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Internationale Vermittlung im Sudan?

6. Januar 2011

Am 9. Januar stimmen die Südsudanesen über ihre Unabhängigkeit ab. In den letzten Wochen haben nicht nur die Spannungen im Land zugenommen. Auch die Besuche ausländischer Diplomaten und Politiker stiegen an.

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UN-Kampagne soll Sudanesen auf Referendum vorbereiten (Foto: dpa)
UN-Kampagne soll Sudanesen auf Referendum vorbereitenBild: picture alliance/dpa

Wenige Tage vor dem Referendum im Südsudan betonte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle erneut die Wichtigkeit der Abstimmung für die Zukunft des Landes. Egal, wie das Votum ausfällt, die Entscheidung müsse von der Regierung des Nordens akzeptiert werden. Deutschland werde mit allen Beteiligten im Sudan und den internationalen Partnern an einer langfristigen Stabilisierung der politischen Situation arbeiten.

Schwankendes Interesse

Zukunft ungewiss - südsudanesische Familie (Foto: AP)
Zukunft ungewiss - südsudanesische FamilieBild: DW/M. Amin Omar

Der Frieden muss halten, das wiederholen auch die Regierungen in Washington, London und Paris. Dennoch können derartige Stellungnahmen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Westen den Streitigkeiten zwischen Nord- und Südsudan in der Vergangenheit eher mit Zurückhaltung begegnet ist. Dies gilt, ungeachtet der Tatsache, dass Westerwelle noch im vergangenen Dezember von einem neuen Sudan-Konzept der Bundesregierung gesprochen hat, auch für Berlin. Wolfram Lacher, Sudanexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt: "Das Augenmerk der internationalen Gemeinschaft auf den Sudan schwankte in den letzten Jahren hin und her. 2003 bis 2005 wurde zum Beispiel Darfur hinten angestellt, um den Abschluss des Nord-Süd-Friedensabkommens nicht zu gefährden. Nach dem Schluss des Friedensabkommens wurde die Aufmerksamkeit wieder auf Darfur gerichtet. Seit einem Jahr hat sich das Interesse wieder umgekehrt und alle Aufmerksamkeit liegt wieder auf dem Nord-Süd-Friedensprozess."

Verspätetes Engagement

Nach Unterzeichnung des Friedensvertrags herrschte zunächst Optimismus (Foto: DW)
Nach Unterzeichnung des Friedensvertrags herrschte zunächst OptimismusBild: AP

Trotzdem kam das Engagement zu spät – mit Folgen für das Referendum: Zahlreiche Bestimmungen des Friedensvertrags zwischen Nord- und Südsudan wurden verspätet oder gar nicht umgesetzt. Ein Beispiel: Viel zu spät führten beide Seiten eine Volkszählung durch, um die Wählerzahl für das Referendum zu ermitteln. Bis heute zweifelt der Süden die Zahlen an und könnte dies später nutzen, um die Ergebnisse in Frage zu stellen. Je näher die Abstimmung rückt, desto größer wird nun wieder das Interesse am Sudan. Anfang Oktober 2010 meldete das Magazin "Africa Confidential" etwa, dass die USA den Sudan zu ihrer dritten außenpolitischen Priorität gemacht hätten, gleich hinter dem Irak und Afghanistan. Diverse Sonderbotschafter sind zwischen Washington und der sudanesischen Hauptstadt Khartum sowie in den Süden des Landes gependelt.

Indessen schätzen Experten wie Peter Schumann, der frühere Koordinator der UN-Mission im Südsudan (UNMIS), den Einfluss der westlichen Staaten auf die Entwicklungen im Land eher gering ein. Ein Grund dafür sei nicht zuletzt in ihrer früheren Politik zu suchen. "Die Regierung in Khartum hat es meisterhaft verstanden, die Eigeninteressen der verschiedenen Staaten gegeneinander auszuspielen. Die USA beispielsweise hat eng mit der Regierung in Khartum im Kampf gegen den Terror kooperiert. Für die Regierung der USA war immer der Kampf gegen den Terror das oberste Ziel. Ein Regime-Wechsel wurde eigentlich aus diesem Grund abgelehnt."

Schuldenentlastung

So bildete die CIA nach einem Bericht der amerikanischen Tageszeitung "Washington Post" auch ihre sudanesischen Kollegen aus. Und das Magazin "Africa Confidential" berichtet von bilateralen Gesprächen mit dem früheren sudanesischen Geheimdienstkoordinator. Offiziell hingegen steht der Sudan auf der Liste der Staaten, die den internationalen Terrorismus unterstützen. Experten glauben, dass die USA dem sudanesischen Regime Angebote unterbreiten und Zugeständnisse machen wird, um die bisherige informelle Zusammenarbeit nicht zu gefährden. In diesem Zusammenhang hat Washington bereits die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen gegen den Sudan in Aussicht gestellt.

Ein weiterer politischer Hebel, den die westlichen Industriestaaten im Rahmen der Nord-Süd-Verhandlungen betätigen könnten, betrifft die Auslandsschulden – eine der zentralen Streitfragen. Im Falle einer Unabhängigkeit des Südens möchte der Norden einen Teil seiner Schulden auf den neuen Staat abwälzen. Dies lehnt der Süden jedoch vehement ab. Hier sieht der Analyst Wolfram Lacher eine Chance für die westlichen Länder, eine wichtige Vermittlerrolle einzunehmen. Wichtig sei vor allem, eine Schuldenentlastung nicht nur für den Süden zu erwägen. Wenn beide Seiten gleich berücksichtigt würden, könnte dies den Norden mitunter auch in den übrigen Punkten kompromissbereiter stimmen.

Engagement vor Ort

In den ländlichen Gebieten ist oft wenig internationale Präsenz vorhanden
In den ländlichen Gebieten ist oft wenig internationale Präsenz vorhanden

Für die westlichen Regierungen hat der erfahrene Diplomat Schumann ferner folgenden Rat: Mehr Engagement vor Ort. Das sei ein viel wichtigerer Beitrag, um den Menschen in den Dörfern und in den Städten kundzutun: "Hier wird beobachtet". Einen Notfallplan scheinen – trotz allgemeiner Solidaritätsbekundungen für die Menschen im Sudan – weder die UN, noch die USA oder die Länder der EU parat zu haben. Dazu wäre eine größere UN-Truppe im Sudan nötig. Noch im November war von 2000 zusätzlichen Soldaten die Rede, eine Resolution wurde aber nicht verabschiedet. Derzeit ist die UN-Mission mit 10.000 Soldaten in der Grenzregion zwischen Nord und Süd präsent. Zusätzlich hat die UN eine gemeinsame Mission mit der Afrikanischen Union in der westlichen Region Darfur. Sollte im Süden ein Konflikt ausbrechen, müssten Soldaten aus anderen Regionen abgezogen werden. Doch genau davor warnen Beobachter. Sie befürchten neue Eskalationen der Gewalt in den anderen Provinzen.

Autoren: Daniel Pelz / Patrick Brooks

Redaktion: Katrin Ogunsade