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Irrungen und Wirrungen

Gérard Foussier14. Juni 2002

Nach der ersten Runde der Parlamentswahlen hat das Chirac-Lager die Nase vorn - während die linken Parteien Stimmen verloren. Wohin steuert Frankreichs Politik? Gérard Foussier kommentiert.

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Frankreich ist doch ein konservatives Land. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der am 5. Mai 2002 wiedergewählte Staatspräsident Jacques Chirac künftig über eine deutliche Mehrheit in der Nationalversammlung verfügen. Über die genauen Machtverhältnisse werden die Stichwahlen am Sonntag (16. Juni 2002) entscheiden, aber Überraschungen sind nicht zu erwarten.

Die Wiederwahl Chiracs am 5. Mai mit 82 Prozent der Stimmen war eigentlich eine Abwahl des Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen. Die Wahl der bürgerlichen Parteien für die nächste Pariser Nationalversammung ist nun eine Entscheidung gegen eine weitere Lähmung der französischen Politik für fünf Jahre. Die französischen Wähler, auch die, die zu Hause geblieben sind, haben deutlich signalisiert, dass sie eine weitere "Cohabitation" ablehnen - jene Zwangsehe zwischen einem bürgerlichen Staatschef und einer linksgerichteten Regierung.

Die linken Parteien haben seit ihrer bitteren Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen im April keine glaubwürdige Alternative geboten. Vielmehr hat die Zersplitterung der Bewerbungen um ein Parlamentsmandat dazu geführt, dass realistische Linkswähler nicht zur Wahl gegangen sind. Auch die Protestwähler sind weniger geworden. Splitterparteien haben keinen Zulauf, die Nationale Front Le Pens verliert etliche Stimmen, auch in ihren bisherigen Hochburgen, die Kommunistische Partei kämpft nur noch um ihr Überleben, die Grünen werden zur "quantité négligeable", zur vernachlässigbaren Größe.

Trotzdem: Frankreich hat nicht für ein gaullistisches Wahlprogramm gestimmt, sondern vielmehr für eine Stabilisierung der Institutionen der Fünften Republik. In der Opposition muss die Linke nun eine neue charismatische Persönlichkeit finden, um ihre Ideale doch noch irgendwann durchzusetzen. Das linke Lager ist Opfer seines selbst hochgeschätzen Pluralismus gewesen, weil jeder innerhalb dieser gutgemeinten Koalition von Sozialisten, Kommunisten und Grünen nur für sich gekämpft hat. Erst bei den Präsidentschaftswahlen ist es klar geworden, was dieser Parteipluralismus bewirkte. Bei den Parlamentswahlen kandidierte wieder jeder gegen jeden, als wäre nichts geschehen.

Ähnliche Schwierigkeiten kennen zwar die bürgerlichen Parteien auch, aber in einem geringerem Umfang, zumindest in Wahlkampfzeiten. Die neugegründete Sammelbewegung UMP ("Union für die Präsidentenmehrheit") geht als deutlicher Sieger aus den Wahlen hervor, weil Einheitskandidaturen möglich wurden. Ob die Allianz in der Regierungsarbeit Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Viel mehr als einen Parteienpluralismus braucht Frankreich endlich einen Gesellschaftspluralismus. Noch ist der nicht zu erkennen.