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Irans Atompolitik kommt vor den UN-Sicherheitsrat

4. Februar 2006

Die Internationale Atomenergiebehörde in Wien hat den Streit über das iranische Atomprogramm an den UN-Sicherheitsrat überwiesen. In München hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine scharfe Warnung an den Iran gerichtet.

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Merkel: "Iran hat es selbst in der Hand."Bild: AP

Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) stimmte am Samstag (4.2.2006) nach tagelangen Beratungen mit großer Mehrheit einer von Deutschland, Frankreich und Großbritannien eingebrachten Resolution zu, nach der sämtliche Berichte und Resolutionen der IAEA über Irans Atomprogramm dem Sicherheitsrat übergeben werden.
Hinter einen von den Europäern am Morgen vorgelegten überarbeiteten Resolutionsentwurf hatten sich 27 der 35 Mitglieder im Gouverneursrat gestellt. Lediglich Kuba, Syrien und Venezuela stimmten gegen den Verweis an den Weltsicherheitsrat. Algerien, Weißrussland, Indonesien, Libyen und Südafrika enthielten sich.

IAEA verweist Iran an Sicherheitsrat
Der Sitzungssaal des Gouverneursrat der IAEA in WienBild: AP

Eine Einigung auf den Resolutionsentwurf war bereits in der Nacht zum Samstag hinter den Kulissen erzielt worden. Unter dem Drängen der Europäer stimmten die USA nach Angaben aus Diplomatenkreisen einem Kompromiss zu, der das Ziel einer von Massenvernichtungswaffen freien Zone im gesamten Nahen und Mittleren Osten in die Resolution aufnimmt. Dies hatte Ägypten offenbar mit Blick auf das Waffenpotenzial Israels gefordert.

Noch einen Monat Frist

Bis der UN-Sicherheitsrat mit dem Iran-Dossier befasst, dauert es noch mehrere Wochen. Russland und China hatten ihre Zustimmung zur Überweisung des Streits an den Rat an die Bedingung geknüpft, dass das Gremium sich frühestens im März mit dem Fall befasst.

Unmittelbar nach der Bekanntgabe des IAEA-Beschlusses erklärte der stellvertretende Chef des iranischen Sicherheitsrats, Dschawad Waidi, in Wien, das im Oktober 2003 auf Eis gelegte Programm zur Urananreicherung werde unverzüglich neu gestartet.

Waidi hält auch dem russischen Kompromissvorschlag über eine gemeinsame Uran-Anreicherung für erledigt. "Es gibt keinen Grund, den russischen Plan weiterzuverfolgen."

Merkel: Überweisung ist keine Provokation

Der Streit über das iranische Atomprogramm hatte wenige Stunden zuvor auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem stellvertretenden iranischen Außenministerin Abbas Araghchi geführt. Merkel drängte den Iran, auf das Verhandlungsangebot der internationalen Gemeinschaft einzugehen. Araghchi wiederum drohte mit einer Eskalation des Konflikts, falls der Streit an den UN-Sicherheitsrat überwiesen werde.

In ihrer Grundsatzrede zur Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz sagte Merkel, die Überweisung des Konflikts an den UN-Sicherheitsrat sei "keine Provokation". Vielmehr sei der Sicherheitsrat der "legitime Ort", an dem der Streit gelöst werden könne. Sie betonte, dass es im Februar noch eine Chance gebe, über den russischen Lösungsvorschlag zu diskutieren, der eine Anreicherung iranischen Urans in Russland vorsieht. Dieser Vorschlag bedeute eine "erhebliche Kompromissbereitschaft auf amerikanischer Seite."

Iran: Keine rote Linien überschritten

"Der Iran hat mutwillig die roten Linien überschritten", warf Merkel Teheran vor. Es gebe die "berechtigte Befürchtung", dass sein Atomprogramm nicht der friedlichen Nutzung, sondern militärischen Optionen diene. "Wir wollen und müssen die Entwicklung iranischer Nuklearwaffen verhindern."

Abbas Araghchi
Der stellvertretende iranische Außenminister Abbas Araghchi vor der Sicherheitskonferenz in MünchenBild: AP

Araghchi konterte, er sei überrascht, dass Merkel "kleinere Aktivitäten in unseren Laboratorien als Überschreiten der roten Linie betrachtet". Er drohte: "Wenn der Fall vor den Sicherheitsrat kommt, müssen wir unsere Aktivitäten wieder aufnehmen." Dann komme es zu einer "Eskalation".

Er hoffe, dass die Europäer nicht den Weg der Konfrontation gehen würden. Der Iran habe sein "Bestes" gegeben, "aber nach drei Jahren der Verhandlung sind wir mit leeren Händen von dannen gezogen", sagte Araghchi. Daher habe er die Forschungen im kleinen Maßstab wiederaufgenommen. "Wir haben jetzt diese Situation wegen der falschen Verhandlungstaktik der Europäer", sagte der Vizeaußenminister. Araghchi warf dem Westen auch Doppelmoral vor, weil er die Bedrohungen ignoriere, denen Teheran selbst ausgesetzt sei.

Deutschland: Keine Toleranz in der Israel-Frage

Merkel entgegnete Araghchi, sie "hätte sich sehr gefreut", wenn er etwas zu den Äußerungen von Präsident Ahmadinedschad oder dem Existenzrecht Israels gesagt hätte. Die Kanzlerin kritisierte scharf Ahmadinedschads "Provokationen", der das Existenzrecht Israels in Frage gestellt und die Existenz des Holocaust geleugnet habe. "Ein Präsident, der das Existenzrecht Israels in Frage stellt und den Holocaust leugnet, kann nicht erwarten, dass Deutschland dafür auch nur die geringste Toleranz aufbringt," sagte Merkel unter dem Beifall der 300 Teilnehmer. Gerade Deutschland sei verpflichtet, den Anfängen zu wehren und dem Iran "mit aller Klarheit deutlich zu machen, was geht und was nicht geht".

Die Kanzlerin betonte weiter, dass die internationale Staatengemeinschaft eine diplomatische Lösung des Konfliktes wolle. Es habe aber bereits eine "Vielzahl von Angeboten" gegeben. Eine Beilegung des Konflikts "setzt die Bereitschaft voraus, auf die angebotenen Verhandlungslinien einzugehen". "Der Iran hat es selbst in der Hand", fügte sie hinzu. Sie sagte auch, nicht nur Israel habe Grund zur Sorge, sondern angesichts der Reichweiten iranischer Raketen sei auch Europa gut beraten, sich der Gefahr zu stellen.

Merkel unterstrich auch die Bedeutung der Rolle Russlands bei der Lösung des Streits. Je breiter die internationale Übereinstimmung sei, desto eher sei ein Einlenken des Irans möglich. (kas)