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IS zerstört jahrhundertealtes Kloster

21. August 2015

Die Terrormiliz IS hat das jahrhundertealte Kloster Mar Elian südöstlich von Homs teilweise niedergerissen - und ein Video des Zerstörungswerkes stolz ins Internet gestellt. Ein Ordensbruder hat dazu eine Theorie.

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Screenshot aus einem Propagandavideo des IS, das die Zerstörung des Klosters zeigen soll (Foto: dpa)
Screenshot aus einem Propagandavideo des IS, das die Zerstörung des Klosters zeigen sollBild: picture-alliance/dpa

In ihrem Herrschaftsgebiet geht die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) radikal gegen Andersgläubige vor. Die Extremisten verfolgen auch Christen erbarmungslos. Jetzt wurde ein wertvolles christliches Kulturgut Opfer der Vernichtungswut: Der IS zerstörte im Zentrum Syriens offenbar Teile des jahrhundertealten christlichen Klosters Mar Elian. Im Internet verbreitete Bilder der Extremisten zeigten, wie Bulldozer das historisch bedeutende Bauwerk in dem Ort Karjatain südöstlich der Stadt Homs niederreißen. Die Terrormiliz erklärte, in dem Kloster sei nicht nur Gott angebetet worden. In seiner radikalen Islam-Lesart verurteilt der IS die Anbetung von Heiligen als "Vielgötterei".

Den verbreiteten Aufnahmen zufolge planierten die Islamisten den ältesten Trakt der Anlage mit dem Grab des Mar Elian, eines Märtyrers aus dem 3. Jahrhundert. Anscheinend sind die neue Kirche und das Wohnhaus des Klosters noch intakt. Ein Mitglied der syrisch-katholischen Klostergemeinschaft sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur, offenbar sei der neue Teil des Klosters mit Kirche und Wohngebäude verschont geblieben. "Wenn sie den Rest zerstört hätten, hätten sie auch diese Bilder ins Internet gestellt", sagte der Ordensmann, der sich außerhalb von Karjatain aufhält. Zur Zeit des Überfalls habe sich kein Mönch mehr in dem Kloster befunden. Die wenigen in Karjatain verbliebenen Christen stünden unter Hausarrest.

Screenshot aus einem Propagandavideo des IS, der das Kloster unmittelbar vor der Zerstörung zeigen soll(Foto: dpa)
Screenshot aus einem Propagandavideo des IS, der das Kloster unmittelbar vor der Zerstörung zeigen sollBild: picture-alliance/dpa

Das von syrischen Christen bis heute verehrte Heiligtum datiert ins 6., möglicherweise schon ins 5. Jahrhundert. Zuvor befand sich an dieser Stelle vermutlich ein römischer Militärposten. Archäologen legten in den vergangenen Jahren die Fundamente einer byzantinischen Kirche frei. Mit der Zerstörung hätten die Milizen auch "15 Jahre Arbeit und zwölf Jahre archäologische Studien in einer halben Stunde zunichtegemacht", sagte der Ordensmann. Der neue Trakt habe nicht die "symbolische Bedeutung" und sei zudem durch eine Betonmauer abgetrennt. Außerdem lasse sich dieser Teil leicht für den IS umnutzen. Wie der Geistliche vermutet, dürften die Islamisten lediglich die Ikonen der neuen Kirche zerstört haben. Das Gotteshaus selbst lasse sich in eine Moschee umwandeln, da die südliche Langseite genau nach Mekka ausgerichtet sei.

Kloster-Vorsteher verschleppt

Die Gesellschaft für bedrohte Völker verurteilte das Zerstörungswerk. Christliche Kirchen und Klöster würden "dem Boden gleichgemacht, weil die Radikalislamisten das Gedächtnis des Volkes über ihre zweitausendjährige christliche Vergangenheit für immer vernichten wollen", erklärte Kamal Sido, Nahostreferent der Organisation.

Der Kloster-Vorsteher, Bruder Jacques Murad, war im Mai von Unbekannten verschleppt worden. Sein Schicksal ist unbekannt. Medienberichten zufolge hatte der Geistliche im syrischen Bürgerkrieg mehrfach zwischen Regime und Rebellen vermittelt. Demnach bot das Kloster auch Hunderten syrischen Flüchtlingen Schutz. Murad soll sich geweigert haben zu fliehen, obwohl der IS näherrückte. Karjatain ist die nächste Ortschaft zu der antiken Wüstenstadt Palmyra, die sich seit Mai in der Hand der Terrormiliz befindet. Dort wurden ebenfalls zahlreiche Kulturdenkmäler zerstört. Am Dienstag köpften die Terroristen den renommierten ehemaligen Chefarchäologen Khaled Asaad vor zahlreichen Zuschauern.

Aus Syrien geflohene Christen im Libanon (Foto: AFP)
Aus Syrien geflohene Christen im LibanonBild: Getty Images/AFP/A. Amro

Die Extremisten hatten Karjatain Anfang des Monats eingenommen und Aktivisten zufolge 230 Menschen verschleppt, unter ihnen mindestens 60 Christen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die ihre Informationen aus einem Netzwerk von Ärzten und Aktivisten vor Ort bezieht und deren Angaben von unabhängiger Seite kaum überprüfbar sind, wurden 48 Entführte inzwischen freigelassen. 110 weitere seien in die IS-Hochburg Raka gebracht worden. Das Schicksal der verbleibenden Geiseln ist demnach ungeklärt.

Der christlich-assyrischen Nachrichtenagentur Aina zufolge lebten in dem Ort zuletzt rund 2000 Christen. Diese genießen im Islam als Angehörige einer Buchreligion eigentlich den Status von Schutzbefohlenen ("Dhimmi"). Im Herrschaftsgebiet der IS-Terrormiliz werden sie dennoch vertrieben, verschleppt oder ermordet. Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker sollen in Syrien seit 2013 mindestens 81 christliche Kirchen zerstört worden sein. Der IS vertritt eine radikal-sunnitische Islamauslegung. Die Verehrung von Monumenten wie Schreinen ist nach der Auffassung der Extremisten Götzendienst.

stu/sp (afp, dpa, rtr)