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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Gerhard M. Friese31. Mai 2003

EU-Verfassung / G-8 Gipfel

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Das Präsidum des EU-Konvents hat in dieser Woche den überarbeiteten Entwurf für eine Verfassung der Europäischen Union vorgelegt, der vor allem in der britischen Presse auf wenig Gegenliebe stieß. Die Londoner TIMES kritisierte:

"Während die amerikanische Verfassung lobenswert kurz und oft lyrisch geschrieben ist, ist der im EU-Konvent vorgelegte Verfassungsvorschlag lang und hat den literarischen Charme einer Bedienungsanleitung für den Zusammenbau von Fertigmöbeln. (...)Das bisherige Schachern hat ein in Teilen konfuses Dokument hervorgebracht, das hinsichtlich seines Inhalts beunruhigend unklar ist."

Die ebenfalls in London erscheinede DAILY MAIL sieht gar die Souveränität Großbritanniens gefährdet:

"Die Öffentlichkeit wird sich dieser Bedrohung unserer 1000 Jahre währenden Unabhängigkeit immer stärker bewusst, und deshalb steigt die Unterstützung für die Forderung dieser Zeitung nach einem Referendum. Blair versucht verzweifelt, diesen Moment der Wahrheit zu vermeiden - den Moment, in dem das britische Volk zeigen kann, was es von dem Plan hält, dieses Land zu einer bloßen Provinz eines europäischen Superstaates zu machen."

Die schwedische Tageszeitung SVENSKA DAGBLADET schrieb:

"Dass die EU eine Verfassung bekommt, hat sowohl symbolischen als auch handfesten praktischen Wert. Die Verfassung an sich verstärkt die Integration. Überdies wird es weitere Schritte geben, die die Mitgliedstaaten miteinander verweben. Das ist nur positiv. Das Hauptproblem auch für die 'Föderalisten' besteht darin, dass d'Estaings Schöpfung am Machtgleichgewicht rüttelt, einen Grundpfeiler für die Arbeit der EU und die Legitimität der Union."

Die Mailänder Zeitung CORRIERE DELLA SERA befasst sich mit den Forderungen des Papstes nach einem Gottesbezug in der Verfassung:

"Wie die Sachen nach der Vorstellung des Verfassungs-Entwurfes nun einmal stehen, könnte man von einem 0:0 zwischen dem Papst und den gallischen, laizistischen 'Papstgegnern' sprechen: Ersterer hat nicht die ausdrückliche Erwähnung Gottes und der christlichen Wurzeln im Verfassungs-Entwurf erreicht, letztere müssen die staatlichen Beziehungen zwischen der EU und den Kirchen akzeptieren, wie es sie im laizistischen Frankreich seit 100 Jahren nicht mehr gibt. Allerdings ist die Diskussion darüber noch nicht beendet."

Der in Rom erscheinende IL MESSAGGERO kommentiert:

"Valery Giscard d'Estaing hat es geschafft, den Vatikan und die volkstümlichen politischen Strömungen gegen sich aufzubringen. Der nun vorliegende Verfassungsentwurf ist denn auch der Vorschlag eines alten französischen Staatsmannes, und er beschränkt sich darauf, dass sich die Völker der Union am kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas ausrichten. Das ist wirklich ein bisschen wenig."

Die österreichische Zeitung DER STANDARD sorgt sich um die Position Europas gegenüber den USA:

"Was kann Europa überhaupt der geistig langfristig vorbereiteten US-Politik des Faktenschaffens entgegenhalten, und zwar im Sinne einer konstruktiven Konkurrenz unter Partnern? Die Debatte im EU-Konvent über Verfassung und Institutionenreform zeigt einen erschreckenden Mangel an Fantasie und visionärer Kraft. Ohne die aber wird Europa seine gegenwärtige Stagnation nicht überwinden. Was Helmut Kohl über die Gründerväter der EU sagte, gilt heute mehr denn je: Am Ende waren die Visionäre die wahren Realisten."

Die Zeitung LUXEMBURGER WORT bemerkte:

Ein Armutszeugnis wäre es, wenn der Konvent zum Abschluss seiner Arbeiten lediglich einen Katalog von Optionen auflisten sollte, mangels Einigung. Das kostet nur Papier und hat bereits im Vorfeld zu Nizza zu nichts geführt. Der Konvent steht unter Einigungszwang. Er ist zum Erfolg verdammt."

