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Irland pocht auf Sonderstatus

Sabine Kinkartz1. November 2012

Sie mühen sich mustergültig ab, und trotzdem finden auch die Iren nur schwer aus der Krise heraus. Eine Entlastung von den drückenden Bankschulden kann auch die Bundeskanzlerin nicht versprechen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Irlands Ministerpraesident Enda Kenny im Bundeskanzleramt (Foto: dapd)
Bild: Michael Gottschalk/dapd

Berlin steht in diesem November gleich zweimal auf dem Reiseplan des irischen Regierungschefs Enda Kenny. An diesem Donnerstag (01.11.2012) war er im Kanzleramt zu politischen Gesprächen eingeladen, in der kommenden Woche wird Kenny vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger mit der "Goldenen Victoria für den Europäer des Jahres" ausgezeichnet.

Ein Preis, den der Ire nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel verdient hat. Angesichts der auf dem Arbeitsmarkt, im Sozialwesen und beim Haushaltsbudget durchgeführten Reformen sei "die Auszeichnung absolut gerechtfertigt", sagte die Kanzlerin nach einem eineinhalbstündigen Mittagessen mit Kenny in Berlin.

Merkel lobt Irland

Europäischer Musterschüler

Die Iren haben zwei harte Jahre hinter sich, seit sie im November 2010 unter den Euro-Rettungsschirm EFSF geflüchtet sind und damit automatisch einem Reformprogramm der Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank unterworfen haben. 85 Milliarden Euro Hilfsgelder hat Irland aus dem Rettungsschirm erhalten. Das Land gilt als Musterschüler, weil es die Vorgaben der internationalen Geldgeber immer vorbildlich erfüllt hat. Seit dem Sommer kann Irland schon wieder Staatsanleihen auflegen und bis Ende nächsten Jahres will das Land komplett an den Kapitalmarkt zurückkehren.

Milliardenschwere Altschulden

Nach wie vor drückt das Land jedoch ein Wachstum von gerade einmal 0,5 Prozent, eine Arbeitslosenquote von 34 Prozent und eine riesige Schuldenlast. Die ist zum großen Teil entstanden, weil Irland seine kollabierenden Banken in der Finanzkrise mit 64 Milliarden Euro gestützt hat. Die Schuldenquote des Landes liegt aktuell bei 118 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Um die Quote zu senken, würde Regierungschef Kenny die irischen Krisen-Banken am liebsten über den künftigen permanenten Euro-Rettungsschirm ESM rekapitalisieren. Dagegen steht jedoch die auch von Bundeskanzlerin Merkel vertretenen Ansicht, dass der ESM niemals für vergangene Bankschulden einstehen soll.

In Irland laufen Passanten auf der Straße an einem Plakat vorbei, auf dem vor den Folgen des Fiskalpaktes gewarnt wird (Foto: AP)
Auch in Irland gibt es Proteste gegen die SparpolitikBild: picture-alliance/dpa

Doch vielleicht werden die Hilferufe der Iren ja doch noch erhört. Alles hängt an dem Wort "Sonderfall". Als solchen hatte Angela Merkel Irland bezeichnet, weil die irische Staatsverschuldung auf "einzigartige Umstände" zurückgehe. Kenny lies sich diesen Status bei seinem Besuch in Berlin noch einmal bestätigen. "Ich habe ihr gesagt, was wir tun, um die Schulden im Bankensektor weiter zu reduzieren und so schnell wie möglich an den Kapitalmarkt zurückzukommen", so der Ire.

"Die Kanzlerin hat bestätigt, dass Irland ein Sonderfall ist, dass Irland deswegen auch besonders behandelt werden soll, so wie das im Juni deutlich geworden ist." Damit spielt Kenny auf den EU-Gipfel an, auf dem die Staats- und Regierungschefs bereits beschlossen hatten, die Klammer zwischen Staats- und Bankschulden zerschlagen zu wollen.

Bankenhilfe frühestens 2013

Doch auch wenn Kenny drängt, so schnell wird nicht klar werden, wie die Sonderbehandlung für Irland konkret aussehen kann. "Wir müssen in diesem Prozess Erfolge und Fortschritte erzielen", forderte der irische Premier in Berlin. "Je mehr Klarheit wir geben, wie Irland wieder erfolgreich an den Anleihenmarkt zurückkehren kann, umso erfolgreicher wird diese Rückkehr vollzogen werden können." Die Bundeskanzlerin verwies im Gegenzug auf die laufenden Verhandlungen der Finanzminister, die sicherlich noch ein paar Monate andauern werden. "Wir sind an einer nachhaltigen Vollendung des Anpassungsprogrammes interessiert", sagte Merkel, die Arbeit der Finanzminister müsse aber "erst einmal abgewartet werden".

Schwere Entscheidung über EU-Haushalt

Einigkeit besteht zwischen Merkel und Kenny hingegen hinsichtlich des kommenden EU-Haushalts. Bei den anstehenden Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen seien "noch schwere Entscheidungen zu treffen", so die Bundeskanzlerin. Irland, das am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, und Deutschland hätten gemeinsam den Willen, "hier früh ein Zeichen zu setzen" und Deutschland werde trotz des Widerstands in Großbritannien alles dafür tun, damit eine Lösung zustande komme. Sie werde in der nächsten Woche noch einmal mit dem britischen Premierminister David Cameron sprechen, so Merkel. "Dann müssen wir schauen, wie sich das entwickelt."

53 Abgeordnete aus Camerons konservativer Parlamentsfraktion hatten am Mittwoch im Parlament in London gemeinsam mit den Abgeordneten der oppositionellen Labour-Partei dafür gestimmt, keine Ausweitung der mittelfristigen Finanzplanung der EU für die Jahre 2014 bis 2020 mitzutragen.