auf die Taliban. Brahimi betonte, dass die Anwesenheit der Internationalen Sicherheitstruppe ISAF für Afghanistan sehr wichtig sei. "Die ISAF wird jetzt gebraucht. Für wie lange noch, das ist sehr schwer zu sagen. Nach meiner Einschätzung dauert es noch einige Jahre, bis die afghanische Armee und Polizei so weit sind, dass sie die Bürger Afghanistans schützen können, besonders die Bewohner Kabuls. Ich denke, ein bis zwei Jahre dauert das noch."

Regierungseinfluss ausweiten

Eines der zentralen Probleme ist, dass der Einflussbereich von Präsident Hamid Karsai begrenzt ist. Seine Macht reicht kaum über die Hauptstadt Kabul hinaus. Brahimi erinnerte daran, dass die Strukturen und Einrichtungen des Staates nach einem Viertel Jahrhundert Bürgerkrieg zerstört sind. "Afghanistan ist ein Land, in dem es keine Straßen, kein Telefon und keine Funkverbindungen gibt. Kein Wunder, dass es so schwierig ist, den Einfluss der Regierung in den Regionen durchzusetzen." Die Regierung habe zwar nur sehr geringe Mittel zur Verfügung, aber sie werde anerkannt, betonte Brahimi. "Daher ist es nötig, ihr zu helfen, den Staat aufzubauen. Nicht nur in Kabul, sondern auch in den Provinzen. Der beste Weg das zu erreichen ist, die ISAF außerhalb Kabuls einzusetzen."

UN-Generalsekretär Kofi Annan fordere das schon lange, sagte Brahimi. Bislang sei jedoch nichts geschehen. Als Schritt in die richtige Richtung bezeichnete der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan die Wiederaufbau-Teams in den Regionen. Davon gibt es bisher drei amerikanische, ein britisches soll folgen. Auch die deutsche Regierung prüft, ob sie solche Teams aus zivilen Helfern, geschützt durch Soldaten, in die afghanischen Provinzen schickt, will sich aber erst nach der Sommerpause entscheiden. Er hoffe, es werde mehr Wiederaufbau-Teams geben, sagte Brahimi. Aber er habe auch Verständnis für die Bedenken der deutschen Regierung. "Man muss besorgt, vorsichtig und wachsam sein. Aber wenn ich das sagen darf: Wir, die UN, sind seit langem in den Regionen tätig. Und wir sind unbewaffnete Zivilisten, die im ganzen Land präsent sind."

Menschenrechte und Wahlen

Brahimi räumte aber ein, dass die UN-Mitarbeiter einige Regionen im Süden und Osten des Landes gar nicht erst betreten - und andere nur mit bewaffnetem Begleitschutz. Sicherheit sei auch für die UN das zentrale Problem bei ihrer Arbeit in Afghanistan. Die Ausbildung der afghanischen Armee und Polizei stecke noch in der Anfangsphase. Im September beenden Brahimi zufolge 6000 Polizisten ihre Ausbildung. Dazu kämen nochmals etwa ebenso viele Soldaten. Dennoch müsse dies als langsamer Prozess verstanden werden, betonte er. Auch die Menschenrechtslage sei immer noch sehr schwierig.

Dennoch geht der UN-Sonderbeauftragte davon aus, dass Afghanistan in absehbarer Zeit eine Verfassung bekommen und Wahlen abhalten wird. "An der Verfassung wird gearbeitet, und es geht ganz gut voran. Wenn es keine unvorhergesehenen Schwierigkeiten gibt, wird das Land Ende Oktober 2003 eine Verfassung haben." Die Abhaltung von Wahlen bezeichnete Brahimi als logistischen Albtraum. "Man muss die Wähler in jedem Dorf des Landes registrieren. Die Leute kommen nicht selbst, vor allem Frauen nicht. Also muss man zu ihnen hingehen. Das heißt, wir müssen tausende Wahlhelfer rekrutieren, die wir dann durchs Land schicken."

Trotzdem gehe er davon aus, dass die Wahl im Oktober 2004 stattfinden wird, sagte Brahimi. Natürlich nur, wenn die Sicherheitslage es zulasse, fügte er hinzu.