Zum Schluss die französische Tageszeitung LE MONDE. Sie stellte fest:

"Der Konvent unter Vorsitz von Valéry Giscard d'Estaing hat nur noch vier Wochen, um seine Arbeit abzuschließen: er scheint Fortschritte zu machen (...). Tatsächlich aber ist die Arbeit blockiert, seitdem er Ende der vergangenen Woche mit Widerspruch von Seiten des Präsidiums konfrontiert wurde (...). Die wirkliche Debatte über die Politik, also darüber, was die Europäer gemeinsam verwirklichen wollen, wird daher nicht im Konvent stattfinden, sondern bei den Finanzverhandlungen 2007-2013."

Themenwechsel: Mit dem am Sonntag beginnenden G-8 Treffen in Evian befassen sich vor allem französische Tageszeitungen.

Die Pariser Zeitung LE FIGARO sieht den Gipfel noch immer von der Auseinandersetzung um den Irak-Krieg überschattet:

"Frankreich wurde zwar von einigen Ländern unterstützt, doch stand es im Grunde recht allein da, um seine Überzeugungen über die Vorherrschaft des Rechts deutlich zu machen. Amerika betrachtet dies bis heute als Fehlverhalten und hat nichts vergessen. Wir dürfen diese jüngste Vergangenheit nicht leugnen, doch müssen wir zu Recht darauf bestehen, dass es sich um die Vergangenheit handelt. Und wir müssen weiter darauf drängen, dass Europa eine aktive Rolle und nicht nur eine Statistenrolle spielt. Neben dem Kaiserreich muss eine eigene Existenz möglich sein."

Ähnlich die Wirtschaftszeitung LA TRIBUNE:

"Indem er seine Teilnahme auf 24 Stunden beschränkt, sendet George W. Bush ein sehr negatives Signal an die Welt - welche Gründe er auch immer angibt, um die Verkürzung eines seit langem geplanten Aufenthalts zu rechtfertigen. Denn hier geht es schließlich nicht darum, einer banalen Einladung zu folgen, sondern die Rolle einer Lokomotive zu spielen, die die USA sich nicht streitig machen lassen. Nun wird die Lokomotive aber nicht auf den Rest des Zuges warten. Und trotz all dem wird es in Evian darum gehen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Genesung der Welt unmittelbar bevorsteht."

Die österreichische Tageszeitung DIE PRESSE warnt vor allzu großen Erwartungen:

"Schuldzuweisungen für Vergangenes, Trotzhaltungen für Künftiges würden den Gipfel zu einem Desaster werden lassen. Die einzige Erfolgschance dieses Treffens liegt in der nüchternen Akzeptanz der Differenzen. Wer der Welt vormachen will, diese seien beseitigt, nur weil Bush mit Chirac unter vier Augen sprechen und Deutschlands Kanzler Gerhard Schröder vielleicht nicht allzu auffällig brüskieren wird, würde einen Fehler begehen."

Mehr Hoffnung hat da die Pariser Tageszeitung LE MONDE:

"Die G-8 werden den Großen nicht unbedingt ermöglichen, irgendeine gemeinsame Sicht auf die großen strategischen Themen zu finden. Aber sie werden sich gemeinsam zeigen können, um zu zeigen, dass der Dialog - zum Teil - auf höchstem Niveau wieder begonnen hat. Dies ist das Mindeste für das natürliche Thema dieser Gipfel: die Wirtschaft. Die weltweite Stimmung schwankt zwischen lustlos und griesgrämig."

Die Zeitung LIBERATION beschäftigt sich mit Frankreichs Einladung an die Schwellenländer und seine Haltung zur Globalisierung:

"Ob Chirac nun ehrlich ist oder zynisch: Die Regierung Raffarin tut sich weder beim Umweltschutz hervor, noch bei der Entwicklungshilfe, sie stellt die Agrar-Subventionen nicht in Frage und setzt sich nicht für eine Öffnung der Märkte für Produkte aus dem Süden ein. Die Globalisierungsgegner stellen fest, dass zwischen den goldenen Worten Chiracs und der Untätigkeit Raffarins Welten liegen".

Die in Straßburg erscheinenden LES DERNIÈRES NOUVELLES D'ALSACE beleuchten die Rolle Russlands im Kreise der G-8:

"In Frankreich und in Deutschland lässt sich niemand täuschen. Der G-8 von Evian wird von den USA beherrscht, die die meisten europäischen (und russischen) Vorschläge zugunsten der Entwicklungsländer ablehnen. Bei der Wirtschaftbilanz hat Moskau noch zu wenig Gewicht. Auch wenn die russische Politik wieder da ist."