Interview mit George Tabori - Juli 1996 | Schauspieler im Gespräch | DW | 15.08.2011
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Schauspieler im Gespräch

Interview mit George Tabori - Juli 1996

"Ich finde die Probezeit wichtiger als die Aufführung" - George Tabori über seine Theaterarbeit

Der in Budapest geborene Dramatiker, Regisseur und Schauspieler George Tabori (29.5.1994)

Dramatiker, Regisseur und Schauspieler George Tabori (29.5.1994)

"Das große Personenlexikon des Films" von Kay Weniger nennt ihn einen "der prominentesten, wagemutigsten und innovativsten Theatermacher der Nachkriegszeit". Doch George Tabori betätigte sich auch als Schauspieler, Schriftsteller, Drehbuchautor und Übersetzter, wenn auch das „Theatermachen“ sein Hauptmetier war, und er ist aus der Geschichte des deutschsprachigen Theaters nicht weg zu denken.

Flucht nach England

Geboren wurde George Tabori, dessen eigentlicher Vorname György lautete, am 24.05.14 in Budapest. Nach dem Abitur an einem Budapester Gymnasium kam der Sohn eines Journalisten im Alter von 18 Jahren nach Berlin und machte zunächst eine Ausbildung in der Hotelbranche. Da er aber einer jüdischen Familie entstammte, musste George Tabori 1933 aus Deutschland fliehen und gelangte nach einigen Stationen 1936 nach London. Dort arbeitete er zunächst als Journalist und Übersetzer, bis er schließlich von 1941 – 1943 unter anderem als Intelligence Officer in der britischen Armee tätig war. An diese "Geheimdienst-Zeit" erinnerte sich Georg Tabori in einem Interview für den "Spiegel" vom 17.05.04: "…es war eine verwirrende Angelegenheit; ich wusste selbst nicht, was ich tat. Jedenfalls haben die Engländer mir eines Tages gesagt, dass meine Existenz in Istanbul nicht mehr erwünscht sei. Ich habe also einen Selbstmordbrief geschrieben, …dass man denken musste, ich sei ins Wasser gesprungen." Über Syrien kam er zurück nach London und arbeitete nun für die BBC. Noch im selben Jahr debütierte George Tabori mit seinem ersten Roman "Beneath the Stone" als Schriftsteller. Doch der eigentliche Start sollte erst in den USA gelingen, in die er 1947 emigrierte.

Das "Brecht-Syndrom"

George Tabori (re) und die Pfarrerin der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Sylvia von Kekule (li) auf einer Pressekonferenz in Berlin (02.07.02)

George Tabori (re,) und die Pfarrerin der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Sylvia von Kekule (li.) auf einer Pressekonferenz in Berlin (02.07.02)

In Hollywood begann George Tabori Drehbücher zu schreiben, und bald schrieb er unter anderem für solche Filmgrößen der damaligen Zeit wie Alfred Hitchcock, Joseph Losey oder Anatol Litvak. Außerdem knüpfte er Kontakte zu Thomas Mann, Lion Feuchtwanger und Bert Brecht. Insbesondere die Begegnung mit Brecht sollte bald fruchten. Denn: George Tabori übersetzte drei seiner Stücke ins Englische, und von nun an wandte er sich dem Theater zu. Zwar fiel 1952 sein erstes Theaterstück "Flight into Egypt" bei dem Broadway-Publikum durch, doch bereits nach vier Jahren konnte George Tabori seine erste Inszenierung dem New Yorker Publikum präsentieren: die Tragödie "Fräulein Julie" von August Strindberg. Zahlreiche weitere Arbeiten folgten in den nächsten Jahren – sowohl als Autor, als auch als Regisseur. 1966 gründete George Tabori die Theatergruppe "The Strolling Players", mit der er mehrmals auf Tournee ging. Doch seine Karriere sollte ihre Fortsetzung in Europa finden.

Gala zum 90. Geburtstag von George Tabori; hier mit Wolf Biermann (24.05.04)

Gala zum 90. Geburtstag von George Tabori; hier mit Wolf Biermann (24.05.04)

Die Theaterlegende der deutschsprachigen Szene

"Die Kannibalen" hieß das Stück von George Tabori, mit dem er seine Regiearbeit in Deutschland einläutete. Es hat zum Thema KZ-Häftlinge, die vor die Wahl gestellt werden, einen Mithäftling aufzuessen oder selbst in die Gaskammer geschickt zu werden. Zwei seiner Protagonisten überleben… Im Programmheft zur Aufführung des Stücks am Schillertheater in Berlin, die am 13.12.69 stattfand, ist unter anderem zu lesen: "Da ich das Vermächtnis der gemeuchelten Juden nie angezweifelt habe, durfte ich es mir erlauben, auch den Hohn und Ekel ihrer Menschlichkeit zu zeigen, ehe ich am Ende ihren Widerstand feierte." Immer wieder setzte sich der Regisseur und Autor mit der gemeinsamen Geschichte von Juden und Deutschen auseinander. George Tabori entfaltete nun eine rege Tätigkeit und arbeitete mit verschiedenen Theaterbühnen zusammen. 1975 gründete er das Bremer Theaterlabor, an dem er zahlreiche Stücke inszenierte. Drei Jahre später wurde er vornehmlich für die Münchner Kammerspiele tätig. Hier fand auch die Uraufführung seines Stückes "My Mother's Courage" statt, in dem Tabori die Geschichte seiner Mutter verarbeitete – das Stück wurde später auch verfilmt. Nach zahlreichen weiteren Engagements an verschiedenen Theatern kam George Tabori nun 1989 an das Wiener Burgtheater – es sollte der Höhepunkt seiner Karriere werden. Hier feierte er grandiose Erfolge mit seinen ungewöhnlichen Inszenierungen, die ihm auch eine Fülle weiterer Auszeichnungen brachten, mit denen seine Arbeit gewürdigt wurde. So wurde George Tabori unter anderem mit dem Georg-Büchner-Preis, der Goethe-Medaille der Stadt Weimar oder auch dem Deutschen Theaterpreis für sein Lebenswerk, dem "Ehren-Faust" geehrt, um nur einige wenige zu nennen. Die Theaterlegende George Tabori starb am 23.07.07 in Berlin. In unzähligen Nachrufen wurde in den Medien sein Lebenswerk gewürdigt. So schrieb etwa "Der Spiegel" vom 30.07.07: "Tabori hat dem deutschen Theater beigebracht, das man auf den Schrecken auch mit schwarzem Humor antworten kann und auf die Schwere mit Leichtigkeit."

DW-Redakteur Klaus Colberg sprach im Juli 1996 mit George Tabori über seine Arbeit.

Autor: Andreas Zemke

Redaktion: Diana Redlich

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